Angesichts der Wohnungsnot hat Berlin dem US-Wohnungsvermittler den Kampf angesagt. Was heißt das? Besuch bei einem, der die Vermieter illegaler Ferienwohnungen jagt.
Am dreistesten war ein Mann aus
Kreuzberg. Er hatte Boxershorts mitgebracht und ein paar Socken auf
die Kommode gelegt. Im Zahnputzbecher lehnten zwei Zahnbürsten, im
Bett lag seine Frau. Alles sollte so aussehen, als ob er hier wohnt.
Als die Mitarbeiter des Bezirksamts aber den Rest der Wohnung
durchsahen, fanden sie: nichts. Keine Kleider, keine Schuhe, keine
persönliche Post. "Er hat es probiert", sagt Eckhard
Sagitza. "Aber es war klar, dass er betrügt."
Der Verwaltungsangestellte
Sagitza, 65, will solchen heimlichen Vermietungen von Ferienwohnungen
ein Ende bereiten. Er leitet den Fachbereich Wohnen im Berliner
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Das Thema Wohnen reizt ihn, sagt
er, weil es so komplex ist, "weil man für schwierige Dinge
Lösungen finden muss". Vor einigen Jahren kam in seinem
Fachbereich ein weiteres schwieriges Thema hinzu: Ferienwohnungen.
Die Stadt Berlin hält nicht viel
davon, wenn Vermieter ihre Apartments über Plattformen wie Airbnb
für ein paar Nächte Touristen überlassen – genauso wie Madrid,
Paris, München, all diese Metropolen, die die Expansion des größten
Anbieters Airbnb als Bedrohung ansehen. Sie fürchten, ihren
Bewohnern werde so der ohnehin knappe Wohnraum genommen. In Berlin
sollen sich deshalb seit einiger Zeit alle Airbnb-Gastgeber
registrieren lassen. Eckhard Sagitza und seine Mitarbeiter im
Bezirksamt nehmen die Registrierungen entgegen und sollen diejenigen
ausfindig machen, die sich vor der Registrierung drücken.
Denn das Geschäft mit den
Ferienwohnungen von privat an privat boomt. Das Institut der
Deutschen Wirtschaft (IW) schätzt, dass heute bereits neun Prozent
aller Touristen für ihre Übernachtung in Deutschland
Sharingangebote nutzen – 2014 habe dieser Anteil noch deutlich
unter vier Prozent gelegen, heißt es. Bei Gästen aus dem Ausland
bucht sogar schon jeder Fünfte seine Übernachtung über eine
Sharingplattform. Marktführer Airbnb bietet zehn Jahre nach seiner
Gründung in San Francisco heute Zimmer und Wohnungen in 191 Ländern
an. Viele Städte haben inzwischen reagiert und Regularien
aufgesetzt, mit denen sie der Expansion von Airbnb Einhalt gebieten
wollen.
In Deutschland etwa dürfen
private Wohnungen laut dem Zweckentfremdungsverbot eigentlich nicht
als kommerzielle Ferienwohnungen genutzt werden. Zwar gab es
Ferienwohnungen auch vor Airbnb, aber als Teil des Gastgewerbes und
nicht als Angebot auf dem Wohnungsmarkt. Die Bundesländer,
verantwortlich für die Umsetzung des Verbots, reagierten
unterschiedlich. Berlin etwa hatte bereits 2014 ein eigenes
Zweckentfremdungsgesetz verabschiedet, vor einem Jahr wurde das
Regelwerk nochmals verschärft. Seitdem müssen sich Anbieter von
Homesharingwohnungen beim Bezirksamt registrieren und eine
Genehmigung beantragen.
Seitdem wurden auch die dafür
zuständigen Abteilungen bei der Stadt aufgestockt.
Fachbereichsleiter Sagitza hat inzwischen acht Mitarbeiter, die
ausschließlich diese Registrierungen entgegennehmen, Genehmigungen
prüfen und dem Verdacht nach illegalen Ferienwohnungen nachgehen.
Wenn die Vermieter nicht auf ihre Anfragen reagieren, müssen sie
mitunter auch in den Wohnungen vorbeischauen – wie bei jenem Mann
aus Kreuzberg. Wenn Sagitza von solchen Fällen erzählt, spricht er
ruhig und sachlich. Doch er ärgert sich über Airbnb, der Anbieter
sei "ein Riesenproblem". Sagitza hat es sich zur Aufgabe
gemacht, das Vorgehen zu bekämpfen – mit mühsamen, kleinen
Schritten will er das Unternehmen bürokratisch einhegen. "Wir
können keine Politik mit dem Baseballschläger machen", sagt
er. "Wir müssen über die Verwaltung und die Gerichte gehen."
Dabei ist nicht einmal klar, ob
ein so kleinteiliger Kampf gegen illegale Ferienwohnungen überhaupt
den Aufwand wert ist. Die Auswirkungen von Airbnb auf den
Wohnungsmarkt sind umstritten: Der IW-Studie zufolge machten
vollständig über Airbnb vermietete Wohnungen Anfang 2017 gerade
einmal 0,8 Prozent des gesamten Wohnbestands der Hauptstadt aus. Eine
aktuelle Untersuchung im Auftrag von Airbnb kommt zu einem ähnlichen
Ergebnis: Demnach gibt es in Berlin 2.600 Wohnungen, die an mehr als
137 Tagen im Jahr komplett vermietet werden, also als zweckentfremdet
gelten. Das mache gerade mal 2,3 Prozent der Wohnungen aus, die
zwischen 2007 und 2017 in Berlin fehlten. Auch wenn der Anteil
geringer ist, als manche vielleicht befürchteten: Angesichts der
Wohnungsnot in der Hauptstadt ist jede Wohnung, die nicht dem freien
Markt zugänglich ist, ein großer Verlust. Airbnb beruft sich indes
darauf, dass das Ursprungsgeschäftsmodell – ein Zimmer oder eine
Wohnung für eine kurze Zeit anzubieten, in der die Bewohner im
Urlaub oder auf Geschäftsreise sind – weiterhin die Mehrheit der
Angebote auf der Plattform ausmachten.
Eckhard Sagitza überzeugt diese
Argumentation nicht. Kein Wunder, sein Bezirk gilt als
Airbnb-Hotspot. 563 Registriernummern hat Friedrichshain-Kreuzberg
seit 2018 vergeben, mehr waren es nur im Bezirk Mitte. Die Zahl der
tatsächlichen Ferienwohnungen, sagt Sagitza, sei allerdings deutlich
höher. Gleiches gilt für die gesamte Stadt. Rund 13.000 Wohnungen
werden in Berlin auf Airbnb angeboten, 85 Prozent hätten keine
Registriernummer, berichtete der rbb – basierend auf Angaben der
Plattform insideairbnb.com.
Für diese unregistrierten
Wohnungen interessiert sich das Bezirksamt. Doch Airbnb habe die
Identität der Anbieter mit Eintreten des Gesetztes 2014 sofort
"vernebelt", sagt Sagitza. Wurden früher noch Straßen und
Hausnummer einer Ferienwohnung angegeben, erfährt man auf der Seite
nun maximal den Kiez, in dem die Wohnung liegt, also einen Bereich
zwischen 500 und 1.000 Metern. Das Unternehmen hingegen begründet
den Schritt mit dem Schutz der Privatsphäre seiner Nutzer. Die
Änderungen seien international erfolgt, teilt Airbnb mit, und hätten
nichts mit dem Berliner Gesetz zu tun. In welchem Haus sich die
Wohnung befindet, in welchem Stock sie liegt – all das erfahren
Nutzer und Behörden nicht. An diesem Punkt setzen die Mitarbeiter in
den Bezirksämtern an.
Sie schauen sich die Fotos auf
dem Portal an, sie nutzen Google Street View, sie recherchieren auf
insideairbnb.com, einer unabhängigen Datenbank des Australiers
Murray Cox, die ebenfalls illegale Vermietungen veröffentlicht.
Speziell geschult werden sie dafür nicht. "Kreative
Fleißarbeit", nennt es Sagitza. Details will er nicht verraten.
Er wolle es den Vermietern ja nicht zu einfach machen. Die
Mitarbeiter sind laut Gesetz berechtigt, die Daten des Vermieters zu
ermitteln und die Wohnung "zu angemessener Tageszeit" zu
betreten – auch wenn das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der
Wohnung dadurch eingeschränkt ist.
Die Hinweise auf die Wohnungen
stammen meist aus der Bevölkerung; etwa von Nachbarn, die vom steten
Ein- und Ausziehen im Haus genervt sind. Auf einer Website der
Senatsverwaltung können sie den Verdacht auf illegale
Ferienwohnungen melden, man könnte sagen, sie werden zum Denunzieren
angestiftet. Die Daten werden den Bezirken dann zugespielt. Einige
Bürger melden sich auch direkt bei den Bezirksämtern. Insgesamt,
sagt Sagitza, gingen seit 2014 mehr als 5.000 Meldungen in seinem
Bezirk ein.
Die Verwaltungsangestellten
müssen vorgehen wie Privatdetektive, weil Airbnb nicht die
Informationen rausrückt, die sie brauchen. Bei Anfragen nach
Nutzerdaten, so berichten Mitarbeiter verschiedener Bezirke, verweise
das Unternehmen in der Regel auf den Firmensitz Irland, wo die Server
mit den Daten stehen. Und damit auch auf irische Gesetze. Es gibt
Städte, die wollten das nicht hinnehmen. München etwa hat in Irland
ein Auskunftsersuchen über die Identität der Gastgeber gestellt.
Airbnb scheiterte vergangenes Jahr zunächst mit einer Klage dagegen
vor dem Münchner Verwaltungsgericht. Weil das Unternehmen in
Berufung ging, wird der Bayerische Verwaltungsgerichtshof darüber in
den nächsten Wochen erneut entscheiden. Trotzdem haben seitdem
mehrere Berliner Bezirke ähnliche Ersuchen angestrengt, darunter
Friedrichshain-Kreuzberg.
Städte gehen auch sonst sehr
unterschiedlich mit dem Anbieter um. In Hamburg können sich
Gastgeber auf der Seite der Stadt online registrieren. Airbnb hatte
Berlin ein ähnliches Modell angeboten. Die Stadt aber lehnte ab. Man
wolle jeden einzelnen Fall prüfen, die Bezirke müssten jeweils ihre
Genehmigung erteilen, erklärt Katrin Dietl, Sprecherin der
Senatsverwaltung.
Das Land setzt auch auf Strafe:
Berlin habe bisher 4,6 Millionen Euro Bußgeld an Vermieter illegaler
Ferienwohnungen verhängt, sagt Sagitza, sein Bezirk komme auf 2.7
Millionen davon. Tatsächlich eingenommen habe man allerdings nur
381.000 Euro. Das liegt daran, dass viele Empfänger der
Bußgeldbescheide juristisch dagegen vorgehen. Und der Rechtsstreit
kann dauern, mitunter Jahre. "Die Menschen, die den Missbrauch
gemeldet haben", sagt Sagitza, "haben dann oft das Gefühl,
es passiert nichts."
Ginge es nach ihm, sollte Berlin
die Regeln für Kurzzeitvermietung noch verschärfen. Warum, fragt
er, ist die Nutzungsdauer nicht beschränkt? In Hamburg darf man
seine Erstwohnung beispielsweise maximal 60 Tage vermieten. Warum,
fragt er, brauchen in Berlin nur Wohnungen eine Registriernummer,
nicht aber Gewerbeeinheiten oder Büros? Auch die würden mitunter
vermietet, so ist seine Erfahrung.
Überhaupt geht es dem Mann vom
Bezirksamt nicht nur um fehlenden Wohnraum, sondern auch um den
Charakter seiner Stadt, der nach und nach zu verschwinden drohe.
Obwohl die bisher bekannten Zahlen das nicht bestätigen, glaubt
Sagitza, dass die wirklichen Homesharer, Menschen, die ihre Wohnung
teilen würden, in der Unterzahl sind. "Den Großteil machen
Geschäftemacher aus", sagt er. Wenn Berlin nicht eingegriffen
hätte, glaubt er, wären in den hippen Szenelagen noch viel mehr
Menschen verdrängt worden. "Irgendwann gibt es im Stadtzentrum
doch nur noch Spätis und Kneipen", sagt Sagitza. "Wer will
denn so leben?"
Das Berliner Gesetz gegen
Zweckentfremdung habe Wirkung gezeigt, findet er. Amateure, die
schnell und einfach Geld verdienen wollten, hätte es abgeschreckt,
die hätten sich zurückgezogen; die Zahl der Anbieter im Bezirk sei
gesunken, 1.296 Wohnungen wurden dem Wohnungsmarkt wieder zugeführt,
ein Erfolg der kleinteiligen Arbeit des Bezirksamts. "Die
anderen aber", sagt Sagitza, die Profis, "die kämpfen wie
die Löwen."