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Darm mit Schwarm

In Citizen Science Games sollen Laien helfen, wissenschaftliche Probleme zu lösen. Sie entschlüsseln Proteine oder kartieren das Ökosystem des Darms. Nur: Hilft das tatsächlich? Und vor allem: Macht das Spaß?


„Oh nein! Chaos im Chemielabor. Hilfst du mir beim Sortieren des Equipments?", bittet mich der Chemiker Luiz. „Gern", denke ich. Und fange an, in den Laborschränken nach Bunsenbrenner und Pipetten zu kramen. Schon bin ich mittendrin in „Skill Lab: Science Detective".

In verschiedenen Minigames können die Spielerinnen und Spieler Punkte sammeln, indem sie Forschende unterstützen. Nachdem ich das Labor sortiert und einer Biologin geholfen habe, Laborratten wieder einzufangen, bin ich erst mal zufrieden. Und habe ganz nebenbei einer ganz real existierenden Forschungsgruppe aus Dänemark wertvolle Daten geliefert, um zu verstehen, wie Menschen Entscheidungen treffen und Probleme lösen. Denn die Minispiele hat ein Team aus Neurowissenschaft, Data Science und Game-Design nach den Prinzipien der kognitiven Neuropsychologie konzipiert. Die Erkenntnisse sollen Algorithmen optimieren, die komplexe Probleme lösen, zum Beispiel Atome abkühlen. „Skill Lab" ist ein sogenanntes Citizen Science Game.

Hier ist Schwarmintelligenz gefragt

Citizen Science steht für Bürgerwissenschaft. Die Idee ist einfach: Bürgerinnen und Bürger helfen bei der Forschung. Indem sie Beobachtungen melden, Messungen durchführen oder helfen, Daten zu sammeln. Nur soll das Ganze eben spielerisch ablaufen. „Es geht um Schwarmintelligenz", sagt Dominik Rinnhofer. „Der Einzelne muss nicht über eine besondere Expertise verfügen." Rinnhofer ist Professor für Game Design an der Hochschule Macromedia in Stuttgart. Spiele würden in der Wissenschaft schon länger zu Forschungszwecken eingesetzt, sagt er. Aber erst seitdem viele Spiele online spielen, ließen sich überhaupt genug Daten erheben, um Citizen Science nützlich zu machen.

Eines der bekanntesten Citizen Science Games ist „Foldit", eine Art Puzzlespiel, das es schon seit 15 Jahren gibt. Das Browsergame hilft US-amerikanischen Forschenden dabei, Proteinstrukturen zu finden, die gegen Krankheiten helfen. Je besser das Modell eines 3-D-Proteins im Spiel „gefaltet" wird, desto mehr Punkte gibt es - denn umso besser funktioniert das Protein. Die Wissenschaft interessiert vor allem das räumliche Wahrnehmungsvermögen der Spielenden. „Menschen haben die unglaubliche Fähigkeit, Muster zu erkennen", sagt Rinnhofer. Die KI holt zwar gerade auf, aber noch sind einfache Aufgaben - zum Beispiel alle Fahrräder auf einem Bild zu finden - für Maschinen schwierig. Menschen können das sehr viel schneller.

2011 hat die „Foldit"-Community die Struktur eines Proteins entschlüsselt, das Aids bei Rhesusaffen auslöst. Die Forschung hatte jahrelang danach gesucht, die mehr als 200.000 Gamer und Gamerinnen brauchten drei Wochen. „Citizen Science Games sind sehr gut geeignet, um über eine Masse an Daten zu Informationen zu gelangen", sagt Rinnhofer. Gerade spielt die „Foldit"-Community daran, das Krim-Kongo-Fieber-Virus unschädlich zu machen. Vielversprechende Proteine werden an der University of Washington nachgebaut und getestet.

„Spaß haben und Gutes tun", das ist laut Rinnhofer die Motivation vieler, die Citizen Science Games spielen. Der Wunsch, einen Beitrag zur Forschung zu leisten, stehe schon im Vordergrund. Das ist bei manchen Spielen auch nötig: Leicht zugänglich ist „Foldit" nicht. Zwischen vielen Erklärvideos und Probeproteinen kommt kaum Spielfluss auf. Das Gefühl, im Biounterricht einer jungen, digital ambitionierten Lehrkraft zu sitzen, verliert sich nicht.

Das Storytelling hat noch Luft nach oben
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Titelbild: ScienceAtHome

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