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Nennen wir es doch bitte Smart Office!

Trotz Corona hat Homeoffice in Deutschland immer noch ein schlechtes Image. Das hat vor allem auch was mit dem Wort Homeoffice an sich zu tun. Wir sollten unbedingt ein schlaueres Wort dafür finden.

Wenn das Coronavirus nur eine positive Folge hat, dann diese: Viele Menschen, die einen Büro-Job haben, können in Zukunft flexibler, nach ihrer eigenen Lebensplanung arbeiten. Was braucht es, um das zu erreichen?

Vor ein paar Tagen sah ich bei Instagram einen Beitrag von Silvia Grilli. Grilli ist die Chefredakteurin der italienischen Modezeitschrift „Grazia". Auf dem Foto steht sie vor ihrem Kühlschrank in ihrer Mailänder Wohnung. Dazu schreibt sie "Pausa Smart Working" - Pause vom intelligenten Arbeiten. Auf einem anderen Bild hält sie die Juni-Ausgabe der „Grazia" in der Hand. Und sie schreibt dazu, dass dies die erste Smart-Working-Ausgabe sei. Alle Mitarbeiter*innen der Modezeitschrift arbeiten seit Ende Februar wegen der Coronakrise selbstverständlich im Smart Office.

Smart Office, Smart Working

Tatsächlich gibt es im Italienischen das bei uns gebräuchliche Wort Homeoffice nicht. In Italien „macht" man nicht Homeoffice, man befindet sich im Smart Office, im intelligenten Büro. Homeoffice ist, wie Handy auch, ein Kunstwort, dem Englischen entlehnt. Kein Engländer oder Amerikaner benutzt dieses Wort.

Homeoffice klingt zwar schön international, englische Muttersprachler würden es aber nicht in diesem Kontext verwenden. Das Homeoffice meint im Englischen das Arbeitszimmer und im britischen Englisch ist Homeoffice das Innenministerium! Wer von zu Hause arbeitet sagt "working from home".

Unser eingedeutschtes Homeoffice möchte besonders fortschrittlich sein. Und wie immer ist es so, wenn man etwas unbedingt sein will: Man ist eben doch das Gegenteil. Im Falle von Homeoffice schwingt mit: Drei Tage ungeduscht, in Jogginghose, auf der Couch rumlungern und irgendwas machen, aber nicht richtig arbeiten. So denken doch viele bei uns über Homeoffice. Seien wir doch ehrlich!

Die Italiener haben sich klugerweise gegen Homeoffice und für intelligentes Arbeiten, also Smart Working, entschieden. Das ruft ganz andere Gedanken hervor: Intelligentes, effizientes, digitales Arbeiten von zu Hause, oder eigentlich egal von wo.

Vorwärtsgewandt, der Digitalisierung und ihren positiven Seiten gegenüber aufgeschlossen, und überhaupt einfach zeitgemäß.

Remote Work in den USA

Die amerikanischen Digitalfirmen wie Twitter oder Facebook machen Arbeit von zu Hause zum zentralen Bestandteil ihrer Firmenkultur. Facebook-Chef Mark Zuckerberg sieht in den nächsten fünf bis zehn Jahren die Hälfte seiner Mitarbeitenden im Heimbüro („working remotely"). Sein Versprechen: produktiveres Arbeiten, besseres Entgegenkommen gegenüber unterschiedlichen Lebensentwürfen. Und Unterstützung dabei, Privates und Dienstliches zu trennen.

I just spoke with our employees about what we've learned about remote working and how we're planning to support it...Gepostet von Mark Zuckerberg am Donnerstag, 21. Mai 2020

Vom Homeoffice zum Smart Office

Und bei uns in Deutschland wird das mit dem Homeoffice kritisch gesehen. Dabei ist es mittlerweile doch so: Vor der Coronakrise haben nur 12 Prozent der Beschäftigten gelegentlich oder dauerhaft den heimischen Schreibtisch genutzt. Während der Krise hat sich die Zahl verdreifacht. Aber viele Arbeitgeber trauen dem Konzept offensichtlich nicht so richtig. Und wollen ihre Mitarbeiter*innen am liebsten ausspionieren.

Das zeigt auch die Diskussion um den Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Er möchte Homeoffice in Deutschland gesetzlich durchsetzen. Doch vonseiten der Arbeitgeber gibt es dafür allerdings keine Zustimmung.

Ich bin oft produktiver als im Büro

Ich arbeite selbst seit Mitte März im Homeoffice und bin dabei - wie ich finde - produktiver als im Büro. Das ist übrigens auch das Ergebnis einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Instituts zur Produktivität im Homeoffice.

Und überhaupt hat das gelegentliche Arbeiten von zu Hause oder einem anderen Ort als dem Büro viele Vorteile: weniger verstopfte Straßen, weniger Ablenkung im Großraumbüro, weniger gestresste Eltern (zumindest jenseits der Coronazeit), weniger krankheitsbedingte Ausfälle, weil sich viel weniger Menschen krank melden (mit einer Erkältung hätte man sich vielleicht nicht mehr ins Büro geschleppt, arbeitet aber vielleicht zu Hause).

Prof. Wolfgang Prinz, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT, geht davon aus, dass die Coronapandemie die Arbeitswelt längerfristig verändern wird. Arbeitgeber werden sehen, dass Arbeitnehmer*innen auch gute Arbeit leisten können, wenn sie von zu Hause arbeiten. Auch im Arbeitsleben selbst werden wohl häufiger virtuelle Treffen an Stelle von Konferenzen vor Ort stattfinden, die letztlich auch viel Geld und Zeit sparen können.

Dass das alles schneller voran geht, haben wir selbst in der Hand - oder in unserem Wortschatz: Einigen wir uns doch auf Smart Office.

Was ist Ihre Meinung zum Thema Homeoffice? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Schreiben Sie uns gerne einen Kommentar.
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