3 subscriptions and 4 subscribers
Article

Wie Putin unsere Meinung macht

Wer sich im Netz über Wladimir Putin aufregt, bekommt es mit den „Trollen aus Olgino“ zu tun.

Russlands Staatschef beschäftigt 600 "Internet-Trolle", um die öffentliche Meinung zu manipulieren - auch jene in Österreich.

Es ähnelt der Reaktion aufgebrachter Fußballfans, deren Lieblingsverein einfach nicht genug gewürdigt wird. Sobald auf "Spiegel Online" oder "Süddeutsche.de" eine Russland-kritische Meldung veröffentlicht wird, entlädt sich der Ärger der Kreml-Freunde. "Einseitige Berichterstattung" und "Putin-Hetze" wird dem Autor vorgeworfen - und das in zig Postings. Augenscheinlich sind die deutschsprachigen Journalisten Russland-kritischer als die breite Öffentlichkeit. Oder doch nicht? In Umfragen halten rund zwei Drittel der Deutschen wenig bis gar nichts von Wladimir Putins Staatsapparat.

Doch wo kommen die pro-russischen Postings dann her? Offenbar aus Olgino - zumindest einige von ihnen. In dem Vorort von Sankt Petersburg sitzt die "Agentur zur Analyse des Internets". Die primäre Aufgabe der 600 Mitarbeiter ist es, Meinungsmanipulation im Sinne des Kremls zu betreiben. Die Existenz der Firma wurde bereits vor zwei Jahren von der russischen "Nowaja Gaseta" aufgedeckt. Neue Dokumente belegen nun, dass die 600 sogenannten "Internet-Trolle" - auch wenn sie keine Netz-Trolle im eigentlichen Sinn sind - bewusst ausländische Medien "beliefern". US-Portale sind genauso betroffen wie deutschsprachige Medien. Die Tätigkeitsberichte sollen an Wjatscheslaw Wolodin gehen, den stellvertretenden Leiter von Putins Präsidialamt.

An der Echtheit der Dokumente wird kaum gezweifelt. Die PR-Agentur lehnt zwar jeden Kommentar zu den Vorwürfen mit der Begründung ab, die Daten seien auf illegalem Weg veröffentlicht worden. Dass die Dokumente falsch sind, wird aber nicht behauptet. Im Gegenteil: Ein Mitarbeiter bestätigte gegenüber Schweizer Medien die Echtheit.

Die Arbeit der "Trolle von Olgino" ist einfach und effektiv zugleich. Diskussionen auf Nachrichtenportalen und Netzwerken wie Facebook werden penibel analysiert und anschließend durch sorgfältig geplante Postings beeinflusst. Rund eine Million Dollar lässt sich die Firma dies kosten - pro Monat.

Doris Wydra ist von den neuen Enthüllungen wenig überrascht. Die Politikwissenschafterin an der Uni Salzburg hat vier Jahre in Russland gelebt. "Die öffentliche Meinung auf Regierungslinie zu bringen, passt ins Bild." Das Ziel sei, den Kreml-Kritikern aufzeigen, dass sie sich gegen den Strom der freien Massen bewegten. Und die Taktik geht wohl auf: "Würde das Ganze nicht funktionieren, würde man es nicht so breit betreiben."

Die Vorgehensweise sei freilich kein rein russisches Phänomen. "Es passt ins Schema des Propagandakrieges", beschreibt die Politikwissenschafterin. "Es ist ja bekannt, dass der britische Secret Service bewusst Abstimmungen beeinflusst oder der deutsche Bundesnachrichtendienst Daten aus Sozialen Netzwerken sammelt." Zudem müsse man ebenso all jene Informationen hinterfragen, die der Westen über Russland nach außen trägt. Aber: "Dass ein Staatsapparat auch im Ausland Meinungsmanipulation betreibt - und das in diesem Ausmaß -, ist wohl einzigartig."

Doch selbst die 600 Mann starke PR-Maschinerie reicht offenbar nicht, um die öffentliche Meinung vollends zu steuern: Seit 1. August ist das neue russische Internetgesetz in Kraft. Jeder "fragwürdige" Blogger wird von der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor nun dazu aufgefordert, seine Identität preiszugeben und sich zu "registrieren". Erst nach der Anmeldung darf man - unter Umständen - weitermachen. Aber nur wenn man seinen Namen und seine E-Mail-Adresse stets mitveröffentlicht. Und sogar auf Facebook oder Twitter dürfen alle Kritiker, die in das Radar der Behörde getappt sind, nur unter vollem Namen posten. 

Roskomnadsor-Leiter Maksim Ksenzov begründet den Schritt mit der "Identifikation potenziell verdächtiger Blogger und Social-Media-Nutzer". Und er ergänzt: "Wenn du nur Katzenfotos publizierst oder dich korrekt ausdrückst, wirst du diese Aufforderung nie erhalten."

Verfechter der Medienfreiheit haben freilich wenig Freude mit den neuen Auflagen. "Die russische Regierung will jetzt noch die letzten Freiräume für kritische Äußerungen kappen", sagt etwa Rubina Möhring, Präsidentin von "Reporter ohne Grenzen Österreich".

Auch Josef Trappel sieht die Entwicklung kritisch. Der Leiter des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft an der Uni Salzburg ergänzt: "Letzten Endes macht die gesamte Image-PR nichts anderes. Die Öffentlichkeit soll systematisch für eine bestimmte Haltung günstig gestimmt werden." Das Vorgehen Russlands sei ebenso illegitim wie jenes von Automobilkonzernen, wenn sie einen Benzin-Verbrauch vorgaukeln, der nie erreicht werden kann. Freilich reiche aber die Dimension bei politischer Meinungsmache weiter. 

Doch wie kann man dem Problem Herr werden? Laut Trappel ist ein Lösungsweg noch unabhängigerer Journalismus: "Journalisten müssen die uneingeschränkte Möglichkeit haben, den Sachverhalten auf den Grund zu gehen." Je schlechter der Journalismus sei, desto einfacher sei die Einflussnahme von Unternehmen oder Politik auf die öffentliche Meinung. "Wir brauchen keine Kontrollstellen - der Journalismus muss entsprechend gestärkt werden", sagt Trappel. Das gelte freilich ebenso für Österreich: "Wenn wir irgendwann nur noch ,Journalismus light' haben, also Medien ohne Ressourcen, dann wird es gefährlich."

Original