Die arte-Doku "Selbstporträt Syrien" erzählt den Verlauf der syrischen Revolution anhand anonym gefilmter Handybilder – und sprengt dabei die Grenzen des Genres.
Als der Arabische Frühling im Februar 2011 auch in Syrien anbrach, dauerte es, bis die Bilder der Aufstände die internationalen Medien erreichten. Ausländischen Journalisten wurde das Betreten des Landes verboten, die Arbeit ihrer syrischen Kollegen wurde zensiert. So waren es vor allem Amateure, die die Vorgänge in Syrien dokumentierten. Sie filmten die Demonstrationen und das brutale Vorgehen Assads mit kleinen Digitalkameras und Handys und verbreiteten die Videos über YouTube und Facebook.
In seinem Film Selbstporträt Syrien reiht der syrische Regisseur Ossama Mohammed unzählige dieser Aufnahmen aneinander und erzählt so den Verlauf der Revolution: von einem friedlichen Aufstand hin zu einem Bürgerkrieg. Die Bilder zeigen Demonstrationen und Straßenschlachten, tote Zivilisten und mordende Soldaten aus schockierender Nähe.
Keines der Videos stammt von Mohammed selbst. Der im Mai 2011 ins Pariser Exil geflüchtete Regisseur fand einen Großteil der Aufnahmen in den sozialen Netzwerken. Die anderen Szenen seines Films stammen von Wiam Simav Bedirxan, einer Lehrerin aus Homs, die ihren Alltag in der belagerten Stadt filmte und sich direkt an Mohammed wandte.
Selbstporträt Syrien, das auf arte läuft, ist Teil einer derzeit erstarkenden Strömung im Dokumentarfilm, die ganz auf Amateuraufnahmen setzt - und dabei nicht selten politisch motiviert ist. Talal Derkis Return to Homs etwa zeigt die Radikalisierung der Aufständischen in Homs und greift ebenfalls auf Handyvideos zurück. Die Videotagebücher My Revolution - Video Diary from Kiev und My Life under Erdogan der Deutschen Produktionsfirma Eco Media zeigen Amateuraufnahmen der Unruhen in der Ukraine und der Türkei. 5 Broken Cameras, das Videotagebuch des palästinensischen Bauern Emad Burnat aus dem Westjordanland, wurde 2012 als beste Dokumentation sogar für den Oscar nominiert.
Was diese Produktionen verbindet und zugleich von klassischen Dokumentarfilmen unterscheidet, ist ihre rein subjektive Sichtweise. Sie sind nicht um Ausgewogenheit und Wahrung kritischer Distanz bemüht. Ihre Stärke liegt woanders: Ihre verwackelten, oft unscharfen Bilder lassen erahnen, wie sich Menschen in Ausnahmesituation fühlen. Sie machen die Ohnmacht spürbar, die Wut, die Angst und das Chaos. ...
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