Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Deutsche Caritasverband (DCV), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Diakonie Deutschland (DD) und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) haben mit dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) und dem Bundesverband Deutscher Startups (Startup Verband) eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. In dem mit „Gesellschaftlicher Fortschritt braucht soziale Innovation" betitelten Papier werden eine vertiefte Kooperation der Verbände angekündigt und Forderungen an die Politik gestellt. Diese Form der Zusammenarbeit von traditionsreichen Wohlfahrtsorganisationen und Sozialunternehmen ist neu - trifft jedoch auch auf Kritik.
Wertorientierte Lösungen gesellschaftlicher ProblemeDer demografische Wandel, die Digitalisierung und die Förderung des sozialen Zusammenhalts bedürfen „neuer Kooperationen und gemeinschaftlicher Lösungsansätze", so die Einstiegsdiagnose des Positionspapiers (Quelle: https://bit.ly/2BiwsHd). Deshalb möchten die sieben Kooperationspartner ihre jeweiligen Stärken ins Spiel bringen und zusammen „wertorientierte Lösungen" finden. Hierfür soll der Austausch zwischen den Partnern gestärkt und die gemeinsame Kommunikation ausgebaut werden. Geplant ist beispielsweise der Aufbau eines Netzwerkes zur Förderung sozialer Innovationen, ein intensivierter fachlicher Austausch und das Abhalten von nationalen und regionalen Konferenzen.
Politik in der PflichtDoch das Papier enthält nicht nur die Skizze einer Kooperationsvereinbarung, sondern auch einen politischen Appell: „Innovationen in der Sozial- und Gesundheitsbranche brauchen mehr als eine gute Idee", so Peter Nehler, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, zum Positionspapier (Quelle: https://bit.ly/2SY2SxS). So seien neben strategischen Kooperationen und innovationsfreundlichen Kulturen in den Unternehmen „förderliche finanzielle Rahmenbedingungen" nötig, um die Sozialwirtschaft in Deutschland zu stärken. Mit über 4,4 Millionen Beschäftigten und einer Bruttowertschöpfung von 165 Milliarden Euro stelle diese einen wichtigen Wirtschaftszweig dar.
Gleichberechtigung des sozialen SektorsDie Wohlfahrtsverbände und Start-ups fordern letztlich den Staat dazu auf, die Förderbedingungen des sozialen Sektors an die der gewerblichen Wirtschaft anzugleichen. Konkret fordern die Kooperationspartner drei Dinge:
Förderung sozialer Innovationszentren, die „Raum für Begegnung und Netzwerke schaffen, den Transfer von Ideen in die Praxis erleichtern und inter- und transdisziplinäre Ansätze fördern" Den sozialen Sektor in die klassischen Innovationsprogramme einzubeziehen und „den Aufbau neuer Förderprogramme für den sozialen Sektor" Ansprechstationen „in den verschiedenen Bundesministerien für das Thema soziale Innovationen und deren Vernetzung" Kritik an strategischer Kooperation
Mit dem Paritätischen Gesamtverband verweigert sich einer der großen deutschen Wohlfahrtsverbände der strategischen Kooperation. „Wir pflegen durchaus praktische Kooperationen mit Start-ups, wenn dies sinnvoll ist", so Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider (Quelle: https://www.wohlfahrtintern.de/nc/koepfe/paritaeter/newsdetails/article/verband-schert-bei-kooperation-startup-sektor-aus/). Die Gemeinnützigkeit sieht er jedoch als wesentliches Unterscheidungsmerkmal vom gewerblichen Sektor an. Deshalb halte der Paritätische „abstrakte Grundsatzpapiere und Formalzusammenschlüsse oberhalb der Ebene praktischer Kooperationen nicht nur für überflüssig, sondern auch für wenig angebracht und zielführend".
Markus Sauerhammer, Vorsitzender des Social Entrepreneurship Netzwerks Deutschland, bedauert diese Entscheidung. SEND sei wie der Paritätische Gesamtverband primär gemeinwohlorientiert. Der Deutsche Social Entrepreneurship Monitor, der Ende 2018 erstmalig erschien, zeigt zudem, dass 95 Prozent der Sozialunternehmer soziale Ziele für bedeutsamer erachten als ökonomische (Quelle: https://www.send-ev.de/uploads/dsem-2018_web.pdf).
Neue Wege für Stiftungen?Gegenüber dem Bundesverband Deutscher Stiftungen betonte Sauerhammer zudem, die Zusammenarbeit mit dem Stiftungssektor ausbauen zu wollen: „Gerade im Hinblick auf die aktuellen und die vor uns liegenden gesellschaftlichen Herausforderungen sollten Akteure mit einem ähnlichen Werteverständnis und gleichen Zielen enger zusammenarbeiten". Bereits die Aufbauarbeit des Social Entrepreneurship Netzwerks sei inhaltlich und finanziell durch Stiftungen gefördert worden. Mitte März finde zudem ein gemeinsamer Workshop von Social Entrepreneurs und Stiftungsvertretern statt. Eine vertiefte Zusammenarbeit könne aus Sicht von Sauerhammer darin bestehen, „gemeinsam bei der Politik darauf hinzuwirken, dass Gestalterinnen und Gestalter sowie Fördernde Sozialer Innovationen bessere Rahmenbedingungen bekommen", so Sauerhammer.