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Kaum auszuhalten

(Foto: Spinfilm)

Es ist ein Krieg, der in Vergessenheit geraten ist. Sechs Jahre dauert der Konflikt in Jemen schon an. Das ist vor allem eine humanitäre Katastrophe: Mittlerweile sind 2,3 Millionen Kinder von Unterernährung bedroht, 400 000 Kinder kämpfen um ihr Überleben, da Nahrungsmittelpakete aufgrund der Bombardierungen nicht mehr ankommen. Die Dunkelziffer könnte weitaus höher sein. Der Kurzdokumentarfilm "Hunger Ward" zeigt das Ausmaß dieser Krise.Der Film des amerikanischen Regisseurs Sky Fitzgerald ist aktuell für einen Oskar in der Kategorie "Bester Dokumentarkurzfilm" nominiert. Ab Donnerstag ist der Film zum ersten Mal in Deutschland zu sehen. Das Human Rights Film Festival Berlin zeigt ihn online bis 28. März und lädt zu einer Podiumsdiskussion zur aktuellen Lage in Jemen ein.

Im Mittelpunkt des Kurzfilms stehen die Ärztin Aida Alsadeeq und die Krankenschwester Mekkia Mahdi. Sie arbeiten in zwei Krankenhäusern in Jemen, Anlaufstellen für Kinder, die unter Mangelernährung leiden. Die Stationen sind nur dürftig eingerichtet, ein Plastikeimer ist mit einem Seil an einer Küchenwaage befestigt, um die Kinder zu wiegen. Die Babyflaschen sind nur halb gefüllt, die Warteräume voll mit Müttern, die auf eine Behandlung warten.

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Der Film zeigt Szenen, die kaum auszuhalten sind. Die zehnjährige Omeima trägt ein weites pinkes Kleid, sie schaut apathisch in die Kamera, während sie gewogen wird. Sie wiegt nur zwölf Kilo, ihr Arm ist so dünn wie die Spritze, die sie am Leben erhalten soll. In einer anderen Szene sieht man ein abgemagertes Baby, das wiederbelebt werden soll. Man hört die Schreie der Großmutter im Hintergrund, als klar ist, dass das Baby nicht zu retten ist.

"Die Milch war verdorben. Sie haben die Pumpe nicht richtig benutzt", wirft sie der Ärztin vor. Es sind Momente des Leids, die man hautnah zu spüren bekommt in diesem Film. Momente, denen man nicht entfliehen kann. Dabei hat man das Gefühl, dass die Menschen vor der Kamera wollen, dass man ihr Leid zu sehen bekommt, dass die Welt erfährt, was in Jemen vor sich geht. So kommt der Film seinen Protagonistinnen unglaublich nah, schafft Momente der Stille in Interviews, zoomt nah an die verzweifelten und hilflosen Gesichter heran.


Ein Ende der Katastrophe in Jemen scheint nicht in Sicht

Neben den Szenen im Krankenhaus sieht man Kameraeinstellungen, die lange und unbewegt stehen bleiben und die Zerstörung des Landes zeigen - völlig zertrümmerte, menschenleere Gebäude, Wände mit Einschusslöchern übersät. Eine alte Schule, in der die Schulbänke in der Ecke gestapelt sind, von Staub bedeckt. Die Bilder stehen sinnbildlich für den gesellschaftlichen Zerfall, den der Krieg verursacht hat. "Es wurde alles zerstört, die Grundsäulen unserer Gesellschaft: Bildung, Wasser, Gesundheit. Es gibt viele Familien ohne Väter, ohne Mütter", hört man die Krankenschwester Mekkia Mahdi sagen.


"Hunger Ward" ist ein nachdenklicher, beunruhigender Film. Den Krieg selbst bekommt man nicht zu sehen, er liegt aber wie ein dunkler Schatten über allem. Ein Ende dieser Katastrophe scheint nicht in Sicht, deshalb gibt es wenig Hoffnung. Selbst die Hilfe, welche die Kinder von der Welt draußen erreicht, vermindert nicht immer das Leid. Die Kinder sind mittlerweile allergisch gegen das Gluten, das aus dem Weizenmehl der Hilfspakete kommt. Einmal sieht man, wie die zehnjährige Omeima einem kleineren Kind etwas Wasser in einen Deckel füllt. Für einen Moment sieht man ihr einfach beim Kindsein zu.


Insgesamt lässt der Film die politischen Fronten außen vor, es geht nicht um die Auslöser, die Strippenzieher hinter diesem Krieg. Denn am Ende gibt es immer nur Verlierer, egal auf welcher Seite man steht. Am Schluss positioniert der Film sich dann aber doch, verweist im Abspann auf Saudi Arabien, dass einen Großteil der Bombardierungen in Jemen verantwortet, lange unterstützt von den USA. Dass Joe Biden diese Unterstützung inzwischen gestoppt hat und den Krieg beenden will, sind neue Entwicklungen, die der Film nicht mehr reflektiert. Zugleich aber erklärte UN-Generalsekretär António Guterres bei der UN-Geberkonferenz für Jemen im Februar, die weniger als die Hälfte der benötigten Summe einbrachte, die humanitäre Lage im Land sei "noch nie schlimmer" gewesen. Als Aufruf zum Handeln ist der Film relevanter denn je.

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