Es ist sonnig hier und warm, im Süden der Stadt krachen die Wellen des Atlantiks auf die Strände aus feinem Sand. Das perfekte Ziel für den nächsten Städtetrip? Fünf Gründe für die westafrikanische Metropole Accra.
Kaum jemand weiß irgendetwas über Accra. Schlagzeilen macht die Stadt hin und wieder mit der Müllkippe Agbogbloshie - dort landet europäischer Wohlstandsmüll: Kühlschränke, Fernseher, Computer. Der Elektronikschrott wird verbrannt, um an verwertbare Rohstoffe in den Geräten zu kommen, Kupfer zum Beispiel. Die Halde ist einer der schmutzigsten Orte der Welt - nicht unbedingt ein Aushängeschild für Accra. Viele Teile der Stadt wirken auf den ersten Blick nicht ganz so einladend. Gefragt ist also echter Entdeckungsdrang. Und der wird belohnt.
1. Raus aus der comfort zone
Selfies am Eiffelturm oder im Central Park - tausendmal auf Instagram gesehen. Warum nicht mal dorthin fahren, wo es überhaupt keine Sehenswürdigkeiten gibt? In eine Stadt, die es nicht in die Geheimtipp-Rankings der Travelblogs dieser Welt schafft? Den Teil mit obligatorischen Snaps für Freunde und Netzfreunde kannst du in Accra getrost überspringen. Es gibt hier weder viele Touristen noch touristische Infrastruktur. Das hat einen klaren Vorteil: Du stößt dich nicht an Selfie-Sticks. Und vor allem bewegst du dich nicht in seltsamen Touristen-Parallelwelten wie entlang der Rambla in Barcelona.
2. Kratzende Lautsprecher
Accra lebt auf den Straßen. Gut, das kennen wir von vielen Städten, für die wir uns in den Flieger Richtung Süden setzen. Doch ist das hier schon eine andere Nummer als Istanbul oder Tel Aviv. Der Makola Market zum Beispiel: Unzählige Händler breiten von Kokosnüssen und Zahnpasta bis zu Schuhen und bunten Stoffen so ziemlich alles auf dem Boden aus, was sich verkaufen lässt. Dazu kratzende Lautsprecherboxen und tanzende Menschen. Wenn es schon keine Sehenswürdigkeiten aus Beton in Accra gibt, Märkte wie dieser sind definitiv einige Zeit wert. Und sie bestätigen nebenbei auch unser Bild von Afrika: laut und bunt, chaotisch und lebendig.
3. Klapprige Busse
Wer zum ersten Mal hierher kommt, braucht ein bisschen, um sich an die Stadt zu gewöhnen. Mit einem europäisch-kulturschockierten „Hallo Accra, ich lasse mich jetzt mal auf dich ein" ist es kaum getan. Die ghanaische Hauptstadt ist gewöhnungsbedürftig, sie hat ihren ganz eigenen Rhythmus. An den musst du dich erst herantasten - auch das macht aber den Reiz Accras aus. Es gibt kein richtiges Stadtzentrum, das mit der Fortbewegung ist auch so eine Sache. Ohne Verhandlungsgeschick zockt einen der Taxifahrer gerne mal ab. Straßennamen kennt er meist auch nicht, wenn überhaupt ein paar „landmarks", also Orientierungspunkte wie große Hotels oder Restaurants. Ein unwissender Tourist, der einen unwissenden Fahrer zum Ziel navigieren muss - ziemlich unterhaltsam. Die Alternative sind kleine, eng bestuhlte, klapprige Busse. Sie heißen Tro-tro und bringen Leute in so ziemlich alle Teile der Stadt, für umgerechnet ein paar Cent. Fahrpläne und Haltestellen gibt es nicht, deswegen ist es schier unmöglich, die Routen der Busse nachzuvollziehen. Deshalb: Leute auf der Straße um Hilfe bitten, was direkt zum nächsten Punkt führt:
4. Innere Werte
Die Menschen in Accra sind sehr redefreudig. Manchmal geht einem das auf die Nerven, zum Beispiel in der Oxford Street im Stadtteil Osu. Hier drängen sich die Läden, Restaurants und Bars dieser Stadt, aber auch eine ganze Menge hartnäckige Straßenverkäufer. Sie schaffen es in weniger als einer Minute, sich als dein bester Freund zu bezeichnen, von Kumpels in Deutschland zu erzählen und ihre selbstgemachte Kunst anzupreisen. „Selbstgemacht" lässt dabei einen großen Deutungsfreiraum, deswegen sind manchmal diejenigen Leute sympathischer, die einfach direkt nach deinem Geld fragen. Abgesehen davon machen es einem die Menschen in Accra ziemlich leicht, als Fremder in der Stadt zurechtzufinden. Die Leute sind herzlich und gastfreundlich. Wer auf der Straße nach dem Weg fragt, wird schon mal spontan bis an sein Ziel begleitet. Kurz: die inneren Werte Accras sind eine feine Sache.
5. Easygoing
Sechseinhalb Flugstunden trennen Accra von Frankfurt. Du bist schneller dort als in New York, aber im Gegensatz zu den USA ist Ghana gefühlt unendlich weit weg. Das mag auch daran liegen, dass Accra nicht gerade internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Stadt mit ihren etwas mehr als zwei Millionen Einwohnern hat genug mit sich selbst zu tun. Die große Bühne sucht sie gar nicht erst, weder mit superlativen Bauwerken noch mit internationalen Events. Dennoch ist Accra eine Stadt im Aufbruch: Hochhäuser wachsen neben Hütten mit Wellblechdächern in die Höhe. Meistens wirken die Neubauten total deplatziert und eigensinnig in ihrer Architektur, der Sinn für Ästhetik hier ist ein sehr spezieller. Accra macht einen sehr bodenständigen Eindruck: Hühner, Ziegen und Schafe suchen sich ihren Weg zwischen parkenden Autos am Straßenrand. Gehwege gibt es nicht, Autos dagegen zu viele. Das rächt sich vor allem während der Pendlerzeiten, dann geht auf den Hauptstraßen nichts mehr. Im Taxi blinken manchmal zu viele Warnleuchten auf dem Armaturenbrett, die Stromversorgung muss regelmäßig mit lauten Dieselgeneratoren aufrechterhalten werden. Im Hotel können Wasserleitungen schon mal ein paar Tage trocken bleiben, der Balkon zum Bad umgebaut werden, Türen nicht rechteckig genug sein, um sie schließen zu können. In Accra ist alles irgendwie improvisiert und dennoch unkompliziert. Ghanaer haben scheinbar keinen sonderlichen Drang zu Perfektion oder Präzision. Nichts ist perfekt, genau das macht die Stadt ziemlich sympathisch.
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