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Das Porträt: Der kämpfende Sozialarbeiter aus Düsseldorf

Doktorand Kai Hauprich forscht zu Obdachlosigkeit und Jugendgewalt. In seiner Freizeit bietet er selbst Kampfsporttrainings für Jugendliche an. Foto: Hans-Jürgen Bauer

Zwischen Interviews mit Obdachlosen, Kickbox-Meisterschaften und pädagogischen Kampfsport-Trainings hat der Doktorand Kai Hauprich seine Leidenschaft gefunden.

Von Robin Hetzel

Zielstrebig und mit großen Schritten geht Kai Hauprich an diesem Morgen auf dem Weg zur Arbeit durch die vielen verzweigten Gänge. „Ich habe heute leider nur eine Stunde Zeit. Danach bin ich zum Pizzaessen verabredet“, sagt er klar und bestimmt. Schnell räumt er in seinem Doktorandenbüro an der Hochschule Düsseldorf ein paar Bücher zur Seite, die seine Kollegen auf dem Tisch liegen gelassen haben. „Ich bin aktuell nicht oft hier“, sagt der 31-jährige. Warum er als Doktorand nur wenig im Büro ist und worum es bei dem wichtigen Pizzaessen geht? Das wird klar, wenn man mit dem Vizemeister im Kickboxen über seine zwei schwarzen Gürtel, Obdachlosigkeit und schwierige Jugendliche spricht. Denn Hauprich hat einen Weg gefunden, all das in seinem Alltag miteinander zu verbinden.

Die Geschichte von Hauprich beginnt vor zehn Jahren. Nach seinem Zivildienst entscheidet sich der damals 21-Jährige, in Düsseldorf soziale Arbeit zu studieren. Da Hauprich in seinen Nebenjobs in der Sozialarbeit meist unter schweren Bedingungen arbeitet, kommt der Kampfsport dazu. Nicht immer sei der Job als Sozialarbeiter gefährlich, oft aber begegne man Menschen in Druck- und Konfliktsituationen. „Manchmal muss man sich selbst verteidigen können“, sagt er. Einige Jahre betreibt Hauprich anschließend Kampfsport, erwirbt neben dem Studium zwei schwarze Gürtel und wird Vizemeister im Kickboxen.

Währenddessen entdeckt der gebürtige Trierer seine zweite Leidenschaft, die Wissenschaft. „Dabei untersuchen wir systematisch, welches Angebot den Menschen am besten hilft und warum. Das fasziniert mich." Nach dem Abschluss des Studiums 2015 bleibt er als Doktorand in der Wissenschaft. Neben dem Thema Obdachlosigkeit entwickelt Hauprich dabei einen zweiten Schwerpunkt: In seinen Forschungsprojekten beschäftigt sich der Doktorand mit der Planung von Jugendhilfeangeboten. Auf die wissenschaftliche Frage, welche Jugendhilfeangebote am besten helfen, entwickelt er seine eigene, praktische Antwort. Er fängt an, Sozialarbeit und Kampfsport zu verbinden und initiiert Kampfsport-Trainings für Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen. „Es geht dabei um Respekt. Alle haben die gleichen Rechte und Pflichten.“ Die Kunst sei es, alle Menschen in ihren Anliegen ernst zu nehmen. Drei Abende in der Woche tut er das in der Kampfkunstschule.

„Soziologie ist ein Kampfsport“ lautet sein Lieblingszitat, erzählt Hauprich, während er bei offener Bürotür freundlich seine vorbeigehenden Kollegen grüßt. Als Wissenschaftler kämpfe man um die bestmöglichen Betreuungsangebote. Und Kampfsport sei wiederum Sozialarbeit, wo Sport Menschen aktiv zur Teilhabe helfen könne. Beides lasse sich eben wunderbar verbinden. „Heute Nachmittag treffe ich einen Jugendlichen aus dem Training, der Hilfe bei seinem Asylverfahren braucht“, sagt er.

Kurz blickt er auf die Uhr im Büro, die er nie aus dem Blick verliert. „Und davor arbeite ich an meiner Doktorarbeit zur Handynutzung von Obdachlosen.“ Wie das bei jemandem aussieht, der sagt, dass Wissenschaft nicht ins Bücherregal, sondern in die Mitte der Gesellschaft gehöre? Hier lüftet sich das Geheimnis um das wichtige Pizzaessen: Hauprich lädt einen Obdachlosen ein, um Fragebögen für die Doktorarbeit zu besprechen. „Wenn der Obdachlose mir sagt, dass meine Fragen schlecht sind, schmeiße ich die weg.“ Denn die Menschen sind die Experten ihrer eigenen Lebenswelt, ist der Doktorand überzeugt.

Für seine eigene Lebenswelt scheint Hauprich, der früher in Punkbands Gitarre gespielt hat, dagegen wenig Zeit zu haben. „Ich will mir immer selbst was beweisen, versuche immer mit mir selber zu konkurrieren”, sagt er und lacht.

Dennoch soll die Doktorarbeit im nächsten Jahr fertig sein. „Dann möchte ich in der Wohnungslosenhilfe arbeiten“, sagt Hauprich voller Überzeugung. Und natürlich seine Kampfsport-Trainings fortführen. Die Wissenschaft kann sich er später einmal als Job vorstellen. „Erst mal freue ich mich auf den noch größeren Praxisanteil“, sagt Hauprich mit einem Grinsen, bevor er sich schnellen Schrittes auf den Weg zum Pizzaessen macht.
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