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DAS LEBEN WIRD SO EINFACH: Selbst ist das Auto - Börse

Autonomes Fahren

Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind, heißt es. Es vermittelt Unabhängigkeit, manchmal sogar Macht. Denn mit dem Lenkrad in der Hand und dem Fuß auf dem Gaspedal fühlen wir uns als Herr aller Dinge. Doch was, wenn in Zukunft das Auto bestimmt, wie schnell es vorwärts geht, wann abgebogen oder gebremst wird? Pure Science-Fiction? Geht es nach den Autoherstellern, wird das Ganze schon bald Realität. Autonomes Fahren ist der neue Megatrend in der Fahrzeugindustrie - und eröffnet Zulieferern enorme Wachstumschancen.

Zahlreiche Vorteile. Einfacher, sicherer, komfortabler und umweltfreundlicher soll es sein, wenn das Auto allein von A nach B fährt. Klar: Wer nicht selbst lenkt und bremst, muss sich nicht auf den Verkehr konzentrieren oder in letzter Sekunde scharf abbiegen, während die Gattin gerade den nächsten Urlaub besprechen will. Das schont die Nerven - und rettet vielleicht sogar die Ehe.

Apropos retten: Haben Sie sich einmal gefragt, warum auf hiesigen Straßen jedes Jahr Hunderte Menschen sterben? Genau: Alkohol, zu schnelles Fahren, Drängeln, Müdigkeit und Selbstüberschätzung gehören zu den häufigsten Unfallursachen. Ein autonom fahrendes Auto hingegen trinkt nicht, wird nie müde, fährt angepasst, erkennt Gefahren im Voraus und weiß immer, wo seine Grenzen liegen.

Für Fondsmanager Mark Nichols von F&C Investments dürfte vor allem aber „der Komfortgewinn für Reisende einer der Schlüssel zum Erfolg der neuen Technologie" sein. Dabei geht es weniger um intelligente Staumelder. Wer das Lenkrad aus den Händen gibt, hat Zeit für andere Dinge. Statt sich selbst durch den Verkehr zu quälen, könnte der Fahrer in Ruhe telefonieren, skypen, Zeitung lesen, E-Mails schreiben, online shoppen oder - Damen aufgehorcht - sich in Ruhe schminken.

Auch Verkehrsplaner und Umweltschützer begeistern sich bereits für selbst fahrende Autos. Die Idee: Fahrzeuge, die sich untereinander vor Staus warnen und auf Echtzeitverkehrsdaten zugreifen können, entlasten die überfüllten Straßen, vor allem zur Rush-Hour. Die Natur wird's ebenso danken wie die Stadtväter und Berufspendler.

Ehrgeizige Pläne. Vieles ist noch Zukunftsmusik. Und ob ein Auto einmal ohne Lenkrad und Pedale - wie jüngst von Google vorgestellt - den Weg ins Autohaus findet, weiß niemand. Bei all den Möglichkeiten jedoch kann es den Autobauern nicht schnell genug gehen. Gern würden sie schon in einigen Jahren selbst fahrende Autos verkaufen.

Erste Tests laufen bereits. General Motors etwa bastelt an einem Auto, bei dem Fahrer schon ab 2017 zeitweise die Hand vom Steuer nehmen können. Toyota hat ein System entwickelt, mit dem ein Auto bis zu einer Geschwindigkeit von 113 Stundenkilometern automatisch den Abstand zum Vordermann einhält.

Auch deutsche Premiumhersteller wie BMW investieren kräftig in die Idee des selbst fahrenden Autos, wobei die Münchner lieber vom hochautomatisierten Fahren sprechen. Denn vorerst soll der Mensch nach wie vor ins Geschehen eingreifen können. Ein Auto, in dem der Fahrer seine Füße hochlegen und Zeitung lesen darf, kommt erst viel später. Davon überzeugt ist auch Nichols: „Der Übergang zum autonomen Fahren findet allmählich statt. Dabei wird in den Fahrzeugen mehr und mehr die dafür erforderliche Technik eingesetzt."

Große Gewinner. Auf die Zuliefererbranche kommt da ein Riesengeschäft zu. Bereits heute sind viele Premiummodelle der Autohersteller mit Videokameras, Radar, Ultraschallsensoren und Lasern ausgestattet. Selbst fahrende Autos werden regelrecht vollgestopft sein damit. Denn nur so lässt sich das Auto wie von Geisterhand steuern.

„Autozulieferer sind die großen Profiteure der Entwicklung hin zum selbst fahrenden Auto. Der Umsatz mit Fahrassistenzsystemen dürfte bis 2020 um jährlich 26 Prozent auf bis zu 25 Milliarden Dollar steigen", schreibt Automotive-Experte Stuart Pearson von der BNP Paribas in einer Studie. Für Nichols von F&C Investments führt die Technologie außerdem zu höheren Margen und engeren sowie langfristigeren Bindungen mit den Autoherstellern.

Einer der großen Gewinner dürfte Continental sein. Bei den Hannoveranern hat das Thema automatisiertes Fahren höchste Priorität, wenn es um Suche nach neuen Wachstumsfeldern geht. Stau-, Park- und Autobahnpiloten, multimediale Bedien- und Infosysteme - das Angebot an elektronischen Helferlein wächst rasant (s. S. 14).

Ein besonders hohes Umsatz- und Gewinnwachstum erwarten Analysten bei Spezialisten wie dem schwedischamerikanischen Ausrüster Autoliv. Das Unternehmen hat sich ganz auf das Thema Sicherheit spezialisiert und bietet unter anderem Kamera- und Radarsysteme an (s. S. 14).

Doch nicht nur klassische Zulieferer dürften vom neuen Megatrend profitieren. Nach Ansicht der BNP Paribas sollten Anleger beispielsweise auch auf Chip-Hersteller wie Infineon (WKN: 623100/ISIN: DE0006231004) setzen. Grund: In selbst fahrenden Autos müssen Unmengen an Daten in rasender Geschwindigkeit verarbeitet werden.

Die Strategen der französischen Bank halten sogar Nokia für einen der Top-Gewinner. Schließlich dürften eine zuverlässige Mobilfunktechnik und hochpräzise Straßenkarten gefragt sein, wenn es darum geht, autonomes Fahren schrittweise zur Serienreife zu bringen. Nokia bietet beides (s. S. 14).

Und was ist mit Google? Baut der Internet-Konzern bald Autos in Serie? Wer den Internet-Riesen kennt, weiß, dass hinter dem Google-Car sehr wahrscheinlich ein anderes Kalkül steckt: Ein auf selbst fahrende Autos zugeschnittenes Software-System zu entwickeln und es an die Autohersteller zu verkaufen.

Dass es Google (WKN: A0B7FY/ISIN: US38259P5089) dabei schlussendlich vor allem um das Sammeln und Auswerten von Daten geht, wäre nicht neu. Denn wer nicht selbst fährt und beispielsweise im Internet nach neuen Schuhen sucht oder den nächsten Strandurlaub plant, liefert wertvolles Futter für den Internet-Kraken.

Behutsamer Start. Die Sorge um die eigenen Daten dürfte es aber weit weniger sein, warum viele Menschen autonom fahrenden Autos erst einmal skeptisch gegenüberstehen dürften. Vielmehr ist es die Frage der Zuverlässigkeit und Haftung. Was, wenn die Elektronik ausfällt oder manipuliert wird? Und soll ein Computer im Fall eines unvermeidbaren Unfalls tatsächlich über Leben und Tod entscheiden?

„Das größte Fragezeichen beim autonomen Fahren ist, wie schnell die Menschen bereit sind, es anzunehmen", betont Nichols. Experten erwarten daher, dass die neue Technik zunächst bei langsamen Geschwindigkeiten eingeführt wird, etwa in der Stadt. Zudem müssten die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden. In Kalifornien geht man schon in die richtige Richtung: Dort dürfen seit Neuestem selbst fahrende Autos auf öffentlichen Straßen fahren.

Continental

Riese mit Helfersyndrom

Längst ist Continental mehr als nur ein Hersteller von Reifen, Stoßdämpfern und Bremsschläuchen. Seit Jahren schon entwickeln und testen die Hannoveraner Assistenzsysteme, die den Fahrer beispielsweise beim Fahren in einer Autobahnbaustelle unterstützen oder ihn davor schützen, bei Rot über die Ampel zu fahren. Gleichzeitig arbeitet Continental daran, alle Systeme miteinander zu vernetzen und dem Fahrer die notwendigen Informationen bereitzustellen. In Sachen Fahrassistenzsysteme gehört der Dax-Konzern inzwischen sogar zu den Top Drei der Welt.

Für die meisten Analysten befindet sich Continental nicht zuletzt wegen seiner Marktstellung in einer sehr guten Ausgangsposition, um von der Entwicklung hin zum selbst fahrenden Auto zu profitieren. Schätzungen der BNP Paribas zufolge sollen mit Fahrassistenzsystemen künftig zweistellige Gewinnmargen möglich sein. Schon 2020 kann der Anteil am konzernweiten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) bei zehn bis 15 Prozent liegen. Das höchste 12-Monats-Kursziel der Analysten kommt vom Bankhaus Lampe: 210 Euro. Anleger setzen den Stoppkurs bei 140 Euro.

Autoliv

Spezialist für Sicherheit

Beim schwedisch-amerikanischen Zulieferer Autoliv steht der Schutz des Fahrers - und der Mitfahrer - an erster Stelle. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen bei Sicherheitssystemen weltweit die Nummer eins. Unterschieden wird zwischen passivem (Airbags, Sicherheitsgurten und Bremsassistenten) und aktivem Schutz (Kamera- und Radarsysteme). Letztere dürften künftig eine immer größere Rolle spielen - in fünf bis sechs Jahren sollen sie bereits ein Drittel des Unternehmensgewinns erwirtschaften.

Schon heute können Käufer eines BMWs oder Mercedes ihr Fahrzeug mit einem Radar von Autoliv ausstatten lassen, um beispielsweise Hindernisse im Nebel schneller zu erkennen. Die immer häufiger eingebauten Videokameras des Unternehmens helfen außerdem, das Verkehrsgeschehen laufend zu beobachten und Unfälle zu vermeiden. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie dem Börsenneuling Mobileye (WKN: A119ES/ISIN: NL0010831061) ist die Aktie von Autoliv - gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) - noch nicht zu teuer. Die 12-Monats-Kursziele der Analysten reichen bis umgerechnet 100 Euro. Stoppkurs: 66 Euro.

Nokia

Experte in Sachen Wegbeschreibung

Nach dem Verkauf der Handy-Sparte konzentriert sich Nokia vestärkt auf seine Kernkompetenzen: Netzwerktechnik und Navigation. Zwar gilt es, noch viele Baustellen zu beseitigen, um Umsatz und Gewinn nachhaltig zu steigern. Die Technik und das Know-how allerdings sind weltweit gefragt.

Im Bereich Mobilfunk arbeitet Nokia unter anderem am nächsten Standard, 5G, der noch schnellere und wesentlich stabilere Verbindungen ermöglicht als die bisherigen. Gerade bei autonom fahrenden Autos, die blitzschnell miteinander kommunizieren sollen, wäre das ein großer Vorteil. Als besonders wertvoll könnte sich auch der Bereich digitale Landkarten (HERE) erweisen. Bereits jetzt sind 80 Prozent aller fest in Autos eingebauten Navigationssysteme mit Karten von Nokia ausgestattet. Dabei steigt das Interesse der Autohersteller stetig. Grund: Nokia vermisst zurzeit mit Kameras das Straßennetz, unter anderem in Deutschland, um zentimetergenaue Karten für autonom fahrende Autos zu erstellen. Laut BNP Paribas wird sich dadurch der Umsatz bei HERE bis 2020 verdoppeln. Höchstes 12-Monats-Kursziel der Analysten: 8,40 Euro; Stopp: 5,70 Euro.

„Der Umsatz mit Fahrassistenzsystemen dürfte bis 2020 um jährlich 26 Prozent auf bis zu 25 Milliarden Dollar steigen" Stuart Pearson, Chefanalyst für den Bereich Automotive bei der BNP Paribas

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