0 subscriptions and 0 subscribers
Article

Vorfreude und der Geruch von Popcorn

Zum ersten Filmabend 1958 mit "Die zehn Gebote" drängten sich die Zuschauer ins Savoy. Foto: Savoy Archiv

Von Robin Hetzel

Vor 60 Jahren öffnete das Savoy-Kino an der Graf-Adolf-Straße. Zeitweise war es regelrecht das Wohnzimmer der Düsseldorfer.


Der große Eingang mit der Wand voller Filmplakate an der linken, die kleine Kasse an der rechten Seite, und sobald man das Gebäude betritt, liegt in der Luft der Geruch von Popcorn - und die Vorfreude auf den nächsten Film ist spürbar. Fast scheint es, als sei das Flair der großen Kino-Zeit in diesen Mauern gefangen.

Mehr als 60 Spielstätten gab es zu Hochzeiten des Kinobooms in Düsseldorf, aber eines von ihnen stach mit Welturaufführungen, wochenlang ausverkauften Kinosälen und Besuchen von Hitchcock und Co hervor: das Savoy an der Graf-Adolf-Straße. Vor 60 Jahren gegründet, feiert die traditionsreichste Kinostätte der Stadt jetzt ihren runden Geburtstag.

Von den britischen Besatzern erhielt der Kinobetreiber Willi Goldermann Anfang der 1950er den Auftrag, auch in Düsseldorf Kinos aufzubauen. Die Wahl des Standorts fiel auf die Graf-Adolf-Straße 47, wo nach zweijähriger Bauzeit am 18. April 1954 das Savoy eröffnete. In der ganzen Stadt warben Plakate für das neue und verdeckten unzählige Kriegsruinen.

Schon wenige Wochen später folgte im Souterrain die Eröffnung des Ateliers als zweitem Kinosaal - es war der Anfang des ersten großen Programmkinos. Auch was die Technik betraf, hatte das Savoy eine Vorreiterrolle inne: Als eines der ersten fünf Kinos in Deutschland wurden Filme mit 70-Millimeter-Projektoren angeboten. Gepaart mit einem 6-Kanal-Magnetton und einer 165 Quadratmeter großen, gebogenen Leinwand galt das Savoy jahrzehntelang als Topadresse für Kinoliebhaber.

Dank der besonderen Leinwand konnte im Savoy als Premierenstück 1958 "Die zehn Gebote" gezeigt werden, der als 35-Millimeter-Breitwandfilm einer der ersten seiner Art war. "Die Technik sorgt für solch ein gestochen scharfes Bild, so dass sie auch heute noch gerne genutzt wird", sagt Udo Heimansberg, der 1975 an der Graf-Adolf-Straße zum Theaterleiter ausgebildet wurde und jahrzehntelang als Geschäftsführer der Filmkunstkinos die Seele des Savoys war.

In den folgenden Jahren wurden im 900 Plätze großen Kinosaal mit beachtlicher Regelmäßigkeit Welturaufführungen und viele deutsche Premieren gezeigt. So feierte auch der 1960 erschienene Film "Spartacus" mit Kirk Douglas seine deutsche Uraufführung im Savoy. Douglas musste seinen Besuch absagen, schickte dafür aber eine Film-Grußbotschaft in den Kinosaal.

Unzählige andere Weltstars fanden den Weg an die Graf-Adolf-Straße. Die Schauspieler Lex Barker und Pierre Brice schauten für die Premiere der Karl-May-Verfilmung vorbei. Auch Terence Hill und Bud Spencer ließen sich Premierenbesuche ihrer Filme im Savoy nicht nehmen.

Sogar Alfred Hitchcock kam für die Premiere von "Die Vögel" nach Düsseldorf. Statt aber die Aufführung im Savoy zu verfolgen, blieb der Regisseur lieber im Hotel und schrieb fleißig Autogramme. Auch Aktionen abseits der Leinwand blieben im Savoy keine Seltenheit: Für den britischen Monumentalfilm "Khartoum" wurde 1966 die Graf-Adolf-Straße gesperrt, um eine britische Militärzeremonie mit dem Botschafter als Ehrengast abzuhalten. Zur Premiere des Films "Heintje - ein Herz geht auf Reisen" mieteten Cineasten eine eigene Straßenbahn, die die Gäste zum Savoy brachte.

Im Jahr 1969 wurde das Kino groß umgebaut: "Aus den zwei Sälen wurden fünf, weil man den Filmverleihern immer häufiger Mindestlaufzeiten zusichern musste", erklärt Heimansberg. So wurde im großen Saal eine Wand hochgezogen, um mehrere kleine Vorführräume zu schaffen. "Und wenn es gegangen wäre, dann wäre auch die Toilette zum Kinosaal geworden", sagt Heimansberg lachend.

Längst hatte das Savoy durch das Aufkommen des Fernsehens seine Sonderstellung verloren. Filme, die vom Publikum nicht gut angenommen wurden, konnten nicht mehr auf der großen Leinwand gezeigt werden. Dennoch fand "Düsseldorf mit dem Kinocenter, das nach amerikanischen Vorbildern entworfen wurde, die Antwort auf die Herausforderung des Pantoffelkinos", wie es in einem alten Fernsehbericht aus dem Bundesarchiv über das Savoy heißt.

Anfang der 1980er Jahre folgte der nächste große Umbau. "Wir mussten das Kino dem Zeitgeist der Achtziger anpassen", sagt Heimansberg. Besonders beliebt waren zu dieser Zeit Wiederaufführungen, die damals ein Novum darstellten. Mit den großen Klassikern "Ben Hur", "Doktor Schiwago" und den Bond-Filmen ließen sich auch noch 20 Jahre nach deren erstem Erscheinen die Säle des Savoys füllen.

Die Zeiten für Kinos waren nicht immer golden, weitere Verwerfungen standen in der Branche an. Das Savoy stand wie andere Lichtspielhäuser durch das Aufkommen der Multiplexkinos zeitweise vor dem Aus. "Der Glanz der Zeiten, in denen Savoy-Besucher die Graf-Adolf-Straße überfluteten, war endgültig vorbei", erinnert sich Heimansberg.

Anfang der 1990er Jahre hatte sich Willi Goldermann aus dem Kinogeschäft zurückgezogen und das Savoy an die Ufa-Theater AG verkauft. Nur neun Jahre später musste der große Kinosaal geschlossen werden. Der neue Betreiber stand kurz vor der Pleite.

Der Konzertveranstalter Stefan Jürging übernahm das Kino und formte es zu einer Kleinkunstbühne, die bis heute besteht. Mit "Das Parfum" lief erst 2006 wieder ein Film im Savoy. Kurz zuvor hatte Jürging das Gebäude vom alten Betreiber gekauft und das Atelier unter dem großen früheren Kinosaal mit Großbildwand, Dolby Digitalton und 2K-Digitalprojektion für Cineasten hergerichtet.

"Der Anfang war sehr schwer. Dass im Savoy wieder Filme liefen, musste sich herumsprechen", sagt Heimansberg. Als ehemalige Stadt- und vor allem Kinomeile war die Graf-Adolf-Straße in Verruf geraten, das Savoy längst nicht mehr das Wohnzimmer der Düsseldorfer, das es einmal gewesen war. Mittlerweile ist das Atelier wieder ein beliebter Ort bei Filmbegeisterten.

Noch immer zeichnet sich das Kino durch eine Filmauswahl abseits des Mainstreams aus. Zur Jubiläumsfeier am 18. April wird Ludovic Bernards Komödie "Die Pariserin - Auftrag Baskenland" gezeigt. Der heutige Geschäftsführer Nico Elze: "Wir wollen anspruchsvolle Filme abseits der großen Blockbuster zeigen" - ganz so wie vor 60 Jahren.

Original