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Podiumsdiskussion bei den #dmwMuc: "Content im Web - wer soll das bezahlen?"

Am 19. Februar diskutierten auf dem Themenabend der Digital Media Women Jochen Wegner (Chefredakteur "Zeit Online"), Stefan Plöchinger (Chefredakteur "Süddeutsche.de") und Tanja Gabler (Leitung Onlineredaktion "Internet World Business") zum Thema Bezahlung von Journalismus im Netz. An der Runde sollte auch Katharina Borchert (CEO "Spiegel Online") teilnehmen, um den Diskurs fortzusetzen, den sie bereits 2013 auf der re:publica in Berlin begonnen hatten. Krankheitsbedingt musste sie jedoch absagen und die Klärung des Themas den anderen überlassen. Moderiert wurde die Diskussion über die aktuelle Situation und Entwicklung rund um Bezahlung für journalistischen Content im Netz von Su Steiger.

Veranstaltungsort war diesmal die Bayerische Akademie für Werbung und Marketing e.V. (BAW). Die BAW sieht sich selbst „ als führendes Ausbildungsinstitut für Berufe in Marketing, Kommunikation, Sportmarketing, PR, Dialog, Online, Medien und Sales im deutschsprachigen Raum." und bildete somit einen passenden Rahmen für die Veranstaltung und deren Thema.

Und wir dürfen nicht vergessen: Mit den Öffentlich-Rechtlichen haben wir im Internet eine starke Konkurrenz, die scheinbar kostenlos ist. Schon deswegen werden wir in Deutschland reine Bezahlangebote nicht etablieren können. Das heißt, dass wir auch im Netz Vertriebserlöse brauchen, deutlich mehr als jetzt. Schon heute ist Paid Content fester Bestandteil unseres Geschäftsmodells. - Interview mit Wolfgang Büchner (Spiegel-Chefredakteur) in der Frankfurter Allgemeinen am 30.01.14

Der Abend wurde mit einer eher privaten Frage eingeleitet und bezog sich auf die Lesegewohnheiten der Sprecher. Dabei gestand Herr Plöchinger ein, dass er mit Twitter aufstehe und auch ins Bett ginge. Seine Informationen bezieht er hauptsächlich mobil. Frau Gabler liest dahingehend eher Texte, die ihr von Freunden empfohlen werden und beschränkt sich dabei nicht auf bestimmte Medienmarken. Der Einkauf von Unmengen an ebooks, das Lesen des FeedReaders und ein wenig Facebook wie Twitter gehört zu den Vorlieben von Herrn Wegner. Eins verbindet jedoch alle miteinander: Printmedien werden eher weniger von ihnen konsumiert und wenn doch, dann beschränkt man sich auf Mitarbeiter-Abos, die sie nur Zustellgebühren kosten oder Medien, die ihnen kostenlos als Redakteure zu Verfügung gestellt werden. Bereits an dieser Stelle stellt sich wieder die Frage: wer bezahlt nun für den Inhalt?

Gibt es ein allgemeines Konsumentenverhalten, aus welchem sich dies erschließen lässt? Grundsätzlich kann man festhalten, dass dieses keine Rolle spielt, es muss für den Leser einfach bequem sein und liegt damit in seinem eigenen Befinden. Herr Plöchinger kann dies für die Süddeutsche dahingehend bestätigen, dass die Zahl der digitalen Abos weiterhin steigt, obwohl dieses stattliche 30€ kostet. Der erhöhte Preis ergibt sich daraus, dass die Printausgaben durch die Anzeigen kostengünstiger erstellt werden können, was im Onlinebereich noch nicht möglich ist. Doch nicht alles kostet: Epaper werden in der Regel nach 4 Wochen kostenlos zur Verfügung gestellt.

Was ist dann aber der Unterschied zwischen web und print? Dieser liegt vor allem in der Nutzungsdauer der Medien, während eine Printausgabe für einen Tag die Informationen bereithält, kann im Web der Inhalt zeitnaher und tiefer wiedergegeben werden. Des weiteren arbeiten zwei unterschiedliche Redaktionen an den Themen. Herr Wegner sieht in der Zeit Online als Wochenzeitschrift eine Rückzugsmöglichkeit für die Leser, eine Art Zusammenfassung der Woche, wohingegen der live-blog die Geschichte hinter der Geschichte beleuchtet. Auch bei der Süddeutschen gehen die Themen, die zu groß fürs Tagesgeschäft sind, in den Onlinebereich. Man muss sich als Zeitung fragen: was will man sein? Wofür will man stehen? Besonders interessant fand Herr Wegner, dass seine Mitarbeiter im digitalen Bereich viel phantasievoller als bei Reportagen in print geworden sind.

Aber wie sieht es nun mit der Finanzierung der Inhalte aus? Antwort: Mischkalkulationen. Sprich auch wenn ein Bereich nicht kostendeckend arbeitet, kann dieser mit einem anderen ausgeglichen werden und die Summe aller macht den Erlös aus. Gemäß Plöchinger sind Redakteure da „alternativlos". Eins ist klar, irgendwann muss der Kunde für digitale Angebote zahlen. Wie dies aussehen soll, ist jedoch noch unklar. Man kann den Leser nur bitten, damit die Zeitung zu erhalten, die Zahlung mit Vorteilen verbinden und eine Leser- statt eine Paywall anbieten.

Braucht es nun aber für jede Zeitung ein eigenes Zahlungssystem? Auch hier waren sich alle Sprecher einig, dass die Unterschiede der Zeitungen zu groß sind als das man ein einheitliches System entwickeln und verwenden könnte. Synergieeffekte und technische Zusammenarbeit werden dabei aber nicht ausgeschlossen. An dieser Stelle kann jedoch Frau Steiger einen großen Einwand aus Sicht der Leser einbringen - wenn jede Zeitung ein anderes System hat, hat der Leser viele Abos mit vielen Codes und Passwörtern. Besteht da nicht die Gefahr, dass einige Leser verlustig gehen? Diese Angst besteht bei den Anwesenden nicht, denn der Fokus liegt auf Kernlesern. Gemäß einer Umfrage der BITKOM vom 09.10.2012 lasen bereits da schon 13% der Bundesbürger Zeitungen und Form von Apps oder als E-Paper und die Zahl steigt weiter. Apps werden schon bereit willig bezahlt, warum sollte man daher nicht auch der Versuch von zahlbaren, digitalen Zeitungen starten? Einzelne Teilangebote von bezahlbaren Inhalten lohnen sich jedoch nicht, da der Zuschnitt auf den einzelnen Kunden zu schwierig ist und das Konstrukt Zeitung von der Breite der Infos in einer Zeitung lebt. Laut Frau Gabler spielt golem.de dazu derzeit mit dem Gedanken für die Zahlung eine Werbungs- und Trackingfreie Seite zur Verfügung zu stellen, dies ist jedoch nur für Zeitungen möglich, die nicht das Gros der Einnahmen aus Werbung ziehen.

Auch ein Vorwurf an die Verlage wurde von den Redakteuren laut, dass man sich statt mit dem Leistungsschutzrecht lieber mit dem Thema Adword Plus - ein Plugin, welches Werbeanzeigen in Browsern blockiert, beschäftigen hätte sollen. Hierbei besteht die Möglichkeit einer höheren Reichweite ohne den Adblocker und dadurch wiederrum höhere Einnahmen über die Werbung, was eine den Preis der digitalen Ausgaben um einiges verringern, wenn nicht sogar überflüssig machen könnte. Auch die Ausbaufähigkeit der Vermarktung durch die Medienagenturen über mobile Endgeräte ist derzeit eher schlecht, viele Landingpages müssten überarbeitet, Facebook als Vorbild genommen werden.

Als abschließende Frage ging es um einen Tipp an andere Zeitungen für die Profitabilität von Web-Inhalten. Herr Plöchinger meinte dazu: „Guten Geschichten, starke Recherchen - es gibt kein einheitliches Rezept". Wie die Finanzierung in 10 Jahren aussehen wird ist noch unklar, daher muss man alles ausprobieren; mehrere Wege gehen; vielfältige Ideen testen. Frau Gabler verweist hierbei auf die Suche nach der passenden Zielgruppe und der Schaltung einer entsprechenden Werbung für diese. Wobei hier nicht Native Advertising („das was früher Schleichwerbung hieß") verstanden werden soll, also Inhalte eines Artikels, die von anderen bestimmt werden, sondern eher Sponsoring (powered by).

Natürlich sollte das Publikum nicht nur stiller Zuhörer sein, sondern durfte im Anschluss seine Fragen zu dem Thema stellen. Natürlich brannte vielen die Frage nach der Bezahlung von Freelancer unter den Nägeln. Gemäß Herr Plöchinger zahlt die Süddeutsche nach Tarif, jedoch kauft diese nur 5-6 Beiträge im Jahr ein und der Rest wird intern erarbeitet. Ganz im Gegensatz dazu steht die Zeit Online. Herr Wegner zahlt frei verhandelbare Honorare, die höher als bei Tageszeitungen sind. Grundsätzlich ist das Überleben von freien Journalisten aber eher schwer.

Ein weiteres Publikumsthema war, ob nicht mehr Crowdfunding betrieben werden sollte, um bestimmte Recherchen an bestimmte Journalisten auszuschreiben. Da die Gefahr besteht, dass ein bestimmtes Ziel damit herauskommen muss und keine freie Arbeit möglich ist, lehnen die Zeitungen dies eher ab. Recherchen müssen frei sein und dürfen sich auch mal in der Wirklichkeit als Nichtig zerschlagen.

Auch ob die Redakteure in Firmenzeitschriften mit Artikeln von freien Mitarbeitern als Konkurrenz sehen, wurde erfragt. Hier gab es ein einheitliches Ja, da vor allem im Bereich der Bezahlung der freien Journalisten diese nicht mitgehalten können. Besonders stark sei dabei Kircher-Burkhardt, dennoch bleiben aber die Zielgruppen recht unterschiedlich. Eins wurde jedoch besonders hervorgehoben: Blogger werden grundsätzlich nicht als Konkurrenz gesehen.

Eine abschließende Publikumsfrage bezog sich auf die Art von Journalisten, welche wirklich von den Redakteuren bezahlt werden würden. Antwort: Die, welche etwas machen, was keiner macht, die begeistern und ein breites Spektrum an Fähigkeiten aufweisen.

Gibt es ein Licht am Ende des Tunnels? Ist eine gute und gerechte Bezahlung der Inhalte im Web und Print sichtbar? Nein, es gibt nicht das Heil des Journalismus, man wird sich austesten müssen und das bestfunktionierende System wird sich ergeben.

Welches Fazit ergibt sich nun aus unserer Sicht? Inhalte, die nicht kostenlos über die eigene Webseite oder den Blog gestreut werden sollen, werden auch weiterhin schwierig und eher schlecht bezahlt sein, denn die Konkurrenz der Schreiber bleibt stark. Ob die Online-Fachzeitschriften demnächst ihre Inhalten nicht mehr kostenlos zur Verfügung stellen werden, ist sicher von der Art abhängig wie sie sich finanzieren können. Der Leser wird wohl künftig stärker nach Inhalten suchen müssen, die frei für ihn verfügbar sind. Welche Auswirkungen dies dann auf die Streams von Facebook und Co. haben wird, bleibt einfach abzuwarten.

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