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Mehr als Schwarz-Weiß-Malerei

Sein Nachname liest sich geradezu prädestiniert für soziales Engagement. Dabei ist Malte Bedürftig selbst keineswegs notleidend. Der frühere Unternehmensberater hat seine Doktorarbeit abgebrochen und 2015 das Start-up „ GoVolunteer " gegründet. Er wollte in einer Zeit helfen, in der dringend Hilfe gebraucht wurde. Bedürftig spricht von der Flüchtlingsbewegung nach Deutschland. „Das war mir dann einfach wichtiger als alles andere", sagt er. Seine Botschaft: „Gesellschaftliches Engagement dauerhaft im Alltag zu integrieren. Seitdem haben Bedürftig und sein Team mit Flüchtlingskindern gespielt, Bibliotheken gebaut oder die Essensausgabe gemacht, wenn es notwendig war.

Bereits 2017 ist bei „GoVolunteer" eine Idee für ein Projekt entstanden, das besonders in diesen Tagen auf ein hohes Interesse stößt: Hautfarbe-Buntstifte. Damit sollen Kinder sich und ihre Freunde so verschieden malen, wie sie eben sind. „Wir haben uns damals über Stereotypen in der Sprache Gedanken gemacht", sagt Bedürftig. „Mit dem Begriff Hautfarbe haben wir meist von klein auf beigebracht bekommen, dass damit die Farbe „Schweinerosa" gemeint ist. Man findet aber keinen Raum in Deutschland oder auf der Welt, in dem alle Menschen die gleiche Hautfarbe haben - und schon gar nicht dieses Schweinerosa."

Bedürftig und sein Team entwickelten in der Folge für das Buntstifte-Set zwölf verschiedene Stifte, um den Kindern eine möglichst große Vielfalt aufzuzeigen. „Tatsache ist, dass Kinder dieses Schubladendenken überhaupt nicht haben. Wir Erwachsenen erziehen ihnen das an", sagt Bedürftig. Neben dem klassischen Set für 12,50 Euro gibt es die Stifte auch in einer Wachsmaler-Edition. Wer direkt drauflosmalen will, findet im „Malbuch für die Vielfalt" passende Vorlagen von Menschen in Alltagssituationen. Mit dem Erlös werden verschiedene weitere Integrationsprojekte von „GoVolunteer" unterstützt.

Rund 35.000 Packungen konnte das Start-up seit 2017 an Kinder und Familien bringen. Eine enorme Nachfrage nach den Buntstiften existiert speziell seit einigen Wochen. „Wir haben seit Black Lives Matter teilweise zwischen 300 und 500 Packungen pro Tag verkauft. Das war so viel wie sonst in mehreren Monaten zusammen", sagt Tobias Tietz, der innerhalb des Teams für das Projekt der Hautfarbe-Buntstifte verantwortlich ist. Die Konfektionierung und den Versand der Stifte übernimmt eine Behindertenwerkstatt in Berlin. „Die waren auch erstaunt über den Ansturm. Momentan kommen wir mit der Produktion kaum hinterher", sagt Tietz.

Eine der Stiftboxen hat auch Pauline Studeny aus dem Vogtland in Sachsen für ihre Kinder bestellt. „Ich möchte meinen Kindern eine neutrale und liebevolle Einstellung gegenüber anderen Menschen mit auf den Weg geben. Auch wenn meine Kinder mit vier und anderthalb Jahren noch sehr jung sind, bringe ich ihnen dadurch bei, Menschen wegen ihrer inneren Werte zu mögen oder eben nicht zu mögen - egal mit welcher Hautfarbe."

Solche Sätze sind für Malte Bedürftig die größte Bestätigung seiner Arbeit. Es gibt aber auch Tage, an denen er rechten Gegenwind spürt. „Internethass und Kommentare bis hin zu Drohungen gegen uns treten ab und an zutage. Ich dachte, man kann eigentlich nichts Harmloseres machen als ein Set mit Buntstiften rauszubringen." Bedürftig lässt sich davon nicht beirren und möchte die Themen Diskriminierung und Toleranz weiterhin in die Gesellschaft tragen. „Wir wollen in Zukunft verstärkt Workshops in Kindergärten und der Grundschule anbieten, wo die Kinder einfach ohne Vorurteile drauflosmalen können."

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