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Veranstaltungsbericht: Indonesien 1965

Rechtsanwalt Albert Klütsch, der die zweistündige Veranstaltung moderierte, begrüßte die über 60 Besucher:innen und die vier Gäste auf dem Podium: Vincent Bevins (Autor „die Jakarta Methode"), Sri Tunruang (Mitbegründerin des International People's Tribunal 1965), Rainer Werning (Politikwissenschaftler mit den Schwerpunkten Südost- und Ostasien) und Glenn Jäger (Übersetzer für PapyRossa Verlag).

Das vor drei Jahren im Original erschienene Buch „Die Jakarta Methode - Wie ein mörderisches Programm Washingtons unsere Welt bis heute prägt" von Vincent Bevins ist mittlerweile in zwölf Sprachen übersetzt. Das Buch besteche durch eine intensive Recherche und der Autor verstehe vortrefflich, alle Zusammenhänge klar zu verdeutlichen, so Glenn Jäger, der Übersetzer der deutschen Fassung. Das und die besonders große Anzahl an positiven Pressestimmen im internationalen Raum habe den Verlag PapyRossa überzeugt, das Buch in ihr Programm mitaufzunehmen. Zur näheren Einführung in die Thematik Indonesien 1965 las er aus der Einleitung des Buches vor.

Hintergründe des Militärputsches 1965

Während seiner journalistischen Tätigkeit für die Washington Post in Jakarta, so Vincent Bevins, sei er auf die nicht aufgearbeitete blutige Vergangenheit Indonesiens, die unterschwellig in der Gesellschaft verankert und beherrschend sei, aufmerksam geworden. Das war ihm die Motivation, die Hintergründe zu diesem Staatsstreich für die Welt ans Licht zu bringen. Sein großer Dank geht an alle indonesischen Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen, die mit ihrer Aufarbeitungsarbeit das Fundament für seine Recherche gelegt hatten. Daneben konnte er viel Informationsmaterial aus Interviews mit damalig involvierten Akteur:innen und vor allem mit Überlebenden gewinnen. Neben Augenzeugenberichten erlangte er auch viele Informationen durch Archivmaterial und freigegebene Dokumente, in denen klar aufgeführt wurde welche Person für welche Tat verantwortlich war.

Auf der Bandung Konferenz 1955, der 1. afro-asiatischen Konferenz, erklärte die Republik Indonesien gemeinsam mit Vertretern von ehemaligen oder nach Unabhängigkeit strebenden Kolonien und Ländern einen eigenen Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus gehen zu wollen. Die Position Indonesiens als vierte Weltmacht nach dem zweiten Weltkrieg war den USA sichtlich ein Dorn im Auge, sodass Washington alsbald anfing das indonesische Militär intensiv zu unterstützen. Insbesondere die Stärke der unbewaffneten Kommunistischen Partei Indonesiens (PKI) missfiel den hegemonialen Plänen der Vereinigten Staaten. Es war daher aus ihrer Sicht sicherzustellen, dass Indonesien antikommunistisch genug war, um an der US-geführten globalen Weltordnung teilzuhaben. Hierzu vollzog die CIA ab Mitte der 1950er Jahre mehrere fehlgeschlagene Operationen, erläutert Bevins. Mithilfe der Unterstützung für einen Militärputsch gelang es ihnen 1965 die antikoloniale Politik Sukarnos zu stoppen und das Land auf einen prowestlichen Kurs zu führen. Bevins macht das Ausmaß der Gewalt deutlich, mit der der Kalte Krieg im globalen Süden geführt wurde. In Indonesien kam es zu Massakern mit etwa 1,5 Millionen Toten. Folglich konnte die größte kommunistische Partei neben der UdSSR und China beseitigt werden. Die Übernahme des Präsidentschaftsamtes geschah durch General Suharto, welcher Indonesien von 1967 bis 1998 diktatorisch regierte.

Das Volkstribunal 2015 zur Aufarbeitung der Massenmorde

Sri Tunruang wusste zu berichten, dass die Aufarbeitung der Geschehnisse in Indonesien bis heute sehr schwierig sei: Noch immer werden sie als gesellschaftliches Tabu gesehen. Selbst im Geschichtsunterricht in indonesischen Schulen wird dieser Teil der Vergangenheit nicht umfänglich gelehrt. Das International People's Tribunal 1965, dessen Mitbegründerin Sri Tunruang ist, arbeitet dagegen an: es schafft international Aufmerksamkeit, befördert Wahrheitsfindung und gibt den Opfern Anerkennung. Zivilgesellschaftlich besteht auch Interesse zur Aufarbeitung der Ereignisse ab 1965 in Form von Versöhnungsinitiativen.

Im August 2022 verkündete Präsident Widodo die begangenen Menschenrechtsverletzungen in Indonesien aufarbeiten zu wollen und setzte eine Untersuchungskommission ein. Nach dem Vorliegen der Ergebnisse beteuerte Widodo am 7. Januar 2023 erstmals sein Bedauern über die Massenmorde und erkannte die immensen Menschenrechtsverletzungen offiziell an. Daneben erläuterte er, dass eine außergerichtliche Lösung gefunden werden wird. Damit werde auf vier der fünf wesentlich Fragen, auf wer?, was?, wen? und wo? Antworten gegeben, aber nicht auf die Frage nach dem warum? Die gesuchte Antwort lasse sich, so Sri Tunruang, im Buch „Die Jakarta Methode" finden.

Die Rolle der BRD und ihre Unterstützung des indonesischen Militärs

Rainer Werning beleuchtete näher die Rolle der Bundesrepublik Deutschlands beim Putsch 1965 und ging ausführlich auf die Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes ein. Die Fraktion der Linken im Bundestag stellte erstmals 2014 und erneut in 2022 Anfragen zur genaueren Erläuterung der Funktion der BRD bezüglich der Massenmorde in Indonesien. Eine direkte und indirekte Involvierung hierzu bestünde nicht, so die Antwort der Bundesregierung. Diese Stellungnahme stehe im starken Widerspruch mit freigegeben Dokumenten, so Werning, welche klar Waffenlieferungen, die Ausbildung von indonesischen Soldaten im deutschen Militär, sowie der Involvierung des Vorgängers des BND darlegen. Auf die Fragen ob die BRD die Opfer wegen der Tolerierung von Menschenrechtsverletzungen öffentlich um Verzeihung bitten wird und ob aufgrund der dokumentierten Unterstützung Reparationszahlungen getätigt werden, erwiderte die Bundesregierung die der Frage zugrundeliegenden Hypothesen nicht zu teilen und lediglich finanzielle Unterstützung Mitte der 1960er Jahren vollbracht zu haben.

„Jakarta Methode" als Vorlage für Lateinamerika

Untermauert mit neu veröffentlichten Dokumenten und zahlreichen Zeitzeugen-­Interviews, zeigt Bevins auf: Mit der Chiffre "Jakarta" diente Indonesien 1965 als Blaupause für weitere US-gestützte Staatsstreiche. Wie in südamerikanischen Ländern beispielsweise in Brasilien (1964), Chile (1973) und Argentinien (1976). Insgesamt geht er von einer Nachahmung in ca. 23 Ländern aus. Das zugrundliegende System der Methode sei die vollständige Destruktion von Alternativen zum „American way of life" und die Deformation sozialer Bewegungen mithilfe von brachialer Gewalt gewesen. Dieses offensichtliche Muster der Interventionen führte zum Sieg der USA und somit auch zur Errichtung des globalen Wirtschaftssystems wie wir es heute kennen.

Der einzige Unterschied zwischen den Massenmorden gegen das linke Spektrum in Indonesien und Lateinamerika sei, dass in letzterem die Aufarbeitung der Geschichte etwa in Form von Wahrheitskommissionen inzwischen stattfand. Auch würden die Schuldigen benannt und bis heute als solche behandelt.

Gegen Ende der Veranstaltung bestand für die über 60 Besucher:innen die Möglichkeit ihre eigene Meinung zu äußern und/oder den Referent:innen spezifische Fragen bezüglich der Situation 1965 in Indonesien zu stellen.

Text: Theresa Hirsch

„Indonesien 1965 Muster eines prowestlichen Militärputsches" fand am 15. März 2023 statt.

Eine gemeinsame Veranstaltung von Stiftung Asienhaus, Deutsch-Indonesischen Gesellschaft Köln e.V. und dem PapyRossa Verlag

Kategorien Indonesien | Timor-Leste | Stiftung Asienhaus | Menschenrechte | Frieden & Konflikt | Politische Systeme | Zivilgesellschaft

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