Jacqueline Andres (35) ist Referentin für Militär und Klima sowie Mitglied des erweiterten Vorstands der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen. Sie hat einen Masterabschluss in Internationalen Beziehungen. Die IMI ist ein spendenfinanzierter antimilitaristischer Verein.
Die Bundeswehr hat in den vergangenen 15 Jahren Windenergieanlagen mit einer Leistungskapazität von etwa zwei Handvoll Atomkraftwerken verhindert. Dabei betont sie, dass sie die Energiewende grundsätzlich unterstützt. Wie glaubwürdig ist das?
Die Bundeswehr ist da in Zugzwang, wie auch das Militär anderer Nato-Staaten. Das Klima ist ein Thema geworden, zu dem sie sich äußern und verhalten müssen. Dabei wird schon seit Längerem Greenwashing betrieben. Die Bundeswehr hat zum Beispiel schon mehrmals berichtet, dass die Truppenübungsplätze dem Erhalt der Biodiversität dienen. Aber diese Biodiversität gibt es weiterhin nicht wegen, sondern trotz der Bundeswehr, deren Panzer den Boden so plattfahren, dass da erst mal nichts mehr wachsen kann. Bei der Windenergie weist die Bundeswehr dementsprechend auf die Fälle hin, wo sie kooperativ war, und nicht auf die, wo sie Windräder wegen Hubschrauberübungsstrecken oder Radaranlagen verhindert hat. In Wirklichkeit behindert sie den Umstieg auf erneuerbare Energien und treibt die Klimakrise durch Emissionen und Umweltzerstörung an.
Zum einen durch die Emissionen der Großgeräte bei Auslandseinsätzen und Militärübungen, zum anderen durch die Rüstungsproduktion. Für Übungen muss das ganze schwere Gerät ja erst mal transportiert werden, und dann gibt es noch die Gefahr von Unfällen. Eine klassische Gefahr ist scharfe Munition. Sie kann zu Feuern führen, selbst wenn sie erst mal liegenbleibt. Das bekannteste Beispiel dürfte der wochenlange Moorbrand im Emsland von 2018 sein. Damals führte die Bundeswehr trotz Waldbrandgefahr - man durfte nicht im Wald rauchen - eine Luft-Boden-Übung durch und beschoss von einem Hubschrauber aus das Moor. Durch eine Bundestagsanfrage des Abgeordneten Ali Al-Dailami (damals Linke, heute Bündnis Sarah Wagenknecht) kam heraus, dass die Bundeswehr für das Jahr 2022 fast 2.000 von ihr verursachte Brände zählte. Betroffen waren fast sieben Millionen Quadratmeter.
Jein. Die vorliegenden Zahlen enthalten nicht die Emissionen bei Auslandseinsätzen und Auslandsübungen. Die Berichte beziehen sich nur auf Liegenschaften und Mobilität in Deutschland.
Das ist mir nicht bekannt.
Der Leopard 2 braucht mehr als 500 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer im Gelände. Noch energieintensiver sind die Kampfjets. Der Eurofighter liegt bei 3,5 Tonnen Treibstoff pro Flugstunde, der Tornado bei über vier. Der F-35, der jetzt angeschafft werden soll, liegt bei bis zu 8,5 Tonnen.
Woran genau es liegt, weiß ich nicht. Der F-35 kann jedenfalls schneller beschleunigen. In der Rüstungsindustrie fehlt aber auch der Wille zur Nachhaltigkeit. Zum Beispiel wurde 2023 bei der Aktionärsversammlung der Firma Lockheed Martin, die den F-35 herstellt, darüber abgestimmt, ob Energie-Effizienz und der Klimawandel eine größere Rolle spielen sollen. Das wurde mehrheitlich abgelehnt. Gleichzeitig gibt es schon Projekte für mehr Effizienz, wo zum Beispiel die Antriebssysteme sparsamer sind. Das Transportflugzeug Airbus A400M soll nun auch mit einer Beimischung von nachhaltigem Flugbenzin (Sustainable Aviation Fuel) fliegen, das auf verschiedene Weise hergestellt werden kann. Aber der Anteil der Großgeräte, die ihre Emissionen senken, ist klein und vor allem: Es gibt keinen Zwang dazu.
Dazu fehlen Studien. Es gab 2021 eine von der Linksfraktion im EU-Parlament, die grob schätzte, dass der CO2-Fußabdruck des Militärs aller 27 EU-Staaten bei 24,8 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr liegt. Die Datengrundlage für diese Studie war aber sehr dünn, denn es gibt keine Verpflichtung für die Rüstungsindustrie, ihre Emissionen zu dokumentieren. Die Politikwissenschaftsprofessorin Neta Crawford hat mal für die USA Zahlen vorgelegt - die Rüstungsindustrie ist übrigens nicht leicht zu definieren, weil es sogenannte Dual-Use-Güter gibt, die auch für zivile Zwecke eingesetzt werden. Crawford kam für 2017 zu dem Schluss, dass der Energieverbrauch der Industrie viel höher war als der des gesamten US-Militärs.
Eine katastrophale Entwicklung. Im Oktober 2023 veröffentlichte das Transnational Institute in Zusammenarbeit mit Stop Wapenhandel (Niederlande) und Tipping Point North South (Vereinigtes Königreich) die Studie "Climate Crossfire", die von IPPNW Deutschland (Internationale Ärzt:innen zur Verhütung des Atomkriegs) und Centre Delàs (Spanien) mitherausgegeben wurde. Darin geht es um das Ziel der Nato, die Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben, und inwiefern das einen Beitrag zum "Climate Breakdown" leistet, also zum Zusammenbruch des Weltklimas. Damit wird eine Kriegsökonomie etabliert. Der Planet wird so ein Wettrüsten nicht überleben. Es bedeutet auch einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Ausgaben eines Staates, denn das Geld kann dann zum Beispiel nicht für Klimaschutzmaßnahmen ausgegeben werden. Das Zwei-Prozent-Ziel bedeutet eine Verschärfung der Klimakrise, dabei haben wir nicht viel Zeit zu ihrer Lösung.
Welche Vorgaben gibt es denn für die Bundeswehr in Sachen Energie-Einsparung beziehungsweise CO2-Einsparung?Die Bundesregierung will bis 2030 die Klimaneutralität der Bundesverwaltung erreichen. Meiner Ansicht nach ist das unmöglich, wenn wir uns anschauen, was allein im Rahmen des Bundeswehr-Sondervermögens von 100 Milliarden Euro an neuen Kampfsystemen entwickelt werden soll, zum Beispiel das Future Combat Air System. Die Umsetzung würde jahrelang dauern. Solche Großprojekte sind nicht auf Klimaneutralität ausgelegt.
Sie sagt ganz stolz, dass die CO2-Emissionen in den Bereichen Mobilität und Liegenschaften schon reduziert sind. Im Nachhaltigkeitsbericht für 2022 steht, sie habe einen Emissionsrückgang um 35 Prozent seit 2005 geschafft. Nicht dazugesagt wird da, dass die Truppe heute nur 183.000 Menschen umfasst. 2005 waren es über 250.000. Der Rückgang bei den Emissionen hat also prozentual dieselbe Größenordnung wie beim Personal. Die Bundeswehr verweist als weitere Ursachen auf Photovoltaikanlagen in Kasernen, den verstärkten Einsatz von Simulatoren zum Beispiel bei der Pilotenausbildung und fast 600 elektrisch betriebene PKW in ihrem Fuhrpark. Großgeräte können aber nicht elektrisch betrieben werden. Das war mal im Gespräch, aber die Batterien dafür wären viel zu groß und schwer. Ein Akku für einen Panzer würde fast sechs Tonnen wiegen, und mit Ladestationen in Einsatzgebieten ist es auch eher schwierig. Jetzt wird an synthetischen Kraftstoffen geforscht. Das Problem daran ist, dass die mit Strom hergestellt werden. So viel Ökostrom haben wir nicht. Die Bundeswehr sagt zudem selbst, dass die Infrastruktur zum Betanken und damit die Verfügbarkeit eines mit synthetischem Kraftstoff betriebenen Flugzeuges im Einsatz problematisch ist.
Ja. Ich stelle mir da die Frage: Wieviel von diesem Diskurs, "grün" zu werden, den es auch in anderen Nato-Staaten gibt, kann überhaupt ernst gemeint sein? In Veröffentlichungen der Bundeswehr oder ihr nahen Institutionen - wie die Bundesakademie für Sicherheitspolitik - geht es auch darum, dass eine autarke Energieversorgung ein militärischer Vorteil sein kann. Kürzlich hat der Europäische Rat eine Studie namens "Greening the armies" veröffentlicht. In diesem Bericht steht: Wenn sich Gesellschaften wegbewegen von fossilen Energiequellen, dann kann das Militär nicht weiter von Diesel und Gas abhängig bleiben. Die dafür nötige Infrastruktur nur für einen Sektor der Gesellschaft aufrechtzuerhalten wäre sehr teuer oder sogar unmöglich. Das Militär hat also ein militärisches und wirtschaftliches Interesse an Energiewendemaßnahmen. Ich finde aber wichtig zu betonen: Das Militär ist mit das Umweltschädlichste, was es überhaupt geben kann, denn selbst wenn es irgendwann synthetische Kraftstoffe einsetzt - die Flugzeuge transportieren immer noch Waffen, die energieaufwändig hergestellt werden müssen und große Zerstörungen anrichten, und ein Wiederaufbau nach den Zerstörungen braucht ebenfalls viel Energie.
Ja, ich stimme zu. Interessant im Nachhaltigkeitsbericht ist auch, was unter Mobilität abgehandelt wird: E-Autos, Ladeinfrastruktur, Dienstreisen, Dienstfahrräder und Jobtickets. Mich hätte da eher die Mobilität der Großgeräte interessiert, zu denen übrigens auch die Kriegsschiffe gehören. Dasselbe beim Punkt Beschaffung - da denke ich an Waffensysteme. Im Bericht geht es aber um Papier, Elektrogeräte, Möbel, Holzprodukte, Unterkunftstextilien und Bekleidung. Es ist bezeichnend, auf welche kleinen Aspekte da geschaut wird, ohne zu erheben, welche großen Emissionen durch die Bundeswehr verursacht werden. Es gibt sogar eine App, über die sich Bundeswehrangehörige darüber austauschen können, wie sie umweltfreundlicher leben können.
Das überrascht mich, dazu weiß ich nichts. Aber wir haben ja eine große Entwicklung hin zu Aufrüstung und Konfrontation, vor allem mit Russland und China. Ich gehe davon aus, dass seit 2007 kein Geld aus dem Militärhaushalt umgewidmet wurde. In den 2010er-Jahren gab es Ertüchtigungsinitiativen und weitere Auslandseinsätze.
Nicht, dass ich wüsste.
Es gibt einzelne Gruppen, zum Beispiel Fridays for Future Tübingen, die das angesprochen haben, aber es ist nicht weit verbreitet. Extinction Rebellion und Ende Gelände haben mal Veranstaltungen dazu gemacht, aber das waren dann Ortsgruppen, nicht die Bundesebene. Ich bin zuversichtlich, dass das mehr werden wird, denn wer den Systemwandel will, wie zum Beispiel Ende Gelände, muss den Zusammenhang zwischen Kapitalismus, Krieg und Klimakrise erkennen. Klimagerechtigkeit ist nur durch Frieden möglich und umgekehrt.