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EU-Parlament stimmt für Medienfreiheitsgesetz

Montage von M/Petra Dreßler entstanden mithilfe von KI

Das Europäische Parlament hat den European Media Freedom Act (EMFA) mit einer deutlichen Mehrheit angenommen. Das Medienfreiheitsgesetz soll die Unabhängigkeit und Vielfalt von Medien stärken und Besitzstrukturen im Mediensektor transparent machen. Medienorganisationen begrüßten das Gesetz. An der Frage, inwiefern Journalist*innen vor Ausspähung geschützt werden sollen, wäre das Vorhaben fast gescheitert. Einer Überwachung werden nun enge Grenzen gesetzt - doch Bedenken bleiben.

Auch in Europa ist die Pressefreiheit in Gefahr: Die Morde an Daphne Caruana Galizia in Malta und Ján Kuciak in der Slowakei, das Ausspähen von Journalist*innen in Griechenland, zunehmender Druck auf unabhängige Medien in Ungarn - das ist der Hintergrund, vor dem im Herbst 2022 die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Medienfreiheitsgesetz vorgestellt hat. Mit 464 Ja-Stimmen, 92 Nein-Stimmen und 65 Enthaltungen hat das Europäische Parlament in Straßburg dem European Media Freedom Act (EMFA) nun zugestimmt.

Vorausgegangen war eine vorläufige Einigung zwischen Parlament und Rat der EU im vergangenen Dezember. „Das ist ein bedeutender Erfolg für die Medienfreiheit und den Schutz der Rechte von Journalisten in der EU", sagte Sabine Verheyen (CDU), EU-Abgeordnete und Berichterstatterin für das Gesetz. „Es ist die erste europäische Verordnung in diesem Bereich und wird dazu beitragen, freie und unabhängige Medien zu schützen."

Angaben zu den Eigentümern

Das Gesetz verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, die Unabhängigkeit von Journalist*innen und Medien sicherzustellen und verbietet jede Art von Einmischung in redaktionelle Entscheidungen. Behörden dürfen nach den neuen Regeln keinen Druck auf Journalist*innen ausüben, ihre Quellen offenzulegen. Festgeschrieben ist zudem das Recht aller EU-Bürger auf einen einfachen Zugang zu verschiedenen unabhängigen Medienangeboten.

Der EMFA hat zudem das Ziel, mehr Transparenz zu schaffen. Das gilt für die Auswahl von Führungskräften in öffentlich-rechtlichen Medien sowie deren Finanzierung. Zudem müssen Medien künftig in einer nationalen Datenbank Angaben dazu machen, wer ihr Eigentümer ist. Auf Initiative des Parlaments sieht das Gesetz auch Regeln für den Umgang großer Online-Plattformen wie Facebook oder X (vormals Twitter) mit Medieninhalten vor: Künftig soll es den Plattformen nicht erlaubt sein, Inhalte unabhängiger Medien willkürlich zu löschen oder einzuschränken.

Streit um Überwachung von Journalist*innen

Im Laufe der Verhandlungen hatte es massive Kritik an dem Gesetzesvorhaben gegeben. Ein Punkt hätte fast zu seinem Scheitern geführt: Wie „Investigate Europe" berichtete, wollten einige Mitgliedstaaten, darunter Frankreich und Italien, das Gesetz an wesentlicher Stelle abschwächen. Staatliche Überwachung von Journalist*innen sollte dann möglich sein, wenn es dem „Schutz der nationalen Sicherheit" diene. Diese Formulierung findet sich nun nicht in dem Text, das Parlament hat dem Einsatz von Überwachungssoftware enge Grenzen gesetzt. Möglich soll sie nur werden im Zusammenhang mit schweren Straftaten und nach einem richterlichen Beschluss.

Betroffene müssen zudem nachträglich über die Überwachung informiert werden, auch der Quellenschutz muss gewahrt bleiben. Verheyen räumte aber ein, dass sie sich in diesem Punkt ein „stärkeres Wording" gewünscht hätte. Die Abgeordnete Petra Kammerevert (SPD) kritisierte am Tag vor der Abstimmung im Europaparlament, dass es in dem Text noch immer zu viele Schlupflöcher beim Schutz von Journalist*innen gebe.

Zweifel an Unabhängigkeit des neuen Gremiums

Anhaltende Bedenken gibt es auch hinsichtlich des European Board for Media Services, kurz Board. Es soll künftig die ERGA ersetzen, die bislang für private audiovisuelle Medien zuständig ist. Aufgabe dieses Gremiums wird es sein, die nationalen Medien-Aufsichtsstellen zu versammeln und deren Arbeit zu koordinieren. Medienanbieter, die negativ von Maßnahmen in ihrem Land betroffen sind, können sich an das Board wenden und um eine Stellungnahme bitten.

Für Kritik sorgt insbesondere der Umstand, dass das Board künftig bei der EU-Kommission angesiedelt sein soll. „Wir machen damit die Tür weit auf, die Kommission als eine europäische Medienaufsicht zu etablieren", sagte die EU-Abgeordnete Kammerevert. Verheyen hingegen betonte, dass das Gesetz die inhaltliche Unabhängigkeit des Boards von der Kommission sicherstelle.

EJF: Lediglich Mindeststandards für Medienfreiheit

Unklar ist, wie wirksam der EMFA sein wird - besonders in Ländern, in denen er besonders gebraucht wird. Die Effizienz des Gesetzes hänge ausschließlich von seiner Durchsetzung ab, sagte die belgische Europaabgeordnete Sophia in 't Veld (Volt) in der Parlamentsdebatte vor der Abstimmung. Das sei eine deutliche Schwachstelle. Denn viele Regierungen auch innerhalb der EU hätten kein Interesse daran, kritisch von Medien hinterfragt zu werden. Die Abgeordnete forderte daher die EU-Kommission auf, für eine strikte Durchsetzung des Gesetzes zu sorgen. Diese Forderung äußerte auch die Europäische Journalistenföderation EJF, deren Mitglied die dju in ver.di ist.

Grundsätzlich begrüßt die EJF das Gesetz als „einen wichtigen Schritt zum Schutz und zur Förderung der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in der EU". Die Organisation erinnerte aber daran, dass der EMFA in einigen Bereichen lediglich Mindeststandards festlege. „Die Mitgliedstaaten können und sollten viel mehr tun, um die Freiheit und den Pluralismus der Medien und die Rechte der Journalisten zu schützen, insbesondere vor dem Einsatz von aufdringlicher Überwachungs- und Spähsoftware." Auch Reporter ohne Grenzen begrüßte die Verabschiedung des Gesetzes und kündigte an, die Durchsetzung des EMFA in den Mitgliedstaaten aufmerksam zu verfolgen.

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