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Lettland, Estland, Litauen & Ukraine-Krieg: Aus Angst bleiben die Deutschen weg

Der Krieg lässt den Tourismus im Baltikum einbrechen. Völlig unbegründet, sagt ein Stadtführer aus Riga - und umwirbt die Deutschen.


Riga. Das Baltikum ist schon lange ein beliebtes Urlaubsziel der Deutschen. Vor allem Reisegruppen erkundeten die drei Länder Estland, Lettland und Litauen vor der Corona-Pandemie mit Schiff, Bus und Fahrrad. Meistens nach dem Motto „drei Länder in einer Reise". Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges ist die Zahl der Touristen in den Ländern an der Nato-Ostflanke aber rapide gesunken.


„Der Krieg ist hier genauso weit weg wie in Berlin", sagt Maik Habermann, deutscher Stadtführer und Historiker, der seit 20 Jahren mehr oder weniger in Riga zu Hause ist. Nicht in die östlichen EU-Länder zu reisen, hält er für völlig unbegründet.

Dass der Krieg für viele Reisende im letzten Jahr aber durchaus ein Grund war, zu stornieren oder gar nicht erst einen Urlaub in den Ländern des Baltikums zu planen, bestätigen mehrere Reisebüros gegenüber unserer Redaktion. 2022 übernachteten laut Regierungsangaben rund 108.000 Deutsche in lettischen Hotels, 55 Prozent weniger als zu vergleichbaren Zeiten vor der Corona-Pandemie.


Ukraine-Krieg als Stornierungsgrund: Das Baltikum leidet

„Die Ukraine ist zwar geografisch weit genug entfernt von Lettland, trotzdem haben wir mit Russland und Belarus zwei unfreundliche direkte Nachbarn. In den Köpfen der potenziellen deutschen Reisenden spielt das offensichtlich eine Rolle", so Neil Ebden, Inhaber von Ebden Reisen. Der Gedanke, Russland und seinen engsten Verbündeten Belarus so nah am Reiseziel zu wissen und im Baltikum gleichzeitig an der Nato-Ostflanke Urlaub zu machen, schreckt die Deutschen offenbar ab.


Gegen die Wahrnehmung von einem unsicheren Baltikum wehrt sich Habermann, der die drei Länder seit Jahren mit Touristengruppen bereist. „In Riga spürt man nicht mehr vom Krieg als in Deutschland", sagt er, „außer eine größere Solidarität mit dem überfallenen Land." Diese Solidarität zeige sich etwa darin, dass die baltischen Staaten schneller und in höherem Maße Hilfe an die Ukraine geliefert hätten.


Als konkretes Beispiel nennt der Historiker, dass Estland, Lettland und Litauen, gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt, mehr finanzielle Unterstützung geleistet haben als Deutschland. Dabei bezieht er sich auf eine Datenbank des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Zusätzlich habe es viele private Initiativen gegeben, die neben humanitären Hilfsgütern beispielsweise auch gebrauchte Geländewagen oder schusssichere Westen in die Ukraine geschickt hätten.


Deutsche mit traditionsreicher Verbindung zu baltischen Ländern

Deutschland hat zwar eine traditionsreiche gemeinsame Geschichte mit dem Baltikum - und Estland, Lettland und Litauen sind seit fast 20 Jahren EU- und NATO Mitglieder. Dennoch sei das Wissen in Deutschland über die drei kleinen osteuropäischen Länder oft gering, berichtet Habermann. Die Perspektive der drei früheren Sowjetstaaten auf Russland sei nicht vergleichbar mit der deutschen.


Dass das Baltikum seit dem Mittelalter ein fester Bestandteil des westlichen Kulturraumes ist, wissen die wenigsten. Seit dem 12. Jahrhundert kamen Deutsche in die Region und prägten lange als Oberschicht die Religion, Kultur und Sprache Lettlands, erklärt Habermann. Auch im heutigen Estland sei der Einfluss der Deutschen zu finden.


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