Herr Boateng, neben dem Fußball haben Sie immer wieder Exkurse in die Mode gemacht: Sie sind bei Jay-Zs Roc Nation Sports unter Vertrag, haben unter JB by Jérôme Boateng Brillenkollektionen entworfen, haben kürzlich in Zusammenarbeit mit Zalando und dem Magazin 032c ihre Capsule Collection „BOA17" herausgebracht und im nächsten Jahr gibt es eine Kollektion mit dem H&M-Ableger Nyden. Wie spielen Sport und Mode für Sie zusammen?
Für mich steht der Sport immer an erster Stelle, das ist meine Leidenschaft und mein Beruf. Die Mode ist dazugekommen, und Mode und Sport kann man sehr gut verbinden. Ich hatte Glück, dass ich diese beiden Interessen verbinden durfte, erst mit der Brillenkollektion und dann mit Zalando und 032c. Ich glaube es ist wichtig, dass Mode eine Message mitbringt, und für die Kollektion habe ich persönliche Elemente mit reingebracht. Das Hemd ist von Kleidungsstücken inspiriert, die ich trage, der Pitbull ist mein Hund Ivory und "Per aspera ad astra" („Durch Mühsal gelangt man zu den Sternen") ist auch persönlich ein Leitspruch für mich.
Neben den Modekollektionen erscheint mit „BOA" bald ihr eigenes Magazin. Was darf man darin erwarten?
Es ist eine Mischung aus Sport, Stil und Themen, die mich grundsätzlich interessieren. Neben dem Sport und der Mode sind es zum Beispiel Musik, Reisen und Geschichte. Außerdem passiert zurzeit viel in der Politik. Was in Deutschland passiert beschäftigt mich sehr. Und wie man an den Vorfällen wie Chemnitz und Köthen sieht, passiert momentan sehr viel in Deutschland.
Was löst das in Ihnen aus?
Ich finde, Deutschland hat sich in Fragen der Integration lange in die richtige Richtung bewegt und ist offener und toleranter geworden. Wie man aber gerade sieht, sind wir dabei einen Schritt zurück zu machen. Die aktuellen Entwicklungen sind extrem erschreckend. Es gibt viele Menschen, die durch die aktuelle Lage verunsichert sind und anfangen in Schubladen zu denken, was schwierig ist. Man muss aufstehen, besser kommunizieren und zusammenhalten, um die Entwicklungen in diesem Land wieder in die richtige Richtung zu lenken. Die aktuelle Situation bringt mich dazu, mehr für ein respektvolles Miteinander machen zu wollen, aber man muss dabei genau darüber nachdenken, was sinnvoll und effizient ist.
Welche Verantwortung haben Sie dabei als Sportler, der in der Öffentlichkeit steht?
Als Sportler habe ich eine sehr große Verantwortung, weil ich durch öffentliche Auftritte und soziale Medien viele Menschen erreichen und über mein Leben und meine Erfahrungen reden kann. Ich habe eine Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche, erreiche aber auch Erwachsene. Wichtig ist, zu zeigen, wie gutes Miteinander gehen kann, und ich glaube, dass ich ein gutes Beispiel dafür bin. Die Nationalmannschaft wäre ohne ihre Spieler mit afrikanischem, polnischem oder türkischem Hintergrund nicht das, was sie heute ist. Und bei der Weltmeisterschaft 2014 hat man gesehen, dass es eben sehr gut klappen kann.
Nichtsdestotrotz sind gerade die Themen Rassismus und Integration durch die Kontroverse um Mesut Özil bei dieser WM kontrovers diskutiert worden.
Ich glaube, in diesem Fall ist die Kommunikation sehr unglücklich gelaufen. Während der WM haben wir das Thema intern besprochen, und der ein oder andere Spieler hat sich auch öffentlich geäußert. Die Stimmung war natürlich beeinträchtigt und das war für Mesut Özil und Ilkay Gündogan komisch. Man hätte besser mit dem Thema umgehen können, viel offener. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Jeder macht Fehler, das gehört zum Leben dazu. Aber jetzt ist es Zeit, dass Thema abzuhaken, nach vorne zu schauen und es in Zukunft besser zu machen.
Sport gilt nach wie vor als Mittel zur Integration, das auch Sie in ihrem sozialen Engagement immer wieder angesprochen haben. Wie funktioniert das für sie?
Es ist gerade für jemanden, der vielleicht sprachlich vielleicht nicht so gut ist oder aus einem anderen sozialen oder kulturellen Umfeld kommt eine tolle Möglichkeit in einem Team zu spielen. Vor allem, wenn das Team sagt: Komm, mach mit! Die Erfahrung habe ich selbst gemacht, aber auch viele Freunde mit Migrationshintergrund. Für Jugendliche, die nicht genau wissen, wohin sie wollen, vielleicht zu Hause Probleme haben, vielleicht mit der eigenen oder der deutschen Kultur nicht richtig klarkommen, ist das ein guter Weg auf eine spielerische Art zusammenzukommen. Wichtig ist, Kindern zu zeigen, was möglich ist und was sie erreichen können. In München und in Berlin besuche ich Schulen und arbeite mit Kindern. In meiner Heimatstadt Berlin würde ich gerne etwas für Jugendliche aufbauen, wo ihnen mit der Schule und über den Sport geholfen wird, wo sie Zeit verbringen können, damit sie von der Straße ferngehalten werden. Demnächst werde ich nach Ghana reisen und mit meinem Vater und meiner Schwester verschiedene Orte besuchen und schauen, wie man sich dort engagieren kann.
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