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€ am Sonntag: Das bringt der E-Golf dem Volkswagen-Konzern

Mit großem Tamtam stellen die Wolfsburger eine Elektro-Version des Volkswagen Golf vor. Wie die Erfolgsaussichten für das Stromauto sind und was das Unternehmen damit erreichen will.von Sascha Gorhau, Euro am Sonntag

Auf dem stillgelegten Berliner Flughafen Tempelhof herrscht Hochbetrieb. Auf den Rollfeldern fahren Elektro-Golfs, Pianist Lang Lang und Schauspieler Christoph Waltz sind als Werbebotschafter im Einsatz, in den Hangars finden Konzerte statt, Elektromusik passenderweise. "Hier in Berlin laden wir die Menschen ein, unsere neue Elektroflotte kennenzulernen", sagte Volkswagen-Vorstandschef Martin Winterkorn bei der Vorlage der Geschäftszahlen am Donnerstag (siehe Investor-Info).

Zwei Wochen lang zelebriert sich VW in Berlin als Vorreiter in Sachen Elektromobilität. Ganz als wollten die Wolfsburger sagen: Wir sind bereit für die automobile Zukunft und setzen nun im großen Stil auf Stromfahrzeuge. Doch wie so oft liegen zwischen Marketing und Realität Welten. So schwärmte VWs Entwicklungschef Heinz-Jakob Neusser vom neuen Elektro-Golf, er sei das erste vollwertige Kompaktelektroauto in Großserie. Das ist falsch. Schon seit 2010 bietet der japanische Konkurrent Nissan den vollelektrischen Leaf an, 2011 legte Ford mit dem Focus Electric nach. Der Golf muss sich hinten anstellen, den Vorsprung der anderen erst einmal aufholen.

Dabei kann VW durchaus auf langjährige Erfahrungen mit dem Bau von E-Autos verweisen. Schon 1979 fuhren Modelle des sogenannten City-Stromers auf Basis des damaligen Golf-Modells im Flottenbetrieb. Auch die zweite und dritte Generation des Golf war mit Elektroantrieb unterwegs. Allerdings waren Fahrleistungen und Reichweiten bescheiden. Sie kamen nie in den Handel.

Doch das Know-how für den Bau von Elektrofahrzeugen in der Kompaktklasse besitzen die Wolfsburger bereits seit 35 Jahren. Das spürt man bei einer ersten Probefahrt bei jedem Testkilometer. Bedienbarkeit und Komfort liegen auf dem Niveau jedes anderen Golf-Modells. Das Fahrwerk ist etwas zu hart. Ansonsten ist die Bedienweise vertraut, auch der Außenauftritt unterscheidet sich nicht von Varianten mit anderem Antrieb. Der E-Golf sieht aus wie ein Golf.

Kein Garagenplatz
Stellt sich die Frage, warum VW mit der Präsentation des ersten frei verkäuflichen Elektro-Golfs bis jetzt gewartet hat. Ein entscheidender Grund dürfte wohl der mangelnde Rückhalt aus der obersten Führungsetage sein. VW-Aufsichtsratschef und Großaktionär Ferdinand Piëch kanzelte jüngst auf dem Genfer Autosalon das ungeliebte Elektromobil ab. "Dafür habe ich in meiner Garage keinen Platz", sagte er mit Blick auf die Luxusstromer des US-Elektropioniers Tesla.

Hinzu kommt, dass mutiges Vordringen in neue Fahrzeugklassen kein Wesensmerkmal von Volkswagen ist. Beispiel Kompaktgelände­wagen (Kompakt-SUV): Mit dem X3 griff BMW 2003 als erster deutscher Volumenhersteller das inzwischen boomende Konzept auf. VW hielt sich zurück und beobachtete, ob das Kalkül der Münchner aufgeht. Der X3 wurde ein Erfolg. Im Sommer 2007 brachte VW den Tiguan auf den Markt. Inzwischen dominieren die Wolfsburger in Deutschland dieses Fahrzeugsegment.

BMW baute das Elektroauto i3. Es hat ein hippes Image, transportiert das BMW-typische sportliche Fahren in einer unkonventionellen Hülle und hat so etwas wie einen kleinen Elektrohype in Deutschland ausgelöst. Die Medien überschlugen sich im Herbst 2013 anlässlich der Einführung des bayerischen Stromers. Laut Hersteller liegen allein für den europäischen Markt mehr als 11.000 Vorbestellungen vor.

Elektrisches Feigenblatt
Und Volkswagen, Deutschlands größter Autokonzern, der für sich beansprucht, das Auto schlechthin zu bauen? Die Wolfsburger reagierten wie immer. Sie überlassen der Konkurrenz die Pionierarbeit und kontern mit gnadenloser Effizienz und ihrer einzigartigen Baukastenstrategie. Damit kann der Konzern Autos verschiedener Marken aus seinem Imperium, neben VW etwa Seat und Skoda, auf derselben Produktionslinie bauen. Wegen der größeren Mengen kann VW günstiger produzieren.

Beim E-Golf etwa ist die Batterie im Unterboden montiert und in ­ihrer Form dem Antriebsstrang von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nachempfunden. "So laufen bei uns Elektroautos nicht in eigenen, gesonderten Werken vom Band, sondern Stoßstange an Stoßstange mit Diesel- oder Benzinvarianten", beschreibt Winterkorn den Vorteil des Verfahrens. Damit könne VW jederzeit flexibel und schnell auf Markttrends oder Verschiebungen der Nachfrage reagieren. Das heißt aber auch: Wie gut der E-Golf tatsächlich bei den Kunden ankommt, spielt für VW kaum eine Rolle.

So will kein Verantwortlicher auch nur eine vage Prognose über den eventuellen Absatz abgeben. Wie hoch der Anteil von Elektro­varianten beim Golf werden solle? Könne man nicht seriös prognostizieren. Ab wann er denn zum Flop werde? Achselzucken.

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