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SPÖ gegen ÖVP auf Türkisch

Die türkeistämmigen Kandidaten der beiden Großparteien entstammen konkurrierenden Strömungen im konservativen muslimischen Lager

Der Wahlkampf für die Nationalratswahl geht in seine heiße Phase. Das gilt auch für die türkischstämmigen Kandidaten der beiden Großparteien, die einander - ähnlich wie im Rest der politischen Landschaft - auf den Social-Media-Kanälen in die Haare geraten sind.

Es begann recht harmlos mit einer kurzen Statusmeldung auf der Facebook-Pinnwand des türkischstämmigen Wiener ÖVP-Aktivisten Resul Recper. Dieser kritisierte die angeblich dreiste Wahlkampfaktion des SPÖ-Kandidaten Resul Ekrem Gönültas in der Simmeringer Eyüp-Sultan-Moscheegemeinde. Dieser habe noch vor der Freitagspredigt des Imam das Wort ergriffen und offen für sich geworben. Recper kritisierte das direkt, adressierte seine Kritik aber nicht nur an den SPÖ-Kandidaten, sondern auch an die Milli-Görüs-nahe Islamische Föderation Wien (IFW). So fing es an.

Wer ist Resul Recper?

Resul Recper ist ein umtriebiger Zeitgenosse, der zu den immer zahlreicher werdenden ehemaligen Studenten aus der Türkei gehört, die nach dem Studium in Österreich bleiben und sich in wichtigen Vereinen und Verbänden der türkischen Community wiederfinden. Recper stammt ursprünglich aus der Provinz Adiyaman. Adiyaman ist berühmt für den Berg Nemrut, die Zentrale des größten türkischen Sufi-Ordens (Menzil-Tarikat) sowie für zahlreiche kurdischstämmige Politiker aus bekannten Großclans (Fırat-Clan).

Recper, der im Augenblick sowohl dem Wahlkampfteam des ÖVP-Kandidaten Hasan Vural angehört als auch Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz bei seinen Besuchen in türkischen respektive muslimischen Vereinen begleitet, ist seit 2009/10 im Umfeld der ÖVP aktiv. So war er im Jahr 2010 Finalist in der Show "Der Superpraktikant" und konnte später ein Abendessen zwischen dem damaligen ÖVP-Chef Josef Pröll und der AKP-nahen UETD Austria arrangieren. Unter den Gästen damals war auch der jetzige ÖVP-Kandidat Vural.

AKP gegen Milli Görüs

Ob die beiden Großparteien bei der Auswahl ihrer türkischstämmigen Newcomer ihre jeweiligen soziopolitischen Hintergründe kannten oder nicht, ist offen. Fest steht allerdings, dass sie es geschafft haben, zwei konkurrierende Strömungen innerhalb des konservativen Lagers zu aktivieren. Da wäre der auf der SPÖ-Bundesliste kandidierende Resul Ekrem Gönültas, der das islamischkonforme Wiener Restaurant "Tulpe" leitet, seit längerem innerhalb des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands (SWV) aktiv ist und der islamischen und sehr umstrittenen Milli-Görüs-Bewegung zuzuordnen ist. Und auf der anderen Seite der Unternehmer Vural, der seit längerem ein Nahverhältnis zur AKP-nahen UETD unterhält.

Die unmittelbar AKP-affinen Kreise in Österreich unterstützen offen Vural, der auf viele Helfer und Gönner zurückgreifen kann. Noch dazu gilt er unter den drei türkischstämmigen ÖVP-Kandidaten als der Favorit des Staatssekretärs Kurz. Gönültas von der SPÖ hingegen kann auf eine feste Vereinsstruktur seiner Milli-Görüs-Bewegung vertrauen und besucht folglich die Milli-Görüs-Vereine in ganz Österreich. Beide Lager fischen sozusagen unter konservativen, verbandsorientierten Musliminnen und Muslimen. Das führte nun zum nicht ganz unerwarteten Zusammenstoß.

 

Brief an den Chef

Die Gräben zwischen den beiden Lagern, die in diesem Fall noch dazu durch Parteigrenzen vertieft werden, traten offen zutage. Recper griff einen Unterstützer Gönültas' direkt via Facebook an. Ismail Koc, ein junger Jusstudent und seit längerem in Milli-Görüs-nahen Vereinen aktiv, wurde beschuldigt, Recper gedroht zu haben, diesen an seinen Chef Sebastian Kurz zu "verpetzen". "Ihr und Scheinheilige wie ihr" nennt Recper die Unterstützer Gönültas' und löste damit eine hitzige Debatte aus, der sich immer mehr Sympathisanten der beiden Gruppen anschlossen.

Zunächst beschuldigten sich die Kontrahenten gegenseitig, die religiösen Gefühle der Muslime zu missbrauchen und mit unlauteren Mitteln um Stimmen zu buhlen. Plötzlich wurde die hitzige Diskussion jäh unterbrochen, als ein Account namens Muharrem Turhan "Grüße vom Resul-Clan" ausrichten und nach "Koordinaten" fragen ließ, um jene "niederzuwalzen", die gegen Resul Recper sind.

In weiterer Folge wurden die Anhänger der Milli Görüs beschuldigt, einerseits den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan zu beschimpfen (dieser wuchs politisch innerhalb der Milli Görüs auf, wandte sich jedoch von ihr ab, was man ihm bis heute nicht verziehen hat), andererseits allerdings den Futtertrögen aus Ankara nicht abgeneigt zu sein. Am Ende fragte offenbar ein Verwandter Recpers aus der Türkei, Muhammed Recper, was er dem Clan ausrichten solle. Resul Recper kalmierte: "Noch ist alles in Ordnung." (Rusen Timur Aksak, daStandard.at, 3.9.2013) 

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