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Meinung: Welche Beileidsbekundungen ihr lieber sein lassen solltet

Im Grossen und Ganzen lief es gut mit den Teilnahmebekundungen zum Tod meines Vaters. All diejenigen, auf die es ankam, fanden den richtigen Ton. Selbst wer hilf los stotterte, dafür aber mitweinte oder wortlos die Arme ausbreitete, vermochte zu trösten. Es gab nur ein, zwei Ausfälle - eine Nachbarin inklusive, die meinte, auf die tränenreiche Schilderung der letzten Tage meines Vaters, die Pflegegeschichte ihrer Schwiegermutter folgen lassen zu müssen. Eingeleitet mit den Worten: "Also, das kann ich noch toppen." Ich hätte ihr am liebsten eine reingehauen.

Dass es immer noch schlimmer kommen kann, ist klar. Und ich habe durchaus Trost darin gefunden, dass mein Vater knapp achtzig war, nicht überraschend gestorben ist, und wir genug Zeit hatten, um uns zu sagen, was wir einander sind. Zumindest in den Momenten, wo ich nicht - von Trauer geflutet - all dies als untröstliches Blabla verworfen habe.

Zurückhaltung bei Beurteilungen

In der Beurteilung, ob der verstorbene Mensch nun "besser dran" oder "endlich erlöst" ist, empfehle ich Aussenstehenden grundsätzlich Zurückhaltung. Egal, ob jemand vor seinem Tod von schwerer Krankheit gezeichnet war, unter starken Schmerzen litt und/oder unfähig war, noch eigenständig aufs WC zu gehen.

Selbst wenn man den Tod allgemein als erlösend einordnen würde, kann der oder die Trauernde eine solche Beurteilung als anmassend empfinden und zutiefst verletzt reagieren. Vor allem, wenn er oder sie mit angesehen hat, wie schwer es der sterbenden Person selbst gefallen ist, das Leben loszulassen - trotz allem. Ein trauerndes Herz mit nüchternen Sachverhalten trösten zu wollen, geht auch schlicht am Thema vorbei.

Trauer muss gelebt werden dürfen

Trauer muss gelebt werden dürfen, mit all den Tränen und der Hilflosigkeit angesichts des einzig relevanten Fakts: Ein von mir geliebter Mensch ist tot und wird nie wieder kommen. Das ist unfassbar traurig. Und da hilft es nicht, zu beteuern, dass es der verstorbenen Person jetzt besser geht (aha!). Oder dass die Zeit Wunden heilt. Selbst wenn zumindest Letzteres meiner Erfahrung nach tatsächlich einen wahren Kern hat, kann ich auf Kalenderweisheiten dieses Typs verzichten. Sie helfen so wenig, wie Liebeskummer geplagten Teenagern die Beteuerung: "In ein paar Jahren wirst du darüber lachen!"

Schön und gut. "Aber was darf man denn überhaupt noch sagen?", fragt da der und die Anteilnahme gewillte Aussenstehende. Und ich gebe zu: Die Lage ist heikel. Ich weiss selbst, wie verunsichernd es ist, jemandem zu begegnen, dessen Vater, Mutter, Partner:in gestorben ist. Und habe mich rückblickend auch nicht immer mit Ruhm bekleckert, wenn es darum ging, mein Beileid auszusprechen. Denn da fängt es ja auch schon an: Beileid. Was für ein kaltes, steifes Wort, in das wir uns immer wieder flüchten, im Versuch, alles richtig zu machen. Sagt man halt so: "Mein Beileid."

Ist okay, nicht schlimm, aber eben auch - nicht tröstlich. Eher eine schnell dahingehaspelte Brücke, um im Restaurant oder Treppenhaus über verunsichernde Begegnungen hinwegzustolpern. Was in manchen Situationen übrigens auch für Trauernde ein probater Weg sein kann, gerade wenn man wie ich zu den Menschen gehört, die die Abgründe der Traurigkeit in der Öffentlichkeit meiden.

Ein aufrichtiges "Es tut mir leid" geht immer

Denn das kommt ja noch erschwerend hinzu: Jeder Mensch hat unterschiedliche Bedürfnisse und entsprechend auch verschiedene Bewältigungsstrategien. Dazu kommt die Tagesform, die bestimmt, inwieweit a) Energie vorhanden ist, um überhaupt mit jemandem zu sprechen, b) die Bereitschaft vorliegt, Mitleid auszuhalten, c) man bedürftig nach Anteilnahme ist. Das alles kann das Gegenüber nicht wissen. Manchmal wissen Hinterbliebene ja selbst nicht, woran sie emotional sind. Ein aufrichtiges "Es tut mir leid" aber geht immer. Besonders, wenn die daraufhin auftretende Stille, aufsteigende Tränen und schweres Schlucken ohne Rückzieher ausgehalten werden.

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