Die Sache mit den Falten
Das Schöne ist: keiner bleibt verschont. Weder Mann noch
Frau. Das weniger Schöne ist: Falten machen Männer sexy, Frauen alt. Und ich
gehöre ohne Zweifel in die Liga „alt“.
Leute, so einfach ist das nicht, auch wenn die neue 40 jetzt 50 ist. Heute
beäugen zwar schon Mädels mit 25 Linien, die noch gar nicht da sind und ich
glaube, ich habe so Ende 30 damit angefangen. Der kritische Blick mit der
Vergrößerungsseite vom Kosmetikspiegel hatte mich zum Zeitpunkt X verraten. Da
bahnten sich doch tatsächlich die ersten Bahnen des Lebens an. Hilfe, wie
schrecklich ist das denn… falsche Spiegelseite – nix für Feiglinge.
Nach der ersten Schockstarre war klar, dass nun die Liga der
„Anti-Age“ Produkte mit zu uns ins Badezimmer einziehen muss. Eine für die
Augen, für den Hals, für morgens und abends. Also mindestens. Und da gibt es ja
auch fachmännischen Rat. In der Hoffnung auf die Falten-weg-Crème, rein in den
nächsten Douglasladen zur Anti-Age Beratung. Nein ich wollte keinen Tipp von
der jungen Schönen, sondern am besten gleich zur Filialleitung, denn die schien
mir für mein Faltenproblem das Mindeste. Als Pflegeliebhaber kennt man sich,
aber jetzt wurde es ernst. Charmant und lieb wie sie ist, lächelte sie meine
Sorge um die Sorgenfältchen quasi weg und beriet mich sozusagen nur
vorsorglich… und: last but not least stellten wir - rein vorsorglich - dann ein
ganzes Paket mit Anti-Aging Seren und Crèmes für alle Gesichtsbereiche bis
runter zum Dekolleté zusammen. An der Kasse schluckte ich nicht schlecht und
ging freudestrahlend raus aus dem Laden. Männer: das war fast so wie
‚nen neuen Wagen bestellen – Glückshormone pur und jede Menge Vorfreude auf das
glänzend polierte Ergebnis…
Abends präsentierte ich dann voller Stolz die gesamte
Vorsorgepalette meinem Mann. Schweigen. Augenbrauen hoch und: „für was brauchst
du das alles!?“ Ich: „gegen die Falten“! Er: „wo denn?“ Ich: da, guck doch
mal!“
Er: „seh‘ nichts“ und weiter: „und das steht dann auch noch alles im Bad rum?“
Ja genau. Ach du meine Güte!
Meine Sorgen wurden also nicht geteilt, dafür aber zum Glück weiterhin das
Badezimmer mit allen Tuben, Tiegeln und Pröbchen aus dem neuen Pflege-Anti-Aging-Programm.
Und da kommt es ja am Ende nicht von ungefähr, wenn man dann
beim nächsten „Gleichaltrigentreffen“ gleich mal ausgiebig über alle Falten –
also die, die kommen werden und die, die schon da sind – plaudern kann. Das
Thema ist sowieso hip. Ich lerne: die Lösungsstrategien sind viel vielfältiger
als ich mir das vorgestellt und angelesen hatte.
Da dachte ich vorher, ich wäre mit meinen ganzen neuen Errungenschaften ganz
weit vorne und hinterher war ich völlig geflashed, zu welchen Mitteln und
Methoden andere greifen und bin es immer noch, denn die Sache mit den Falten
dauert ja an…
Da kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr raus, was wer alles schon hat machen lassen bzw. turnusmäßig machen lässt und fühlt sich mit den Mitteln „von oben“ schon fast antiquiert. Komisches Gefühl – hab‘ ich da was verpasst? Zeitgemäß sind demnach nur noch die Faltenkiller, die so richtig unter die Haut gehen. Wirklich?
Auch dazu hat mein Mann eine klare Meinung. Er sagt immer: „Schatz, du brauchst das nicht!“
Nun: ich pflege meine Falten weiter von oben, mache Douglas reich, fühle mich mindestens wie die neue 40 und kann nur sagen: Älter werden ist nix für Feiglinge!
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