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LAF: Hilfsbedürftige im Amt

Berlin wollte seine chaotische Flüchtlingspolitik neu aufstellen, mit dem LAF wurde eine eigene Behörde geschaffen. Jetzt rufen deren Mitarbeiter erneut um Hilfe.

Flüchtlinge, die tagelang auf einen Termin warten und Mitarbeiter, denen die Arbeit über den Kopf wächst - das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) galt als Inbegriff einer überforderten Behörde. Als 2015 immer mehr Asylbewerber nach Berlin kamen, wusste das Lageso kaum, wohin mit ihnen. Die Behörde brachte sie in Hostels unter, in Turnhallen, in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof.

Berlin wollte die chaotischen Zustände verbessern und schuf im Sommer 2016 mit dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) eine eigene Behörde. Die Stelle für die Registrierung ist jetzt von der Abteilung getrennt, die Asylbewerberleistungen bewilligt. Statt dem einen zentralen Standort im Berliner Ortsteil Moabit gibt es nun vier in der ganzen Stadt. Die LAF-Präsidentin Claudia Langeheine nannte die Reform einen Erfolg.

Trotzdem hat der Personalrat der Behörde jetzt - zum zweiten Mal - eine sogenannte Gefährdungsanzeige verfasst. Die Mitarbeiter des LAF seien "über das erträgliche Maß hinaus belastet", heißt es darin laut Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Wieder ist von Personalmangel die Rede, wie vor fast einem Jahr, als die Behördenleitung eigentlich Besserung versprach. Hat sich nichts verändert?

Für neue Aufgaben nicht geschult

Die Arbeit des LAF sei strukturierter geworden, hört man von Flüchtlingen und Heimleitern. Das Lageso sei 2015 vollkommen überlastet gewesen, gibt auch Sascha Langenbach zu, der Sprecher der Behörde. Er kommt aber sofort auf die Vorteile des neuen Systems zu sprechen: kürzere Wartezeiten, bessere Zusammenarbeit mit Krankenkassen und Jobcentern, Dolmetscher seien ständig vor Ort und universell einsetzbar.

Erst kürzlich sei eine Delegation aus Südkorea bei ihm gewesen, sagt Langenbach. Sie wollte wissen, wie das LAF funktioniert - falls plötzlich mehr Flüchtlinge aus Nordkorea kommen. Es klingt, als sei das LAF zur Vorzeigebehörde geworden.

Die Situation habe sich ein Stück weit gebessert, bestätigt ein LAF-Mitarbeiter, der anonym bleiben will. Er berichtet von einem neuen Archivierungssystem für die Akten und von einer Arbeitsgruppe für interne Kommunikation. Vor allem der neue Kundenservice-Bereich, in dem die Anfragen von Menschen ohne Termin bearbeitet werden, entlaste die Mitarbeiter.

Dennoch, sagt der Mann, sei die Situation nach wie vor chaotisch. Tausende Briefe müssten noch beantwortet werden, darunter Rechnungen von Ärzten und Vermietern, die teils seit Monaten auf ihre Bezahlung warteten. Außerdem müssten die Mitarbeiter mittlerweile auch Unterbringungskosten mit Einkünften verrechnen, die Asylbewerber aus Nebenjobs erhielten, oder Betriebskosten prüfen. Dafür seien sie nicht geschult. "Wir wissen oft nicht, ob es richtig ist, was wir da machen", sagt der Mann.

"Massiv von Urlaubssaison und Krankenstand abhängig"

Hinzu komme: Es gebe keine konkreten Ansprechpartner, keine Übersicht, wer bei Fragen weiterhelfen könne. Das frustriere die Mitarbeiter – und es produziere mehr fehlerhafte Bescheide für die Asylbewerber. Inzwischen gebe es eine regelrechte Klagewelle gegen das LAF, sagt der Mann. Ein Mitarbeiter seines Teams sei inzwischen ganz damit beschäftigt, die Beschwerden zu bearbeiten.

Das LAF sei eine "massiv von Urlaubssaison und Krankenstand abhängige, immer wieder handlungsunfähige Behörde", kritisiert Diana Henniges, die Gründerin von Moabit hilft. Die Initiative war 2015 bekannt geworden, als ihre Helfer Flüchtlinge vor dem Lageso mit dem Nötigsten versorgten. Noch heute gibt der Verein auf dem Gelände Kleidung und Hygieneartikel aus. Wie lange noch, ist allerdings unklar. Ende des Jahres läuft der Vertrag aus, Henniges verhandelt über eine Weiterführung.

Das LAF ist eigentlich gesetzlich verpflichtet, Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen. In vielen Fällen, sagt Henniges, komme die Behörde dem aber nicht nach. Weshalb ihr Verein immer wieder Klagen gegen das LAF einreiche. Etwa vier seien es pro Monat: Wenn besonders schutzbedürftige Asylbewerber in Notunterkünften untergebracht werden, wenn Security-Mitarbeiter Bewohner verletzt haben oder um Zahlungen einzuklagen. Zehn Fälle habe man in den letzten neun Monaten gewonnen, sagt Henniges, einige würden noch bearbeitet.

Noch immer in der Übergangslösung

Das dringlichste Problem am LAF ist nach wie vor die Unterbringung. Als der 30-jährige Yousuf aus dem Irak vor zwei Jahren in Berlin ankam, gab es in seiner Unterkunft weder Duschen noch Toiletten. Da warteten er und die anderen vor eilig aufgestellten Dixi-Klos. Busse mussten die Asylbewerber in nahe Schwimmbäder bringen, damit sie duschen konnten. Nachts schliefen sie auf Matratzen auf dem Boden.

Heute, sagt Yousuf, sei es besser. Es gibt Doppelstockliegen, Sozialarbeiter, sogar einen Fitnessraum. Trotzdem lebt er weiterhin so, wie kein Mensch leben sollte: Seine Unterkunft sind die Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Eine Übergangslösung sollte es sein, höchstens für drei Monate. Und doch leben er und 200 andere Flüchtlinge immer noch dort.


Knapp 26.000 Flüchtlinge sind derzeit in Einrichtungen des LAF untergebracht, 6.633 davon in Notunterkünften, Menschen wie Yousuf in Tempelhof. Die letzte der 63 Turnhallen, die als Unterkünfte dienten, wurde erst im März 2017 geräumt.

Bis Ende 2019 werden vermutlich 15.000 Plätze für Flüchtlinge fehlen. Sie in Wohnungen unterzubringen ist schwierig, denn es gibt kaum freie, bezahlbare Wohnungen in Berlin. Das LAF setzt daher vor allem auf modulare Unterkünfte in Schnellbauweise, sogenannte MUF. Doch in der Innenstadt gebe es kaum noch landeseigene Flächen, die günstig zu bebauen wären, sagt LAF-Sprecher Langenbach. 


Weniger Asylbewerber, weniger Sachbearbeiter

Also weiche man auf den Stadtrand aus. Zwar versucht die Behörde, bei der Umsiedlung Rücksicht darauf zu nehmen, dass viele Menschen in der Umgebung ihrer Notunterkünfte Freunde, teils auch Arbeit gefunden haben oder ihre Kinder in Schulen in der Nähe gehen. Aber das gelingt nicht immer. Nicht selten werden Menschen für eine bessere Unterkunft aus ihrem sozialen Umfeld gerissen. Immer wieder, so erzählen es ehrenamtliche Helfer, würden außerdem Mietbescheide oder Wohnungsangebote von den Mitarbeitern der Behörde zu spät bearbeitet. Dann seien Flüchtlinge von Obdachlosigkeit bedroht.

Mehr als 470 feste Mitarbeiter hat die Behörde zurzeit, dreimal so viel wie 2015. Unterstützt werden sie von Zeitarbeitern und Pensionären des öffentlichen Dienstes. Trotzdem reiche es "hinten und vorne nicht", sagt der LAF-Mitarbeiter. Er bewilligt Asylbewerberleistungen und betreue zwölf Fälle pro Tag; für die Nachbearbeitung der Dokumente bleibe damit keine Zeit. Überstunden seien die Regel, immer wieder fielen Kollegen wegen Burn-out aus. Bis Anfang 2018 fallen laut LAF noch einmal 20 Stellen weg, vor allem weil Zeitverträge auslaufen.

Dieser Trend könnte sich fortsetzen: Der Personalschlüssel des LAF ist an die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge gekoppelt. Und die sinkt. Stellten 2015 noch 55.000 Menschen einen Asylantrag in Berlin, waren es 2016 nur noch 17.000. Bis Jahresende 2017 geht das LAF von 10.000 Anträgen aus.

Behördensprecher Langenbach nennt die aktuelle Zahl der Mitarbeiter einen "vernünftigen Rahmen". Obwohl er zugibt, dass mehr Mitarbeiter immer besser wären für das LAF, fügt er hinzu: "Eine gleichbleibende Mitarbeiterzahl bei sinkenden Flüchtlingszahlen kann man schwer rechtfertigen." Ein Verweis nach oben, zum Berliner Senat. Das LAF untersteht der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales – nur die könnte mehr Personal bewilligen.

Die Senatsverwaltung teilt mit, für den Doppelhaushalt 2018/2019 würden 62 Stellen entfristet und weitere 116 verlängert werden. Dass die Zahl der Mitarbeiter sinkt, wenn weniger Asylanträge gestellt werden, soll so bleiben. Trotz Brandbrief der LAF-Mitarbeiter. Der, heißt es weiter, sei bekannt; Gespräche würden geführt.

Wie also soll es weitergehen?

Fragt man den LAF-Mitarbeiter, gäbe es durchaus Lösungen: Etwa 40 Mitarbeiter mehr, Weiterbildung, bessere Arbeitszeiten. Sinnvoll sei auch ein zweiter Tag, an dem keine Asylbewerber zu Terminen kämen, sondern an dem die Mitarbeiter Dokumente nachbereiten könnten. "Das LAF kann tatsächlich eine Vorzeigebehörde werden", sagt er. "Aber sie muss sich besser um ihre Mitarbeiter kümmern."

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