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"Beschränkte Schnellwahrheitsfinder"

Über 5000 Menschen demonstrierten am Samstag in Würzburg gegen Intoleranz und Rechtsradikalismus. Foto Ralph Bauer

Mit Sambaklängen und viel Humor gegen Rechts: Mehr als 5000 Würzburger haben am Wochenende ein Zeichen gesetzt. Darunter auch ein bekannter Mann mit Schlapphut, "Erwin Pelzig".


Als die Organisatoren von "Würzburg ist bunt" bei Kabarettist Frank-Markus Barwasser, alias "Erwin Pelzig" anfragten, ob er bei der Abschlusskundgebung vor dem Dom sprechen werde, sagte er sofort zu. Und der Würzburger bewies vor mehr als 5000 Zuhörern, dass Spott durchaus auch eine Waffe gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sein kann. "Beschränkte Schnellwahrheitsfinder" von Pegida und Wügida hätten nur Angst, "in einer etwas unglücklichen Kombination mit Denkfaulheit", sagte er. Und ganz klar bezog er Stellung zu deren Chef Lutz Bachmann: "Vielleicht muss das Abendland gerettet werden. Aber nicht von solchen Leuten, sondern vor solchen Leuten."


Speziell auf den Marsch der Neonazis am Vortag der 70. Wiederkehr der Zerstörung Würzburgs bezog sich seine Kritik an der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Würzburg, das ein Verbot der Stadt aufgehoben hatte. Die Aussage, der Staat ist auf dem rechten Auge blind sei "sehr ungerecht" gegenüber Blinden. "Ein Blinder sieht auf seine Weise sehr viel, auch wenn er nichts sieht. Unser Rechtsstaat hingegen sieht oft auch dann nichts, wenn er etwas sieht. Und das nennt man nicht Blindheit, sondern Blödheit", formulierte Pelzig.


Nichts an Deutlichkeit vermissen ließ nach einem gut einstündigen Demonstrationsmarsch vom Bahnhof zum Dom unter Sambaklängen auch OB Christian Schuchardt (CDU) auf dem Rednerpult. "Ich finde es unerträglich, wenn die geistigen Erben der Nazis die Toten des 16. März für ihre Propaganda missbrauchen", sagte er. Würzburg sage Nein zu Fremdenfeindlichkeit, zu Abschottung und Ausgrenzung. Nein zu Geschichtsklitterung und Revanchismus, Nein zu braunen Parolen. Von auswärts angereiste Neonazis und Hooligans hätten hier nichts zu suchen, stellte er im Blick auf die Nazidemo am Sonntag fest. Die Toten des 16. März 1945 gehörten zu den Opfern der nationalsozialistischen Aggressionspolitik, fügte er an. "Ohne Zuwanderer wäre Würzburg sehr viel kleiner und ärmer", kommentierte er den Fakt, dass Vertriebene eingerechnet die Hälfte der Bevölkerung inzwischen nicht gebürtig von hier stamme.


Die evangelische Würzburger Stadtdekanin Edda Weise, Dompfarrer Jürgen Vorndran, Zahir Durakovic vom Islamisch-Bosnischen Kulturzentrum und Murat Kücükaydin vom Integrations-, Kultur- und Bildungsverein verlasen anschließend eine "Erklärung der Religionen für den Frieden". Darin verurteilten sie die von Terroristen im Namen des Islam verübten Anschläge. Religionen dürften allgemein nicht instrumentalisiert und für machtpolitische Zwecke missbraucht werden. Juden, Christen und Muslime träten für mehr Humanität und gesellschaftliche Solidarität ein, insbesondere gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden. "Gemeinsam stehen wir auf gegen Hass, Gewalt, Antisemitismus und Intoleranz", heißt es in dem Papier.


Die Veranstalter sprachen von 7000 Teilnehmern, die Polizei von 5000 vor dem Dom und 3000 im Laufe des Zuges vom Bahnhof zum Domvorplatz. Zudem hatten mehr als 130 Organisationen quer durch die ganze Gesellschaft aufgerufen. Organisiert wurde sie vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), vom Würzburger Bündnis für Zivilcourage, von den Würzburger Montagsspaziergängern und von den Religionsgemeinschaften. "Wir wollten ein eindrucksvolles Zeichen setzen, dass Würzburg Vielfalt liebt und auch lebt und dass für Fremdenfeindlichkeit kein Platz ist in unserer Stadt", umriss der katholische Studentenpfarrer und Friedenspreisträger Burkhard Hose das Ziel der Demonstration.

Dies belegten am Sonntagabend auch eine Vielzahl von Gegendemonstranten als lediglich rund 20 Neonazis vom Kaiserplatz durch die Wallgasse zur Neutorstraße und wieder zurück zogen.


Ihr Motto im Bezug auf den 16. März 1945: "Kein Vergeben, kein Vergessen." Unter dem gleichen Titel waren freie Kameradschaften bereits am Samstag durch Zweibrücken gezogen. Nach Angaben der Polizei kam es in Würzburg nicht zu Zusammenstößen mit Gegendemonstranten.


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