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Bianet: Vorkämpfer für die Pressefreiheit in der Türkei

Die von der EU geförderte mediale Plattform Bianet wird für ihren Einsatz zur Stärkung der Pressefreiheit mit dem Press Freedom Award ausgezeichnet

Nihat Ersin wollte für die AKP im konservativen Istanbuler Stadtviertel Fatih als Bezirksbürgermeister kandidieren. Auffällig bei diesem Kandidaten war, dass er nicht weniger als 15 akademische Titel in seiner Vita aufzählen konnte. Während die türkischen Mainstream-Medien die Angaben des Kandidaten nicht hinterfragt hatten, sah sich das unabhängige Informationsnetzwerk BIANET den Lebenslauf des Kandidaten genauer an. Bianet rechnete durch, dass der AKP-Kandidat allein 34 Jahre unter normalen Bedingungen studieren hätte müssen, um 15 akademische Titel zu erlangen. Bianet brachte weiters in Erfahrung, dass der Kandidat wiederum 12 Jahre lang als Lehrer tätig war und auch dass seinen eigenen Angaben zufolge er zwei Mal den Master in Politikwissenschaft an der renommierten Istanbul Universität abgeschlossen haben will. Dieses Beispiel beschreibt wie Bianet als kritische Stimme und offene Plattform den Mächtigen auf den Zahn fühlt.

Bianet ging parallel zur AKP-Regierungsübernahme im Jahr 2000 online und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Presse- und Meinungsfreiheit zu stärken, die regionalen Medien zu fördern und miteinander zu vernetzen und insbesondere den Stand der Menschenrechte in der Türkei kritisch zu betrachten. Nach eigenen Angaben übernimmt die EU knapp 80 Prozent der anfallenden Kosten bei Bianet. Im Vorstand von Bianet sitzt mit Ertugrul Kürkcü ein bekannter, linker Aktivist. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Bianet dort ist, wo die Mainstream-Medien nicht mehr oder kaum mehr sind. Wenn Bergarbeiter in der Türkei eingedenk der zahlreichen, tödlichen Arbeitsunfälle protestieren, berichtet Bianet davon. Wenn Anwohner gegen einen geplanten Goldabbau in ihrer Nähe demonstrieren, dann ist Bianet dabei.

Stimme für die Stimmlosen

Die seit den Gezi-Park-Protesten verschärfte Gangart der AKP-Regierung gegen Zeitungen und einzelne JournalistInnen schlägt sich auch in der Berichterstattung von Bianet nieder. Da selbst renommierte Journalisten wie etwa Can Dündar von einem auf den anderen Tag gekündigt werden und meist kaum mehr die Möglichkeit haben zu etwaigen Vorwürfen des ehemaligen Arbeitsgebers Stellung zu beziehen, ermöglicht Bianet diesen KollegInnen ihre Sicht darzustellen.

Das letzte "Opfer" der während oder nach den Gezi-Park Protesten gekündigten Journalisten ist Ruhat Mengi von der Zeitung "Vatan". Von einem auf den anderen Tag wurde Mengi entlassen. Es gab keine Warnungen oder gar Gespräche mit dem Chefredakteur. "Wir können uns nicht über Ägypten oder andere Länder beschweren, wenn wir selber keine Pressefreiheit haben", wird die altgediente Journalistin Mengi zitiert. Für diesen unablässigen Einsatz wird Bianet nun ausgezeichnet. (Rusen Timur Aksak, 9.12.2013, derStandard.at)

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