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Erdogan setzt Star-Journalist Dündar auf Terrorliste - 25.000 Euro Kopfgeld

Titelbild: OZAN KOSE / AFP / picturedesk.com

Der Journalist Can Dündar wird vom türkischen Innenministerium als FETÖ-Terrorist diffamiert. Gegenüber ZackZack Türkiye äußert sich Dündar über Erdoğans Beweggründe.

Wien/Ankara/Berlin, 13. Januar 2023 | Der bekannte türkische Journalist Can Dündar wurde laut eigenen Angaben vom türkischen Innenministerium auf eine Terrorliste gesetzt, auf die sogenannte „Graue Liste". Das hatte er am 30. Dezember 2022, kurz vor Ablauf des alten Jahres, noch bekannt gegeben. Damit wurde auch ein Kopfgeld von bis zu 500.000 TL (etwa 25.000 Euro) für die Beihilfe zu Dündars Verhaftung ausgesetzt. Zusätzlich wurde Dündars gesamter Besitz in der Türkei beschlagnahmt.

„Wenn man einen autokratischen Führer wie Erdoğan herausfordert, muss man auf all dies vorbereitet sein. Er bedroht und verhaftet nicht nur Journalisten, er organisiert auch Anschläge und lässt seine Banden gegen uns los. Echte Journalisten sind jedoch diejenigen, die es schaffen, ihre Sicherheitsbedenken hinter ihrer Verantwortung für die Information zurückzustellen", so Dündar zu ZackZack Türkiye.


"Bis Türkei frei wird"

Mit Hinblick auf andere exilierte türkische Journalisten in Deutschland, die bedroht oder sogar tätlich angegriffen wurden, wie etwa Erk Acarer oder "Artı Gerçek"-Redakteur Celal Başlangıç, fragte ZackZack Türkiye Dündar, wie sich die aktuelle Entwicklung auf sein persönliches Umfeld auswirke: „Erk schreibt entschlossener denn je. Auch meine Einstellung wird sich nicht ändern. Bis dieses Unterdrückungsregime endet und die Türkei frei wird."


Viele Journalistinnen in Haft

Die Pressefreiheit in der Türkei ist sehr stark eingeschränkt. Aufgrund von vage formulierten Terrorgesetzen, einer politisierten Justiz und einem neuen Desinformationsgesetz sitzen viele Medienschaffende wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Das Internationale Presse Institut (IPI) zählt aktuell 41 Journalistinnen, die wegen ihrer Arbeit in türkischen Gefängnissen eine Haftstrafe absitzen, die Media and Law Studies Association (MLSA) dagegen zählt 65 Medienschaffende in türkischen Gefängnissen. Das Committee to Protect Journalists (CPJ) zählt mindestens 14 weitere Journalistinnen, die auf der „Graue Liste" des Innenministeriums namentlich und mit Bild aufgeführt werden.


Berliner Exil

Can Dündar selbst lebt und arbeitet seit 2016 im Berliner Exil, wo er in Zusammenarbeit mit CORRECTIV das Online-Magazin/Web-Radio Özgürüz („wir sind frei") betreibt. 2020 wurde er in einem politisch motivierten Verfahren zu 27 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Ihm wird unter anderem Unterstützung einer terroristischen Organisation vorgeworfen, namentlich die für den gescheiterten Putsch von 2016 von der türkischen Regierung verantwortlich gemachte Gruppe „FETÖ" von Fetullah Gülen, auch bekannt als „Hizmet" oder Gülen-Bewegung.


„Hier sind die Waffen, die Erdoğan leugnet"

Hintergrund der politischen Verfolgung von Dündar ist vor allem eine Recherche zu türkischen Waffenlieferungen nach Syrien, die er als Chefredakteur der türkischen Tageszeitung „Cumhuriyet" 2015 veröffentlicht hatte. Unter der Schlagzeile „Hier sind die Waffen, die Erdoğan leugnet" („İşte Erdoğan'ın yok dediği silahlar") hatte Cumhuriyet Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes MİT an bewaffnete Gruppen in Syrien aufgedeckt. Daraufhin hatten MİT und Erdoğan Dündar und seinen Kollegen Erdem Gül unter anderem wegen Spionage sowie Verrats von Staatsgeheimnissen angeklagt

Nach 92 Tagen in Haft hatte das Verfassungsgericht der Republik Türkei ihre Freilassung angeordnet. 2016 war Dündar wegen Verrats von Staatsgeheimnissen zu über fünf Jahren Haft verurteilt worden. Während er vor dem Gericht auf das Urteil gewartet hatte, konnte er einem Schusswaffenattentat auf ihn nur knapp entgehen. Anschließend war er nach Berlin geflohen.


"Erdogan versucht mich einzuschüchtern"

„Erdoğan hat einen ausgeprägten Sinn für Rache. Er hat zugegeben, dass er über seinen Geheimdienst illegal Waffen an Dschihadisten in Syrien geliefert hat. Er schwor, mich zu bestrafen, nachdem mein Bericht dies dokumentiert hat. Der Freiheitsentzug, der bewaffnete Überfall, die Beschlagnahmung von Eigentum und 29 Jahre Gefängnisstrafe waren nicht genug. Er versucht nicht nur mich einzuschüchtern, sondern auch hunderte Andere auf dieser Liste", so Can Dündar zu ZackZack Türkiye.

Seine Zuversicht hat er jedenfalls nicht verloren: „Die kommenden Wahlen werden also mit einer völlig zum Schweigen gebrachten Opposition ausgetragen... Das Klima der Angst, das von dem Palast ausgeht, hat das ganze Land erfasst. Aber die Unterstützung, die ich von meinen Freunden erhalte, lässt mich das alles vergessen."


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