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Review

Das Überleben feiern

Ein leises Summen, das langsam immer lauter wird. Auf der Leinwand erscheint das Bild einer jungen Frau. Den Blick der aufgehenden Sonne zugewandt sitzt sie in einem dichten Wald – der Leinwand und den Zuschauer:innen kehrt sie den Rücken zu. Schnitt. Zwei Hände halten ein aufgeschlagenes Buch in der Hand. Aus dem Off erzählt eine Frauenstimme: „There is a song in Yiddish, but I don’t remember the end. And it sings like this.” Eine ältere Frau mit schulterlangen weiß-gelben Haar und einer dunklen Brille erscheint singend in der Nahaufnahme: „Vi ahin zol ikh gehen. Ver ken entfern mir. Vi ahin zol ikh gehen“, den Rest habe sie vergessen, sagt sie lächelnd in die Kamera. Mit dem jiddischen Lied des polnisch-jüdischen Lyrikers Igor S. Korntayer, der 1942 in Auschwitz ermordet wurde, und des lettisch-jüdischen Komponisten Oscar Strock, der die NS-Verfolgung in Riga überlebte, stellt der Regisseur Radek Wegrzyn eine Protagonistin seines neuesten Filmprojektes vor: Rita Kasimow Brown. Sie ist Kandidatin des Schönheitswettbewerbs „Miss Holocaust Survivor“. Wegrzyns gleichnamiger Film proträtiert die Misswahl für Holocaust-Überlebende in Israel. Seit 2012 organisiert der Verein Yad Ezer L’Haver alle zwei Jahre diesen ungewöhnlichen Wettbewerb, bei dem zwischen zwölf und zwanzig Frauen im Alter von Anfang siebzig bis über neunzig in einer Misswahl vor einer mehrköpfigen, prominenten Jury gegeneinander antreten.


Unter dem Leitbild „Always Remember (zachor) and Never Forget (lo tishkach)“ betreibt der Verein, der übersetzt „Helfende Hände“ heißt, seit 1995 ein durch Spenden finanziertes Seniorenheim in der israelischen Hafenstadt Haifa, das für Holocaust-Überlebende eine letzte Heimat am Ende ihres Lebens sein soll. Der Schönheitswettbewerb ist dabei Teil des Programms für die betagten Frauen.

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