Sonja Kohl und Petra Aurich haben körperliche Beschwerden. Niemand
kann erklären, woher sie kommen. Sind sie harmlos? Oder Anzeichen von
ernsten Erkrankungen? Über den schmalen Grat zwischen Nichts und Etwas
in der Medizin.
Sonja Kohl ist Anfang 30, als es beginnt. Magen-Darm-Probleme. Geschwollene Lymphknoten. Blasenentzündungen. Ständiger Muskelkater. Sie geht zum HNO-Arzt wegen ihrer Ohrenschmerzen, er findet keine Erklärung. Der Augenarzt sagt, an den entzündeten Augen seien ihre Kontaktlinsen schuld. Der Umstieg auf eine Brille ändert nichts. Sie macht einen Allergietest, weil sie dauernd niesen muss: nichts.
Die meisten Menschen haben so etwas schon einmal erlebt. Das Knie schmerzt, der Kreislauf schwächelt, die Verdauung spinnt, man weiß nicht, warum, und dann ist es wieder vorbei. Oder: Irgendwann macht man sich doch Sorgen, geht zur Ärztin, die findet nichts, man ist erleichtert, irgendwann sind die Beschwerden wieder weg.
Oder eben nicht. Ob unerklärte Beschwerden harmlos sind und bald wieder verschwinden werden oder ob sie erste Anzeichen einer ernsten Erkrankung sind, kann zunächst niemand wissen. Im Fachjargon werden Symptome ohne eindeutige Ursache oft Medically Unexplained Symptoms (MUS) genannt oder Medically Unexplained Physical Symptoms (MUPS), aber auch Persistent Somatic Symptoms (PSS), Bodily Distress Syndrome (BDS), Somatoforme Störungen oder Funktionelle Körperbeschwerden existieren als Bezeichnungen. Auch wegen dieses Dschungels aus Begriffen klaffen die Angaben zur Häufigkeit des Phänomens so weit auseinander: Unterschiedlichen Studien nach erfolgen zwischen drei und 50 Prozent aller Hausarztbesuche wegen Beschwerden, für die sich keine Erklärung findet.
Mittlerweile ist Sonja Kohl 40 Jahre alt. Sie erzählt ihre Geschichte vom Bett aus, per Videotelefonat. Sie trägt eine große runde Sonnenbrille, obwohl sie in einem abgedunkelten Raum liegt; sie schaut nicht auf den Bildschirm, sondern an ihm vorbei.
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