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Mitgestaltung braucht Medienkompetenz

„Prävention ist kein Feuerlöscher, Prävention ist Brandschutz“, betonte Tanja Kramper, Geschäftsführerin des Vereins Prävention Rhein-Neckar, und begrüßte zahlreiche Teilnehmer zum Fachtag ‚Digitale Gegenwart junger Menschen‘ im Palais Hirsch in Schwetzingen. Günther Bubenitschek und Anja Kegler vom Mediennetzwerk Rhein-Neckar dankte sie für die inhaltliche Vorbereitung und Moderation der Veranstaltung.

Als Einstieg bot Aytekin Celik einen mit Ausflügen in die Welt des Science Fiction angereicherten Überblick über die Entwicklung Künstlicher Intelligenz. Der Referent im Landesnetzwerk für die medienpädagogische Elternarbeit der Aktion Jugendschutz sieht große Chancen und ein „unglaubliches Entwicklungspotential“, warnte aber zugleich: „Jede Technologie lässt sich gegen Menschen einsetzen.“ Als Beispiel nannte er die Verfolgung Homosexueller mit Hilfe fragwürdiger Profilerstellung.

Das Wort Roboter komme aus dem Tschechischen und bedeute Zwangsarbeiter. Doch längst gehe es nicht mehr darum, dass automatisierte Roboter Befehle ausführen. „Die Maschinen können Entscheidungen treffen, sie sind autonom geworden“, sagte Celik. Sie können Bewerbungen vorsortieren, Verträge prüfen und Urteilsempfehlungen abgeben. Dabei stelle sich die Frage: Wer programmiert die Maschine?

Hatten Roboterarme den einst starken Arm des Arbeiters ersetzt, so sei jetzt die Mittelschicht betroffen - hier sieht Celik einen der Gründe für verbreitete Abstiegsängste und den grassierenden Rechtspopulismus.
Entscheidend sei, dass die gewählten Politiker die Entwicklung nicht den IT-Konzernen überlassen, sondern Regeln setzen und dafür sorgen, dass möglichst alle an der volldigitalisierten Gesellschaft teilhaben können. Die neue Datenschutz-Grundverordnung der EU nannte er als Teil einer notwendigen Regulierung.

Und auch die Schulen müssten sich des Themas annehmen. „Schulen die Handys verbieten stellen sich abseits der Gesellschaft“, betonte der Bildungsreferent. Vielmehr müssten Schüler darin unterstützt werden, digital mündig zu werden, ihre Rechte zu kennen und Inhalte im Netz beurteilen zu können. Letzteres sei angesichts der Tatsache, dass inzwischen selbst Amateure Videos mit handelsüblicher Software überzeugend fälschen könnten, eine Herausforderung. Außerdem, forderte der Informatiker und Sozialpädagoge, müsse es genügend Menschen geben, die Codes lesen können und die Grundlagen der Programmierung beherrschen.

Schon 1950 entwickelte Alan Turing den nach ihm benannten Turing-Test als Kriterium, ob eine Maschine dem Menschen vergleichbar denkfähig ist. Die daraus entwickelten Captchas, die Roboter von Websites fernhalten sollen, werden laut Celik aktuell immer komplexer. „Vielleicht haben Sie schon erlebt, dass Sie diese selbst nicht erkennen können?“, fragte der Referent.
Die modernen Chatbots führte er auf das Programm Eliza zurück, mit dem Joseph Weizenbaum 1966 ein Gespräch mit einem Psychotherapeuten simulierte. Aktuell entwickle Google eine Software, die Menschen anruft, ohne dass diese merken, dass sie mit einer Maschine sprechen.

Sorgen bereitete ihm aber vor allem die Marktmacht der Google-Mutter ‚Alphabet‘, für die Google nur ein Buchstabe von vielen sei. X zum Beispiel stehe für ein Forschungslabor, das unter anderem an Kontaktlinsen oder Implantaten arbeite, die Bilder und Informationen direkt auf die Netzhaut projizieren und Smartphones überflüssig machen könnten.

Nach diesem anregenden Auftakt beschäftigte sich Anna Schreier, Referentin für Medienpädagogik, mit der Frage „Wo bewegen sich junge Menschen heute?“ Kurz gesagt ging es um Netzwerke, Messenger-Dienste und Apps.
„Tatort Internet“ hieß ein Workshop von Kriminalhauptkommissar Michael Brand, der als Experte für Cybercrime bei der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg arbeitet. Unter anderem drehte sich der Workshop um Social Media, Deepnet und Darknet und das Erkennen gezielter Manipulationsversuche durch sogenanntes Social Engineering.
Robert Bittner, Leiter des Medienzentrums Heidelberg, und Nina Kleine, pädagogische Mitarbeiterin des Medienzentrums Heidelberg, übten den praktischen Umgang und zeigten in einem weiteren Workshop, wie sich einfache Bildergeschichten mit dem iPad selbst gestalten lassen.

Foto: Sabine Hebbelmann