Frankfurt. Wo am Römerberg im 21. Jahrhundert täglich Touristen die Geschichte der Stadt erkunden, befindet sich auch ein Ort, der diese in der Vergangenheit beeinflusst hat wie kaum ein anderer: „Die Wechselstube, die sich vor über 500 Jahren im Haus ,Großer Engel‘ befand, war schon im mittelalterlichen Frankfurt einer der Orte, der den Status Frankfurts als eines der bedeutendsten Handelszentren Mitteleuropas überhaupt erst ermöglichte“, erklärt Peter Biberfield, der sich mit dem geschichtsträchtigen Haus schon lange beschäftigt. Vor mehr als 21 Jahren ist er einzogen – und hat das Haus zu seinen Wurzeln zurückgebracht.
Unscheinbare Lage
Dabei ist das kleine Ladenlokal im Erdgeschoss mit seinem Schalter, einem Geldautomat, einigen Tischen und Stühlen und einer Theke über die Kaffee und Kuchen verkauft werden, noch heute eher unscheinbar gelegen inmitten der nachgebildeten Altstadtgebäude, die Biberfield als „Disneyland“ bezeichnet, und allerlei Souvenirläden mit bunten Andenken in den Schaufenstern. Wer nicht auf der Suche nach der Wechselstube ist, dem fällt sie kaum auf. So sehr wirkt sie, als würde sie zu den historischen Gebäuden dazugehören. Als sei sie nie weg gewesen.
Denn tatsächlich war es genau hier, wo vor Jahrhunderten Edelmetalle getauscht und Wechselkurse ausgehandelt worden waren. „Hier in Frankfurt waren Händler aus aller Herren Länder, die mit Gold-, Silbermünzen sowie auch Messing bezahlten. Um das zu regeln, wurde direkt inmitten der Händlerstände die historische Wechselstube eingerichtet. Damit war sie eine Art Vorgänger-Institution der Frankfurter Börse die bis heute zum Ruf der Stadt als Finanzhauptstadt beiträgt“, weiß Biberfield, der als Bankangestellter vorher nicht nur in Frankfurt, sondern auch etwa im „Big Apple“ New York gearbeitet hatte.
Internationale Kundschaft
Der heute 69-Jährige hat sich mit der Einrichtung der Stube nach historischem Vorbild einen großen Traum erfüllt: „Statt bei großen Banken zu arbeiten, wollte ich gerne etwas Eigenes aufbauen, und hatte die Gelegenheit, das Gebäude zu übernehmen, das zuvor die Commerzbank als eine der kleinsten Geschäftsstelle der Stadt angemietet hatte“, erinnert sich Biberfield, der die Wechselstube seit 1994 in Privatbesitz betreibt.
Es kommen vor allem Touristen, etwa aus den USA, Russland, Japan und Großbritannien, die ihre Heimatwährung in Euro wechseln wollen, doch seine Kunden sind auch Deutsche, die ins Ausland fahren. Biberfields Einrichtung ist eine von lediglich drei Wechselstellen im Rhein-Main-Gebiet, bei denen man kurzfristig an die Währung des Ziellandes kommt, wenn man auf Reisen geht. „Wir ermöglichen hier eigentlich alles. Nur Währungen, die wir gerade wegen schlechter Kurse nicht mehr loswerden, werden nicht angenommen. Dazu gehören gerade etwa chinesisches Geld oder Währungen aus dem Nahen Osten.“ Die Freiheit, das zu entscheiden, hat Biberfield als eigenständiger Geschäftsmann.
Neben dem Wechselgeschäft ist der „Große Engel“ ein beliebter Anlaufpunkt geworden, wenn Menschen aus der Rhein-Main-Region ihren Verwandten im Ausland kurzfristig mit Geld helfen müssen. In der Wechselstube gibt es den sogenannten „Moneygram“-Transfer-Service, womit binnen kürzester Zeit Geld ins Ausland transferiert werden kann, etwa bei verlorenen Scheck- und Kreditkarten oder in anderen Notsituationen wie Unfällen.
Diese Leistungen kombinieren Biberfield und seine Frau Natascha seit Beginn der Arbeit in ihrer neuen Wechselstube auch mit einem kleinen Café-Betrieb: Die Kunden können sich zum Warten hinsetzen, einen Kaffee trinken und echt typischen Frankfurter Kranz essen. Auch ein Stammtisch hat sich inzwischen an den Abenden zusammengefunden. Bei Einheimischen wie Touristen kommen der besondere Service sowie die gemütliche Atmosphäre im nur 29 Quadratmeter großen Erdgeschoss des Hauses „Großer Engel“ gut an. Die restlichen Stockwerke des in den 1980er-Jahren nach historischem Vorbild aufgebauten Gebäudes sind für die Biberfields ihr Zuhause. Aus dem Erker im obersten Stockwerks, wo eine Sitzecke steht, genießen sie nach Feierabend den wohl besten Blick auf den Römer. Auch dort auf der anderen Seite des Römerbergs wird seit Jahrhunderten Geschichte geschrieben. Die Wechselstube wieder zurück an ihren historischen Ort zu bringen, war für Biberfield im Rückblick auf die vergangenen 20 Jahre ohne Frage die richtige Entscheidung.
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