Lange war sie den Männern vorbehalten. Doch die scheinen sich langsam von ihr abzuwenden. Ja, der Gitarre drohte gar der musikalische Untergang. Dass es nun nicht soweit kommt, haben wir neuen Helden zu verdanken. Pardon, Heldinnen.
Fast könnte man glauben, Rockmusik ist tot. In eingängigen Musikmagazinen die gleichen Schlagzeilen: „Rock ist tot: Warum Gitarrenmusik zur Nische geworden ist." ( Noisey); „Wieso Rock 'n' Roll seit zehn Jahren im Sterben liegt" ( Musikexpress); „Warum Rockmusik heute keine Bedeutung mehr hat" ( WELT). Und auch die Charts sprechen eine eindeutige Sprache, hier dominiert der Hip-Hop.
Aber es gibt ein Licht am Horizont: Die Gitarre erfreut sich wieder wachsender Beliebtheit. Und zwar bei Frauen.In den 60ern und 70ern, der Wiege moderner Pop- und Rockmusik, war die Gitarre den Männern vorbehalten. In Musikschulen lernten Mädchen eher Piano und Geige, elegante und zierliche Instrumente eben. Das lag natürlich auch in dem Image begründet, dass Rockstars damals verkörperten. Patti Smith, Joni Mitchell und Kim Gordon galten als echte Exoten.
Das ist heute zum Glück anders. Immer mehr junge Frauen und Teenagerinnen greifen in die Gitarrensaiten - mehr als ihre männlichen Altersgenossen. Eine Studie im Auftrag des Gitarrenherstellers Fender hat im Oktober festgestellt, dass mittlerweile etwas mehr als 50 Prozent aller Einsteiger in den USA und Großbritannien weiblich sind. Die Zahl an Frauen, die sich eine Gitarre kaufen, ist in den letzten Jahren stärker gewachsen als der von Männern. Oft kaufen sie sich zunächst eine akustische Gitarre, ehe sie auf die E-Gitarre wechseln.
Aber woran liegt das?Hartnäckig hält sich der Glaube an einen „Taylor-Swift-Effekt". Swift, die mit ihren mehr als 170 Millionen verkauften Tonträgern wohl zu den populärsten Künstlerinnen aller Zeiten gehört, hat sich seit Beginn ihrer Karriere mit Gitarre auf der Bühne gezeigt. Das mag wenig verwundern, da ihre musikalischen Wurzeln im Country liegen - mit ihrer wachsenden Popularität im Mainstream fanden allerdings viele junge Mädchen, die sich Swift zum Vorbild nahmen, erstmals einen persönlichen Bezug zu dem Instrument.
Allerdings steht sie aktuell weniger häufig mit der Gitarre auf der Bühne. Die Zahl weiblicher Gitarristinnen steigt trotzdem weiter. Sie mag vielleicht eine Initialzündung gewesen sein, der ausschlaggebende Grund war sie nicht. Vielmehr ist auch in den musikalischen Subkulturen ein stärkeres Selbstbewusstsein vieler junger Künstlerinnen zu sehen, die etwas Neues, Unverbrauchtes wagen wollen. Sich als Frau eine Gitarre über die Schulter zu hängen und damit auf die Bühne zu gehen wirkt im Jahr 2019 - man mag es glauben oder nicht - noch immer aufregender, als wenn das ein Mann tut. Vor allem, wenn sie das auch noch mit einem künstlerischen Selbstverständnis und Leichtigkeit tut.
Den Text in voller Länge gibt es auf welt.de (siehe Link).