Es war einer dieser Tage, an denen man aus einer Laune heraus ohne Ziel in den Buchladen hineinlief. In der Zeitschriftenabteilung fiel ein Cover besonders auf: Es war die Paris Review of Books, die dieses Mal nicht wegen der phantastischen Autoren-Interviews in die Handtasche wandern sollte, sondern schlichtweg wegen der Hülle. Die war leuchtend rosa mit einer floralen Abbildung, die ein bisschen an eine amorphe Gießkanne erinnerte. Es war eine Vase der Künstlerin Francesca DiMattio, der in dieser Ausgabe ein ganzes Bild-Editorial samt Lobrede gewidmet wurde und die die Renaissance des altehrwürdigen Gefäßes kaum besser auf den Punkt hätte bringen können. Die Vase war das gefeierte Cover-Girl.
Fast mehr noch als Bilder und Schriften waren schließlich Vasen stets das Abbild ihrer Zeit und gelten nicht umsonst als wichtiges archäologisches Artefakt oft als Symbolbild ihrer Ära, ob sinnbildlich für Perioden des antiken Griechenlands, chinesische Dynastien oder europäische Epochen. In Europa befeuerte die Sehnsucht nach chinesischen Vasen nicht nur die Entdeckung europäischen Porzellans, sondern ließ gar August den Starken 600 Soldaten für 150 chinesische Vasen - seitdem nach dem Regiment Dragonervasen benannt - eintauschen. Jede kunsthandwerkliche Materialinnovation wandelte auch die Vasenmode, ob in böhmischem Kristall, Tiffany's oder den verschiedenen Techniken aus Murano, Gallé oder Lalique.
Auch jetzt zeigen die Vasen wieder den Wandel im Wohnen. Fand man in den letzten Jahrzehnten - abgesehen von der ein oder anderen Rosenthal-Edition - bestenfalls bunte Glaszylinder in deutschen Kaufhäusern, so explodiert die Auswahl an Formen und Farben derzeit geradezu. Wenn die achtziger und neunziger Jahre die gleichmachende Kommerzialisierung in Vasenform waren, dann ist die Jetztzeit vielleicht die ersehnte Re-Individualisierung.
Als der Künstler Anselm Reyle vor einigen Jahren nach einer Pause wieder auf den Kunstmarkt zurückkehrte, machte er erst mal Vasen. Luxus-Designer wie Bocci haben Vasen lanciert, und aufstrebende Floristen und Produktdesigner kollaborieren immer häufiger für Sondereditionen miteinander, wie etwa Fundamental Berlin und Marsano oder Anatomie Fleur und Katharina Ruhm. Selbst Traditionshäuser wie Bitossi Ceramiche oder Porzellanmanufakturen wie KPM setzen wieder ein Augenmerk auf das Dekorationsobjekt. Und selbst im mittelpreisigen Segment, wie bei Iittala und Muuto, und bei Discountern wie H&M und Zara wächst das Sortiment stetig. Selbst wer kein besonderes Geschick beim Blumenstecken besitzt, kann mit der richtigen Vase auch aus einem billigen Blumenstrauß aus dem Supermarkt einiges herausholen. Oder sogar ohne Blumen.