Diese Zeit hat meinen Horizont unglaublich erweitert. Da ist die Zusammenarbeit mit jungen Leuten im Team, aber auch viele, viele Gespräche mit hochinteressanten Menschen. Ich denke auch an die Delegationsreisen wie zum UN-Waldforum in New York oder zu Palmölplantagen in Vietnam. Oder die Frage: Wie läuft es mit der Pflege und dem Sozialsystem in den Niederlanden und den skandinavischen Ländern? Das hat mich sehr weitergebracht. Man sagt ja immer, in der Politik gibt es keine Freundschaften. Ich kann nur sagen, dass nachhaltige Freundschaften entstanden sind.
Was werden Sie ab September vermissen?Auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen und den Mitarbeiterinnen.
Was gewinnen Sie mit Ende des Mandats? Was schätzen Sie als Ihren größten Erfolg ein?Eine neue Freiheit, mehr Zeit für die Familie und Freunde, aber auch fürs Ehrenamt. Ich bin froh, dass ich mich entschieden habe, freiwillig aufzuhören, zum richtigen Zeitpunkt.
Welche Ereignisse waren besonders belastend? Bei der Bilanz Ihrer ersten 100 Tage im Parlament hatten Sie gesagt: „Reden ist anders als zu Hause vor Publikum". Wo liegt der Unterschied?Die Reform der Pflegeberufe, aber auch das Lohntransparenzgesetz, an dem ich mitgearbeitet habe. Das bringt einen Fuß in die Tür zu mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen. Ich hätte auch gerne das Bundesjagdgesetz mit verabschiedet. Es war alles fertig, dann hat Seehofer (bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender, Anm. d. Red.) „nein" gesagt. Das zeigt: Die Arbeit in der großen Koalition ist auch mühselig. Man hat mit zwei unterschiedlichen Partnern zu tun.
Ganz sicher, die Entscheidungen für Auslandseinsätze. Oft muss man in der Koalition auch mit zusammengebissenen Zähnen abstimmen. Man ist in der Zwickmühle. Das belastet. „Oft empfinde ich eine starke Ablehnung der Politik"Wo fühlt man sich ohnmächtig, obwohl man doch ganz nah dran ist an der Macht?
Welche Wesenszüge sind für ein Bundestagsmitglied hilfreich?Auch wenn ich mich als freie Abgeordnete fühle, muss man klein begeben und Kompromisse eingehen. Oft empfinde ich eine starke Ablehnung der Politik und viel Hetze im Internet. Das hat zugenommen in den acht Jahren. Da fühle ich mich ohnmächtig. Man denkt, Demokratie ist normal und selbstverständlich, aber man muss immer dafür kämpfen. Mir ist auch der europäische Gedanke wichtig. Dass es auch da bröckelt, hätte ich so nicht gedacht.
Was würden Sie Ihrer Nachfolgerin im Wahlkreis raten?Es gibt eine größere Öffentlichkeit. Unter Umständen wird gefilmt für Nachrichtensendungen. Da muss alles stimmen. Was man sagt, bietet zudem Angriffspunkte. Man muss Zwischenrufe oder Fragen parieren. Die erste Rede war am Aufregendsten aber auch meine letzte vor der Sommerpause war keine Routine. „Man muss kritikfähig bleiben"Was ist das Rezept, geerdet zu bleiben, nicht abzuheben?
Viel im Wahlkreis unterwegs sein, präsent zu sein, mit vielen ins Gespräch zu kommen, auch mit jungen Leuten, Schulklassen zum Beispiel. Wichtig ist auch, kritikfähig zu bleiben und mögliche Fehler zuzugeben.
Menschen lieben, Offenheit und Kritikfähigkeit
Ich gebe da keine Ratschläge. Jeder muss seine eigene Art finden Politik zu machen. Es ist nie gut, wenn Alte den Jungen raten, was sie tun sollen.
Zum Abschied von Petra Crone folgen in den beiden kommenden Tagen zwei Hintergrund-Storys, für die unser Mitarbeiter Rüdiger Kahlke sowohl mit der SPD-Abgeordneten als auch mit Dr. Matthias Heider (CDU) gesprochen hat.
Am Mittwoch, 6. September, geht es um die Frage, wie „Demokratie unter dem Diktat der Termine" eigentlich im Bundestag funktioniert. Was es dem Kreis Olpe und den hier lebenden Menschen bringt, wen sie in Berlin von zwei Abgeordneten vertreten werden, wollte Rüdiger Kahlke auch von Crone und Heider wissen. Welche Antworten er erhalten hat, ist am Donnerstag, 7. September, bei LokalPlus nachzulesen.