Markus Acher, Frontmann von The Notwist, spricht über Lou Reed und Amerika und erklärt, warum er nicht daran denkt, das 25-jährige Jubiläum seiner Band zu feiern
Die Welt: Für das neue Album haben Sie sich sechs Jahre Zeit gelassen. Zwischen den beiden Vorgängerplatten lagen auch schon sechs Jahre. Hat es mit dem Älterwerden zu tun, dass es mittlerweile so lange dauert, bis ein neues Notwist-Album erscheint?
Markus Acher: Ja, weil wir heute alle Familie haben. Das nimmt natürlich Zeit in Anspruch, die man vorher zum Musikmachen hatte. Aber der Hauptgrund, warum es so lange dauert, ist, dass wir viele andere musikalische Projekte nebenher haben.
Muss The Notwist im Vergleich zu Ihren anderen Projekten immer etwas Besonderes sein?
Wir haben generell den Anspruch, dass wir uns unsere Musik selbst anhören würden. Bei Notwist ist unsere Arbeitsweise insofern komplexer, als wir viel herumexperimentieren und Dinge immer wieder neu aufnehmen. Deswegen ist es ein längerer Prozess. Insgesamt hat es diesmal zwei Jahre gedauert.
Die neue Platte klingt wie eine Mischung aus dem akustischen Vorgängeralbum "The Devil, You + Me" und dem elektronischen "Neon Golden".
Ich denke, dass noch viel mehr Elemente drinnen sind. Als Referenz ziehe ich eher die Musik von anderen Bands heran. Ein Vorbild war die Platte "Fantasma" von Cornelius, die zwischen den Stilen hin- und herspringt: Es gibt Gitarrenrock, Elektro, dann wieder etwas, das nach den Beatles klingt. "Hello Nasty" von den Beastie Boys ist auch so eine Platte, die sich vieler verschiedener Stile bedient, und doch ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Das hatten wir auch als Idee für unser Album.
Ein Stück darauf heißt "Run Run Run". Eine Hommage an den gleichnamigen Song von Velvet Underground?
Das ist kein Zufall, aber es gehört zu den Dingen, an die man in dem Moment gar nicht denkt. Das kommt einfach so, wenn man vor sich hin singt und eine Melodie sucht. In dem Fall ist es eine sehr willkommene Referenz.
Lou Reed ist ja vor kurzem gestorben. Hat Ihnen seine Musik etwas bedeutet?
Ich bin großer Velvet-Underground-Fan. Mit Lou Reeds Soloplatten konnte ich weniger anfangen. Diese Entwicklung, die er durchgemacht hat, vom genialen Punk-Vorläufer hin zu so einem besserwisserischen Technik-Freak, der in Interviews stundenlang über Verstärker und Gitarren redet – das war nicht so mein Ding.
Ihre Musik klingt aber so, als ob Sie sich auch ständig mit Technik und Equipment auseinandersetzen.
Ihre ersten Platten klingen, als wären sie von einer anderen Band aufgenommen worden. Wie haben Sie es geschafft, Ihren Sound so zu verändern?
Man muss einfach Begeisterung für Musik haben - und Angst davor, sich zu wiederholen. Ich bin froh, dass wir nicht in irgendeiner Szene stecken geblieben sind - aber die Gefahr bestand eh nie, denn wir haben in keine Szene je gepasst.
In Amerika sind Sie jetzt bei SubPop. Was bedeutet Ihnen dieses Label?
Extrem viel. Als wir angefangen haben, waren darauf sehr viele Bands, die wir toll fanden: Mudhoney und natürlich Nirvana. Später Modest Mouse, die Shins oder Death Cab For Cutie. Deswegen ist es toll für uns. Die Leute dort sind sehr ambitioniert. Es ist eine herzliche Zusammenarbeit.
Bands aus Deutschland werden in Amerika normalerweise nur wahrgenommen, wenn sie eine Show liefern, wie Kraftwerk oder Rammstein. Sie machen tolle Musik, aber sehen aus wie ganz normale Typen. Warum werden Sie in den USA trotzdem wahrgenommen?
Keine Ahnung. Ich hoffe, es hat nichts damit zu tun, dass wir eine deutsche Band sind und dadurch irgendwie exotisch wirken. Schön wäre, wenn es in Amerika genauso wie hier Leute gibt, die mit unserer Musik etwas anfangen können, weil sie sie berührt. Darüber wären wir glücklich.
The Notwist gibt es seit 25 Jahren. Werden Sie dieses Jubiläum feiern?
Nein. Sobald man anfängt, Jubiläen zu feiern, läutet man das Ende ein. Wir versuchen unsere Energie in neue Sachen zu stecken. Auf Feierlichkeiten oder Box-Sets und Best-Offs haben wir gar keine Lust.
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