Tupper war gestern. Der neue Trend unter Mädels sind Dildopartys. ZiSH-Autorin Sarah Franke hat eine der Verkäuferinnen für Sexspielzeuge begleitet und festgestellt, dass man dabei gar nicht nackt sein muss.
Die „Dildofee" Anna hält den Womanizer hoch. Er ist mit einem Tigermuster verziert und sieht ein wenig nach Epiliergerät aus. Dann schaltet Anna ihn ein: ein Geräusch wie eine wütende Katze. Allerdings kein Fauchen, eher ein aggressives, tiefes Grollen. „Das ist eine Weltneuheit", sagt Anna. „Der Womanizer saugt den Kitzler an. 70 von 100 Frauen sind mit ihm in unter einer Minute gekommen." Sie wirft einen langen Blick in die Runde der Anfang 20-Jährigen in Steffies Wohnzimmer. „Der hört sich aber gruselig an!", sagt eine von ihnen. „Ja", sagt Anna, „aber wenn du damit spielst, kannst du dich garantiert nicht mehr auf das Geräusch konzentrieren."
Zehn- bis 15-mal pro Monat sitzt Anna in fremden Wohnzimmern voller junger aber volljähriger Frauen und stellt ihnen als sogenannte „Dildofee" Sexspielzeuge vor. Wie bei einer Tupperparty. Nur eben mit Vibratoren, Dildos und anderen Lustprodukten. So wurden laut der Internetseite der Agentur bis 2012 bereits 800 000 Spielzeuge verkauft - bei einem Jahresumsatz von 15 Millionen Euro, „Tendenz steigend". Um das zu bewerkstelligen sind mittlerweile schon über 3600 Frauen im Einsatz, um täglich insgesamt etwa 140 Dildopartys für andere Frauen zu organisieren.
Richtige Verkaufsstrategien
Anna ist seit vier Jahren „Dildofee". Angefangen hat die 25-Jährige während ihrer Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation. Ursprünglich nur, um sich ein Taschengeld dazu zu verdienen. Die Dildofeen arbeiten auf Provisionsbasis. Je mehr sie verkaufen, desto mehr verdienen sie. „Als Anfänger kann man mit 80 Euro pro Party rechnen", sagt Anna. Mittlerweile arbeitet sie nur noch halbtags im Büro, würde gerne hauptberuflich die Spielzeuge verkaufen. Das Geschäft mit Vibratoren und Massagetoys rentiert sich. Aber nur, wenn die Feen auch die richtigen Verkaufsstrategien mitbringen.
Im Wohnzimmer von Gastgeberin Steffie trudeln die Gäste langsam ein. Ihr Mitbewohner verkriecht sich derweil in sein WG-Zimmer. Männer sind hier heute verboten. Als alle da sind, herrscht zu Beginn noch betretenes Schweigen. Dabei sieht Anna ganz harmlos aus: schulterlange glatte Haare, türkises T-Shirt, blaue Röhrenjeans. Auf dem Couchtisch stehen Rohkost und Käsespieße bereit. Und Sekt. Um die Stimmung zu lockern. Als sich alle bedient haben, begrüßt Anna die Runde: „Für die, die das erste Mal auf einer Dildoparty sind: Wir sitzen hier nicht nackig im Kreis und probieren die Spielzeuge aus." Die Runde lacht. Das Eis ist gebrochen.
Keine Domina in Lack und Leder
„Manchmal fragen mich Kunden, wo die Dildofee ist", sagt uns Anna später. „Sie erwarten dann eine Domina in Lack und Leder." Tatsächlich sind Dildopartys weitaus lockerer und lustiger als sich das so manche vorstellt. Die Feen werden in Einschulungspartys und Workshops geschult, bekommen bei Bedarf ein Verhaltenstraining, um Strategien zur Auflockerung des Abends zu entwickeln.
Nach der Begrüßung im Wohnzimmer öffnet Anna die erste ihrer grauen Boxen. Dann hält sie ein Massagegerät in der Form eines Schafes in der Hand. „Das ist der starke Rolf." Rolfs Körper ist aus Silikon und Plastik, seine Füße vibrieren. Die Runde starrt schweigend auf das kleine Tierchen. Die Dildofee geht auf Kathrin zu. „Darf ich mal deinen Rücken haben?" Kathrin ist zunächst erschrocken, genießt dann aber die Massage. „Vor ein paar Wochen hat mich eine Kundin angerufen, weil sie Probleme hatte, Rolf einzuführen", erzählt Anna. „Deshalb noch mal deutlich: Rolf ist nur für die äußerliche Anwendung geeignet!" Ein Mädchen aus der Runde antwortet: „Ich stelle mir das vor, wie ein Tisch, der nicht durch die Tür passt." Die Mädchen johlen laut auf. Langsam werden alle lockerer.
Offener mit Sexualität umgehen
Für Anna war der Einstieg in die Dildopartys auch eine Art Selbsttherapie. „Dildofee bin ich geworden, weil ich früher nicht vor Leuten sprechen konnte", sagt sie. „Wenn du bei dem Thema die Klappe nicht aufkriegst, hast du verloren." Ein mutiger Schritt, wenn man bedenkt, dass noch immer viele Frauen Probleme damit haben, über Sex zu reden. Während Jungs mittlerweile bereits in der Pubertät auf dem Schulhof Pornos auf dem Handy vergleichen, ist Masturbation unter Mädchen immer noch ein Tabuthema - oftmals sogar noch mit Anfang 20. Genau das macht aber Dildopartys so interessant. Denn viele Frauen möchten gerne offener mit ihrer Sexualität umgehen, trauen es sich aber nicht.
Nach Rolf tastet sich Anna mit Massagelotion weiter vor. Dann wird es ernst. Langsam nähert sich der Abend den batteriebetriebenen Vibratoren. Sie heißen „Hausfreund" oder „Prinz". Letzterer ist ein etwa 20 Zentimeter langer, dicker Vibrator, gänzlich weiß und aalglatt. Ehrfürchtiges Stillschweigen im Wohnzimmer - wie so oft an diesem Abend. „Ihr seid so still", sagt Anna. „Habt ihr gar keine Fragen?" Nach kurzem Zögern sagt Alina: „So stelle ich mir einen Alienschniedel vor. Das ist ganz schön einschüchternd." Wieder wird lauthals gelacht. Wieder wurde es ein bisschen weniger peinlich.
Am Ende der Party bittet Anna alle Frauen einzeln in einen Nebenraum. Dort können sie ganz diskret ihre Bestellung aufgeben, egal ob Cremes oder Spielzeuge. Ihre Freundinnen erfahren nichts. Im Wohnzimmer spricht niemand darüber, ob und was er bestellt hat. Dann kommt Kathrin zurück von der Bestellung und jammert: „Oh menno, jetzt muss ich ja voll lange warten, bis die Sachen da sind." Sie wird leicht rot - als hätte sie gerade ein bisschen mehr verraten, als ihr lieb ist.
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