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"Viele Österreicher haben uns geholfen"

Große Hoffnungen, harte Arbeit, Sprachprobleme: Drei türkische Gastarbeiter der ersten Generation erzählen von ihren Erlebnissen und davon, wie sie und ihre Kinder es trotzdem geschafft haben

Am Tag hob ich Gräber aus, in der Nacht schliefen wir in einer Baracke beim Friedhof", erzählt der heute 83-jährige Ali Türkmen, wenn er sich an die ersten Wochen in Österreich erinnert. Türkmen hatte damals alles auf eine Karte gesetzt und war mit Ehefrau und fünf kleinen Kindern, aber ohne Arbeitszusage, also nur mit Touristenvisum, nach Österreich eingereist.

1967 kam er am Südbahnhof an, ein Bekannter holte sie ab und organisierte für ihn den ersten Job. Am Ottakringer Friedhof wurde er pro Grab bezahlt, mit dem ersten Geld kaufte er drei Decken, damit die Kinder nachts weniger froren.

"Die Österreicher waren damals sehr freundlich und hilfsbereit zu uns", hält Türkmen fest. Drei Jahre habe er sich und seine Familie mit dem Friedhofsjob über Wasser halten müssen, bis er seine Papiere bekam. Seine Kinder hätten damals dem Unterricht in der Schule zwar kaum folgen können, aber hätten es mit der Hilfe der Lehrer irgendwie geschafft, Anschluss zu finden. Seine österreichischen Arbeitgeber hätten damals auf einem Schulbesuch bestanden.

Heute ist Ali Türkmen Rentner und hat viele Enkelkinder von Deutschland bis in die Türkei. Was er rückblickend, nach über 50 Jahren in Österreich, sage? "Wir mussten hart arbeiten, aber alles, was wir erreicht haben, haben wir dank Österreich erreicht und viele Österreicher haben uns bereitwillig geholfen."

Lebensabend in der Hinterhofmoschee

Heute verbringt der alte Mann die meiste Zeit in einer sogenannten Hinterhofmoschee in Meidling, zusammen mit anderen Gastarbeitern erster Generation. Mit jeder neuen Runde Schwarztee wird die Stimmung lockerer, andere stoßen hinzu und erzählen von ihren Erlebnissen.

Sebahattin Altin etwa, der 1973 nach Österreich kam, erinnert sich lächelnd daran, warum er als gut verdienender Friseur in der Türkei dennoch den Sprung nach Österreich wagte. Eines Tages sei ein Gastarbeiter aus Deutschland in sein Friseurgeschäft gekommen, er habe ihn rasiert und frisiert. 3,5 Lira hätte er dafür bekommen sollen, der Mann jedoch habe ihm mit einem Achselzucken 10 Lira gegeben. Altin verkaufte seinen Laden, überließ einen Teil des Erlöses seiner Frau und stieg mit dem Rest in der Tasche in den Bus nach Wien.

"Wir konnten die Sprache nicht, das war immer das größte Problem", erinnert sich Altin - und konkretisiert diese Aussage anhand eines Erlebnisses in einem Lebensmittelgeschäft im niederösterreichischen Ternitz. Seine Frau, die er bald nach seiner Ankunft nach Österreich geholt hatte, wollte Eier haben. Doch Altin wusste nicht, was "Ei" auf Deutsch heißt. Also beschloss er in seiner Verzweiflung, ein Huhn zu imitieren. Offenbar eine gute Idee, denn der Ladenbesitzer habe ihm daraufhin mit einem breiten Grinsen die Eier gegeben, schildert er.

Keine Moscheen in Wien

Das Gelächter am Tisch löst auch Ibrahim Ceylan die Zunge. 1975 kam er nach Wien und arbeitete in einer Papierfabrik. "Ich habe immer schon gebetet, aber damals gab es ja keine Moscheen", erinnert sich Ceylan.

Nur einmal im Jahr, zum Ramadan, habe es in der Wiener Stadthalle die Möglichkeit gegeben, zusammen mit einem muslimischen Religionsgelehrten, einem Hodscha, das Gemeinschaftsgebet zu verrichten. Erst Anfang der 1980er-Jahre hätten sich nach und nach Moscheevereine gebildet.

Dank dieses Rückhalts und harter Arbeit habe er es geschafft, seinen Kindern zu ermöglichen, was ihm verwehrt geblieben war: Bildung. Drei seiner sieben Kinder sind Akademiker, keines ist ungelernte Hilfskraft. "Wir haben es geschafft", sagt Ibrahim lächelnd. (Rusen Timur Aksak, DER STANDARD, 15.5.2014)

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