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Zimmer frei

Geflüchtete Frauen aus der Ukraine suchen häufig im Internet nach einer Unterkunft in Österreich. Dabei werden sie von dubiosen Männern angeschrieben. Was erleben die Frauen bei ihrer Suche? Wer sind die Männer, die vorgeben, helfen zu wollen? Eine Undercover-Recherche


Kateryna, eine ukrainische Studentin, sucht auf Facebook nach einer Unterkunft in Wien. Sie veröffentlicht ihre Suche in einer Gruppe mit dem Thema „Ukraine-Hilfe in Österreich“. Auf dieser Plattform bieten Menschen Wohnunterkünfte an, andere offerieren Arbeitsplätze, viele Frauen wie Kateryna suchen nach einem Zimmer oder einer Wohnung in Öster- reich. Es dauert keine halbe Stunde, bis Rudi Katerynas Suchanzeige kommentiert. Er bietet der Studentin auf Englisch an, eine Einzimmerwohnung mit ihr zu teilen. Für mehr Informationen soll sie ihm eine Nachricht schicken.

Kateryna ist in Wahrheit eine News-Reporterin. Wir möchten herausfinden, wie schnell Geflüchtete tatsächlich in Österreich auf dubiose Männer treffen können, die Notlagen ausnutzen, statt Frauen seriöse Angebote zu machen.


Internationale Hilfsorganisationen wie das Flüchtlingshilfswerks UNHCR warnen seit Wochen vor Menschenhändlern, die Geflüchtete aus der Ukraine verschleppen, sexuell ausbeuten oder in illegale Arbeit drängen. „Wir sind in höchster Alarmbereitschaft“, heißt es in einer Aussendung des UNHCR. In Zeiten von Krieg und Vertreibung würde die Gefahr von Menschenhandel steigen. Angesichts der Tatsache, dass jetzt so viele Frauen und Kinder kä- men, sei die Gefahr „multipliziert“. Die NGO International Justice Mission berich- tete dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, wie Männer mit Kleinbussen an die Grenzen zur Ukraine fahren und Frauen ansprechen. Diese Männer würden den Ukrainerinnen tolle Jobs in London, Madrid oder Deutschland in Aussicht stellen, heißt es in dem Interview. Europol be- stätigte dem österreichischen Innenminis- terium, dass es seit Kriegsbeginn vermehr- te Suchabfragen im Internet gegeben habe nach „Ukraine Girls“ oder „Ukraine Sex“.


Auch in Österreich sind Polizei und Helfer alarmiert. So würden Rotlichtbetreiber in bestimmten Foren ihren Bedarf an ukrainischen Frauen ganz offen verkünden. „Einer hat angeboten, die Frauen ernsthaft in seinem Laufhaus unterzubringen“, sagt Gerald Tatzgern. Er ist Leiter der Zentral- stelle im Innenministerium zur Bekämp- fung von Schlepperkriminalität und Men- schenhandel. Von manchen Anfragen, die jetzt gemacht würden, sei er selbst scho- ckiert. So hätten Partnervermittlungs-

agenturen bei der Bundesagentur für Be- treuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) angerufen, um zu fragen, ob sie hei- ratsfähige Frauen hätten. Es würde näm- lich genug Männer geben, die an diesen Frauen interessiert seien.


Schon ein paar Mal sei die Polizei von Hilfsorganisationen zu Bahnhöfen gerufen worden. Dort würden sich Männer herum- treiben und allein reisende Ukrainerinnen ansprechen. Die Frauen würden sich dabei unwohl fühlen. Diesen Fällen geht die Po- lizei nach, aber bisher gäbe es keinen straf- rechtlich relevanten Sachverhalt. „Trotz- dem sehen wir die Gefahr“, sagt Gerald Tatzgern. „Und je länger der Krieg dauert, je länger diese Flucht anhält, desto größer wird die Gefahr.“


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