Ist das Pegida in literarischer Form? Der neue Aphorismen-Band des reaktionären Autors Michael Klonovsky steckt voller stilisierter Ressentiments.
Nicht nur in Dresden bevölkern derzeit allerlei erklärte patriotische Europäer die deutschen Straßen - vorgeblich, um gegen die "Islamisierung des Abendlandes" zu demonstrieren. Dass sich die auch über die "Lügenpresse" zeternden Menschenmengen gleichzeitig noch über Gender Mainstreaming und politisch korrekte Sprachregelungen empören, irritiert ein wenig. Aber manche dialektisch geschulte, konservative Geister können der von Rechts beschworenen Apokalypse durchaus positive Aspekte abgewinnen: "Die muslimische Invasion Europas würde nicht nur Nachteile bringen; Feminismus, Gender-Studies und Regietheater würden immerhin verschwinden."
Michael Klonovsky, der Verfasser dieses Bonmots über den Islam als Erlöser von der vermeintlichen westlichen Dekadenz, ist ein bösartiger Aphoristiker. Sein Stilmittel ist die Zuspitzung: "Jeder Muezzinruf beinhaltet eine Feinderklärung" - ein Satz, der wie das Leitmotiv der gegenwärtigen Proteste wirkt.
Klonovskys aktueller Sammelband Aphorismen und Ähnliches (Karolinger Verlag) belegt, dass für den Autor die Feinderklärung das Wesen der politischen Publizistik ist. Mit zum Teil wohlkomponierten Sätzen wird Hirnforschern und Historikern ebenso der Fehdehandschuh vor die Füße geworfen wie Leitartiklern und altehrwürdigen liberalen Geistern der Bundesrepublik.
Doch finden sich zwischen süffisanten Aphorismen, die von stilistischer Finesse zeugen, auch literarisch camouflierte Ressentiments wider die imaginierte Diktatur der politisch Korrekten. Für einen Wortführer des Protestes wäre Klonovsky jedoch zu elitär und distinguiert.
"Die meisten Ernst-Jünger-Gegner sind Typen, die sich beim Zahnarzt eine Spritze geben lassen", notierte Klonovsky schon in dem 2009 erschienenen Band Jede Seite ist die falsche. Klonovsky ist Jahrgang 1962. Nach dem Abitur war er nach diversen Hilfsarbeiterjobs als Korrekturleser beim Hausblatt der Liberaldemokraten der DDR tätig.
Geschliffen reaktionärDie Erfahrungen dort haben ihn misstrauisch gegen offiziell verkündete Positionen gemacht. Selbst die Tagesschau ist ihm nur eine Variante der Aktuellen Kamera. Seinem Selbstanspruch gemäß korrigiert er als Autor des Magazins Focus die andernorts veröffentlichte Meinung, die von der öffentlichen Meinung des Volkes zu trennen sei. Klonovsky ist der scheinbar paradoxe Fall eines Meinungsmachers, der die konkurrierenden Massenmedien der Meinungsmache bezichtigt.
In aller Unschuld führt er in Deutschland verdrängte Begriffe wie Rasse wieder in die politische Debatte ein. Und um ein weiteres "Gauchogate" zu vermeiden, empfiehlt Klonovsky in seinem Internettagebuch Acta diurna der deutschen Nationalmannschaft für den Fall eines weiteren Sieges statt frivoler Schmähgesänge gegen die Verlierer lieber eine anschließende Kranzniederlegung im gegnerischen Strafraum. Kaum ein anderer deutscher Autor ist bisweilen auf solch geschliffene Art erzreaktionär.
Klonovsky trägt dieses Etikett nicht ohne Stolz. Seine Aphorismen seien gleich "im doppelten Sinne reaktionär", schreibt er in der Vorbemerkung zum neuen Band. Die gegen die "egalitaristische Welttendenz" gerichteten Neuformulierungen "altbekannter Gemeinplätze" geben Aufschluss über die Geisteswelt jener, die sich als Dissidenten der politisch korrekten Bundesrepublik inszenieren. In dieser imaginierten BRD sitzen, so scheint es, quotengeförderte Doppelnamenfrauen im Hosenanzug auf den Chef_innensesseln der inzwischen verstaatlichten Dax-Konzerne und führen ein islamisiertes Matriarchat.
Dies ist keinesfalls eine groteske Verzerrung der Weltsicht von Klonovsky und seiner Leserschaft. Die permanente Verwechslung der medialen Re-Präsentation von Minderheiten mit der gesamtgesellschaftlichen Realität zeugt von einer enormen Betriebsblindheit. Indem Klonovsky die Befindlichkeiten eines Teils der eigenen Zunft zur allgemeinen Norm erhebt, wird er selbst zum Prototyp jener angeblich wirklichkeitsfernen publizistischen Klasse, die er zu bekämpfen vorgibt.
Ein Reaktionär ist Klonovsky im Sinne eines Nicolás Gómez Dávila. Wie der elitäre kolumbianische Denker, dessen Aphorismen Klonovsky 2007 herausgab, ist er ein Fremder in der "besten aller Welten". Und wie der 1994 verstorbene Gómez Dávila misstraut er dem Fortschritt und dem Ruf nach égalité. Die von beiden vorgelegten Aphorismen sind immer auch Elegien über den Niedergang des weißen heterosexuellen Mannes und Klagen über die Widerwärtigkeiten einer Massendemokratie, die für sie immer auch eine skandalversessene Mediokratie, ja eine Herrschaft der Minderbegabten ist.
Der Unbill wird mitunter zum sprachmächtigen Widerstandsakt. In dieser Zuspitzung wird der Aphorismus zur eigentümlich konservativen literarischen Form. Die kurzen Sentenzen eignen sich zur Überlieferung griffiger Einsichten, die den direkten Zugang zum "gesunden Menschenverstand" erheischen. Der gelungene Aphorismus bietet die Möglichkeit der Verdichtung einer ganzen Philosophie, der misslungene hat das Niveau eines Glückskeksspruchs.