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Raus aus der Bubble

Wer sich schon während des Studiums ein Netzwerk aufbaut, ist bei der Jobsuche später besser aufgestellt. Möglichkeiten gibt es dafür viele.


Als Lisa Öller nach der Matura vier Monate lang in Indien bei einem sozialen Freiwilligenprojekt mitgearbeitet hatte, war ihr eines klar: „Ich möchte Leute aus anderen Ländern kennenlernen." In ihrem vierten Semester an der Boku stieß die Studentin dann auf IAESTE, eine Organisation, die all ihre Interessen vereint. Die 25-Jährige Masterstudentin ist nun seit fünf Jahren eines der 160 Mitglieder in Österreich - und inzwischen im Nationalkomitee tätig: Sie trägt die Verantwortung für den Kundenkontakt, Kooperationen und Praktika - dem Schwerpunkt der Organisation.


Die ehrenamtliche Arbeit bei IAESTE – die etwas sperrige Abkürzung steht für International Association for the Exchange of Students for Technical Experience – nehme pro Woche ungefähr zehn Stunden in Anspruch, in stressigen Zeiten sogar bis zu 40, bringe aber viele Vorteile mit sich, wie Lisa erzählt. Einer davon: Das weltweite Netzwerk. „Was ich wichtig finde, ist, dass man Leute mit verschiedenen Hintergründen kennenlernt und nicht nur in der eigenen Bubble drinnen ist, was als Student leicht passiert – das ist für mich Netzwerken."


Dadurch ihre Karrierechancen zu erhöhen ist nicht das primäre Ziel der Studentin: „Es war nicht meine Motivation, vor allem in der Anfangszeit", sagt sie. „Aber mir wird immer bewusster, wie hilfreich Networking sein kann." Denn tatsächlich lässt es sich nicht bestreiten, dass ein Nebenprodukt diverser Engagements das große Netzwerk ist – und dass das auch positive Effekte auf die eigene Laufbahn haben kann. Egal, ob Alumni, Firmenvertreter oder gleichgesinnte Studierende – von fast allen Kontakten kann man auch später einmal profitieren.


Netzwerk als Ergänzung. Der Kommunikationsberater Josef Mantl rät, schon während der Studienzeit mit dem Netzwerken zu beginnen und ohne Scheu Menschen anzusprechen: „Studenten, die neben ihrem Studium ein persönliches Netzwerk aufbauen, werden nachher besser aufgestellt sein, weil sie Kontakte haben, auf die sie zurückgreifen können." Wichtig sei aber, Netzwerke nicht als Vitamin B zu verstehen und sich darauf auszuruhen, sondern die eigene Leistung nicht zu vernachlässigen.


Der Buchautor von „I connect" ist der Meinung, dass Networking auch ohne Organisation funktioniert. Wichtig sei dabei, passende Veranstaltungen, Kongresse und Konferenzen des eigenen Studienfachs zu besuchen. Auch eine schlichte, gedruckte Visitenkarte mit Namen, Telefonnummer und Mailadresse erweise sich als hilfreich, kompetente Social-Media-Profile können der Karriere ebenfalls auf die Sprünge helfen, sagt Mantl. Eine Mitgliedschaft in einer Organisation erleichtere jedoch das Netzwerken.


Der Wert des Netzwerkens. Für die Studentin Lisa Öller ist es wichtig, das „Big Picture" zu erkennen. Denn Netzwerken ist alltäglich, fast bei jeder Begegnung möglich. Es geht darum, auf andere Menschen zuzugehen, etwas über sich zu erzählen und vor allem, anderen zuzuhören und zu lernen. Über das, was sie tun, was sie interessiert, was sie vorhaben. Das hilft, den Horizont zu erweitern. Und das zeigt, dass Netzwerken nicht bedeutet, auf den schnellen Vorteil zu schauen, sondern langfristige Beziehungen aufzubauen – und daran zu arbeiten. Das bestätigt auch der Netzwerkexperte Mantl: „Jeder kann Netzwerken. Die Kontakte müssen aber professionell gepflegt werden, zum Beispiel bei einem gemeinsamen Kaffee." Netzwerken bedeutet also Arbeit.


Arbeit ist es auch, Teil einer Organisation zu sein. Denn solche Engagements neben dem Studium sind oft zeitintensiv. Aber: „Man kann abseits der Uni so viel erleben", sagt die Medizinstudentin Lilly Rager, die seit ihrem ersten Semester Mitglied der AMSA, der Austrian Medical Students’ Association, ist. Man findet Freunde fürs Leben, schnelleren Anschluss zu Studienbeginn und sammelt wertvolle (internationale) Erfahrungen. „Es gibt uns in mehr als 130 Ländern, aber auch in Österreich in allen Städten, die Medizinunis haben", sagt die 23-Jährige. „Wir tauschen uns also lokal, national und international aus."

Auch in anderen Studienrichtungen gibt es ähnliche Organisationen: etwa die AIESEC mit einem Schwerpunkt auf Wirtschaftswissenschaften, den AFÖP, den Akademischen Fachverein Österreichischer Pharmazeut_innen oder die juristische European Law Students’ Association (ELSA).


Von der ÖH bis Alpbach. Freilich gibt es auch viele andere Möglichkeiten, sich als Student zu vernetzen: Bei der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) – bei der bekanntlich jeder Studierende automatisch Mitglied ist – kann man sich auch intensiver engagieren. Nicht wenige, die hier während ihres Studiums für eine der politischen Fraktionen mitgearbeitet haben, finden sich später in der Politik und Wirtschaft wieder. Die ehemalige ÖH-Chefin Sigrid Maurer etwa zog gerade für die Grünen (wieder) in den Nationalrat ein.

Beim Cartellverband (ÖCV) wiederum können nur männliche, katholische Studierende Mitglied werden. In ganz Österreich gibt es 50 Verbindungen, die auch auf die Alumni setzen – die Alten Herren – und dadurch ein Netzwerk von rund 13.000 Personen haben, vom Studenten bis zum Firmenchef oder der Politik.

Andere Netzwerke reichen von den Initiativgruppen und Clubs des Forum Alpbach bis zum Uni Management Club. Im weitesten Sinn sind aber eigentlich alle Mitgliedschaften bei diversen Vereinen irgendwie Networking – von der Umweltorganisation bis zum Roten Kreuz.


Jungscharlager oder Politik. Was alle diese Engagements abseits des Networkings eint    – egal, ob uni-bezogen oder nicht: Sie schulen die Soft Skills ihrer Mitglieder. Je nachdem, was man dort tut, wird das Englischniveau verbessert, das Zeitmanagement geschult oder das Selbstbewusstsein gestärkt. Und egal, ob man ein Medizinerevent organisiert, bei einem Jungscharlager 25 Kinder bespaßt oder sich in der Unipolitik engagiert: Von diesen Fähigkeiten profitiert man garantiert – auch, was die Karriere angeht.


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