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"Wetten, dass ..?": Biederes Ende für die Kult-Show

Nürnberg. "Wenn irgendwas einen Atomschlag überlebt, dann Kakerlaken und ‚Wetten, dass ..?'" Diesen Satz hätte vor 20, ach was, vor 10 Jahren jeder von uns unterschrieben und fest gehofft, dass Thomas Gottschalk auch noch in 100 Jahren der versammelten Familie am Samstagabend Diskussionsstoff wegen seines skurrilen Aufzugs liefert.


Von unserer Reporterin Sarah Kern 

Aber zu dem Zeitpunkt, als Markus Lanz dies einem US-Journalisten sagte und dabei über den sackhüpfenden Tom Hanks plauderte, war die Sendung schon längst abgeschrieben.

Und so ist am Samstagabend dieses eine verbliebene Stück Fernsehgeschichte nach einem langsamen und quälenden Tod, nach mehr als 33 Jahren und 215 Sendungen, beerdigt worden. 9,27 Millionen Zuschauer sahen dabei zu, mehr als in den vergangenen zwei Lanz-Jahren, aber weniger, als es zu den besten "Wetten, dass ..?"- Zeiten gewesen sind.

Die Fantastischen Vier eröffnen die Show in Nürnberg. Parallel dazu starten diverse Internetseiten Live-Ticker zur Sendung. Bei Twitter werden die ersten Tweets abgesetzt. "Starte den nächsten Versuch!", rappen Fanta Vier. Markus Lanz, schwarzer glänzender Anzug, weißes Hemd, steht dann da, verloren in dieser Halle, in dieser Sendung, die er nie ausfüllen konnte.


Auf der grauen Couch: Fanta Vier. Olli Dittrich, der einst die Außenwetten begleitete, passend dazu im mausgrauen Zweireiher und gestreifter Krawatte. Beerdigungsstimmung. Die Outfits von Katharina Witt und dem ehemaligen Skirennläufer Herrmann Maier machen's nicht besser. Da wird eine biedere Sendung in der biedersten Garderobe zu Grabe getragen. Til Schweiger fläzt sich übrigens später im blauen Sweatshirt auf der Couch. Die Gespräche kommen nicht richtig in Fahrt. Man plaudert über Kindheitserinnerungen. Wie das damals war, im Schlafanzug auf dem Sofa die Sendung zu schauen. Tausendmal gehört.


Es ist paradox. In den Einspielern aus der Vergangenheit lümmelt sich Thomas Gottschalk in großkariertem roten Anzug auf der Couch neben Michael Jackson, der an einer Plastikblume riecht. Das war 1995. Schauspieler laufen nackt durch die Halle, Sarah Connor trällert einen ihrer großen Hits "From Sarah with love" und steht dabei auch fast nackt auf der "Wetten, dass ..?"-Bühne. Gottschalk umarmt, herzt, witzelt in diesen Rückblenden. Das sind Bilder, so trashig, so lebendig, so ungezwungen und gut! Das ist, nein, das war "Wetten, dass ..?"

Zurück auf die graue Couch, zurück zur letzten Show kurz vor Weihnachten 2014. Da sitzt nun auch Helene Fischer, züchtig, im hochgeschlossenen schwarzen Anzug mit Fliege. "Sie will ja jetzt Mutter werden", twittert jemand. Wetten wie diese: junge Mädchen in kurzen Röcken, die möglichst schnell Wäsche aufhängen. Gottschalk meldet sich unterdessen per SMS bei den Kollegen von Spiegel Online: "Zuschauen krieg ich nervlich nicht hin, halte mich mit euch auf dem Laufenden." Gottschalk meint den Liveticker.


Leben kommt in die Sendung, als der siebenjährige Paul Altmeier Hunde am Leberwurstschlecken von seinem Handrücken erkennen kann. Halbsätze wie "leckt zart" oder "leckt wild" aus dem Mund eines Siebenjährigen will man eigentlich nicht hören, der Fernsehabend nimmt jetzt Fahrt auf. Lanz ist nun locker, als er Elton nach seiner verlorenen Wette Leberwurst auf die Backen schmiert.


Es gibt wenige wirklich gute Momente in der letzten Sendung, die streckenweise ziemlich langatmig gerät, wobei das Ende besser als der Anfang ist. Als der vor vier Jahren bei einer Wette verunglückte und seither querschnittgelähmte Samuel Koch dazukommt, wird es interessant. Koch besucht erstmals wieder eine "Wetten, dass ..?"-Sendung. Doch Lanz vergeigt die Situation. Da, wo Gottschalk Samuel vermutlich umarmt und Emotionen mehr bedeutet hätten als Worte, stammelt Lanz Fragen wie "Kannst du dem, was passiert ist, einen Sinn geben?". Koch, deutlich souveräner, vermag das glücklicherweise abzufedern mit der Antwort: "Ich versuche, dem Ganzen den Unsinn zu nehmen."


Vielleicht sind das die passenden Abschiedsworte für eine Sendung, die nur auf kurzen Strecken eine Abschiedssendung gewesen ist. Deutlich wurde: Sie passt nicht mehr in die Zeit. Ob das nun an Lanz liegt oder am Format. Um es mit der ebenfalls angetretenen Band Unheilig zu sagen: "Es wird Zeit, zu gehen."

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