1 subscription and 1 subscriber
Article

Tafeln ersticken im Brot

Mainz Bäcker bleiben auf ihren frischen Waren sitzen / Bewusste Überproduktion

Abends sind in den Bäckereien viele Brötchen übrig. Bis in den Abend hinein wird gebacken, da die Kunden auch spät noch das komplette Sortiment vorfinden sollen. Doch was passiert mit den Resten? Die Entsorgung der alten Backwaren kostet die Unternehmer ansonsten richtig Geld.

Ein Franchisepartner der Bäckereifiliale Kamps in der Holzhofstraße versuchte sein Glück bei der Mainzer „Tafel", denn das ist kostenlos. Der Versuch war zunächst vergeblich. „Die waren richtig blöd zu mir und haben gesagt, ,noch eine Bäckerei und noch mehr Backwaren können wir nicht gebrauchen.'" Und dabei hätte die Bäckerei einiges abzugeben. Bei Kamps wird auch um 19 Uhr noch mal nachgebacken.

Die „Tafel" in Mainz bestätigt, mit Backwaren bestens versorgt zu sein. „Wenn wir noch mehr Bäckereien anfahren würden, hätten wir die Entsorgungsprobleme", erklärt Andrea Arlt von der Mainzer „Tafel". Brote, die bei der Tafel nicht verteilt würden, werden zur psychosozialen Beratungsstelle in der Wallstraße, zu den Brotkörben nach Gonsenheim und Weisenau und in die Pfarrer Landvogthilfe gebracht. „Ich bin kein ruppiger Mensch, auch wenn wir schon Bäckereien abgewiesen haben", betont sie, die mit weiteren ehrenamtlichen Helfern die wohltätige Organisation am Laufen hält.

Sabine Olemutz läuft zwischen der Türklingel ihrer Bäckerei in Mombach und dem Telefon hin und her. Die gelernte Bürokauffrau ist mit dem Bäckermeister Kai Olemutz verheiratet. Das Paar führt einen traditionellen Familienbetrieb, gebacken wird ausschließlich nachts in der Backstube in Mombach. Die Probleme mit der „Tafel" sind auch der Bäckereiinnung bekannt. „Das haben wir auch schon erlebt. Wir wollten lieber spenden als wegwerfen, aber die ,Tafel' sagte uns, sie brauche uns nicht, sie habe schon zu viel Brot und Brötchen", erzählt Olemutz.

Durch Zufall ist der Betrieb dann doch an die „Tafel" gekommen, eine Mitarbeiterin hat den Kontakt hergestellt. „Aber nur einmal pro Woche wird bei uns abgeholt." An den anderen Tagen spenden Sabine und Kai Olemutz an die „Mission Leben" und das „Heinrich-Egli-Haus", das obdachlosen Männern in Mainz ein Dach über dem Kopf bietet. „Wir achten aber darauf, immer nur so viel zu backen, dass am Abend nichts übrig bleibt", erklärt Olemutz. „Dieses Produktionsverhalten hat Nachteile in unserer Konsumgesellschaft." Denn Kunden stehen nicht gerne vor leeren Kuchenblechen. „Das machen sie vielleicht zweimal, beim dritten Mal gehen sie dann woanders hin." Ihr Schwiegervater habe immer gesagt, wenn nichts mehr da ist, ist nichts mehr da. „Aber heute funktioniert das nicht mehr."

Anke Klitzing, Pressesprecherin von Slow Food Deutschland, kann die „Tafeln" nachvollziehen. „Die Tafeln wollen nicht missbraucht werden und auf der Überproduktion unserer Konsumgesellschaft sitzenbleiben," sagt sie. Der Franchisepartner von Kamps aus der Holzhofstraße hat nun einen Vertrag mit der „Tafel". Das sei gut, denn „wenn ich meine Reste in die Biotonne schmeiße, dann habe ich ein Problem".

Original