Autor: Philip Buchen
Als ich mein Coming-out hatte, musste meine Mutter heulen. ,,Was soll bloß aus dir werden? So einen stellt doch keiner ein?'', schniefte sie, als ich ihr erzählte, dass ich Philosophie studieren will. Mein Vater hingegen war stolz: ,,Ich hab schon immer gewusst, dass du philosophisch veranlagt bist. Allein schon, wie du immer deinen Philosophie-Lehrer angehimmelt hast. Komm schon, Schatz, wenigstens ist der Junge nicht schwul.''Morgen ist Tag der Philosophie - ein Tag zum Feiern, aber auch zum Nachdenken. Seit 2005 wird am dritten Donnerstag im November der Tag der Philosophie gefeiert. Damals beschloss die UNESCO-Generalkonferenz in ihrer Resolution 33C/Res. 37, dass der Welttag „der Philosophie zu größerer Anerkennung verhelfen und ihr und der philosophischen Lehre Auftrieb verleihen" soll. Seit 2009 sind mehr als 100 Mitgliedsländer diesem Aufruf gefolgt. Und jedes Jahr werden es mehr. Seit 5 Jahren ist auch Deutschland dabei. Eine Liste der Veranstaltungen, die am 21. November deutschlandweit stattfinden, findet Ihr über den Link am Ende der Seite.
Als Philosophie-Student im dritten Semester bin ich vielleicht nicht der perfekte Anwärter um den Tag der Philosophie zu feiern - ich lerne ja noch. In einer Zeit, in der jeder Studiengang danach bewertet wird, welche Karriere-Möglichkeiten er anzubieten hat, ist es schön zu sehen, dass ein Fach wie Philosophie immer noch so beliebt ist.
Aber ist das Philosophie-Studium ein ,,dead end''? Ein Studium für Leute, die sonst nix können außer Labern? Die University of Windsor hat eine wunderbare Liste mit berühmten ehemaligen Philosophie-Studenten angefertigt!
Wenn man etwas aus so einer Liste, die als Argument sicherlich nur ein wenig überzeugend ist (schließlich gibt es keine Liste mit all den erfolglosen Philosophen), lernen kann, dann das: Das Philosophie-Studium ist ein Einstieg, kein Abschluss. Jeder, der sich mit Philosophie auseinandersetzt (und das kann natürlich auch privat erfolgen - Philosophie-Studenten haben wirklich nicht die Weisheit mit den Löffeln gefressen), lernt etwas über sein Leben. Man lernt eigenständig zu denken, man beschäftigt sich mit neuen Problemen, von denen man vorher vielleicht noch nicht mal wusste, dass sie existieren. Und dieser Prozess der geistigen Schärfung, der mit jeder Buchlektüre an Form gewinnt, bildet einen so fruchtbaren Boden auf dem kreative und unkreative Menschen ihr ganzes Potential ausfüllen können.
Ich hab mich in meinen Semestern an der Uni Bonn schon so mit vielen Studenten unterhalten und ich habe kein Studienfach entdecken können, das aus vielfältigeren Gründen gewählt als die Philosophie. Manche studieren es, weil sie Gott abgelehnt haben und eine neue moralische Richtschnur suchen. Andere weil sie Platon, Aristoteles und Co. auf der Schulbank verschlungen haben und sich einfach nichts Schöneres vorstellen können, als sich intensiv nur mit ihnen zu beschäftigen. Wieder andere (so wie ich) studieren Philosophie, weil sie noch nicht ganz genau wissen, was sie mit ihrem Leben anstellen wollen. Aber auch diese Gruppe kennt den Wert der Philosophie. Ich würde die Philosophie nicht studieren, wenn nicht genau wüsste, wie sehr ihr Reichtum mich bereichern kann und auch schon hat.
Philosophieren macht einfach Spaß. Es liegt sogar ein wenig im Trend. In diesem Jahr gab es zum ersten Mal eine große Messe zum Thema. Die phil.COLOGNE (eine Schwester der lit.COLOGNE) hat mit 83 Prozent Auslastung bei der Messe-Premiere alle Erwartungen übertroffen, und wird ganz sicher fortgesetzt. Philosophische Bücher von Precht, Gabriel und Nagel sind Bestseller (lassen wir mal Außen vor, was Precht qualitativ tatsächlich geschrieben, wenigstens ist er beliebt).
Aber wie steigt man ein ins Philosophieren? Kaum eine Wissenschaft hat in den letzten 3000 Jahre so viele Werke produziert. Wie wählt man den richtigen Einstieg? Mein Tipp: ,,Sofies Welt'' von Jostein Garder. Ich war dreizehn und lag krank im Bett, als ich ,,Sofies Welt'' zum ersten Mal verschlang. Worum geht's? Sofie ist ein junges Mädchen, das im Sommer seinen 15. Geburtstag feiert und aus heiterem Himmel merkwürdige Briefe erhält, mit so komischen Fragen wie zum Beispiel: "Wer bist du?", "Woher kommt die Welt?" oder "Gibt es ein Leben nach dem Leben?".
Aber es kommen auch Briefe an ein anderes Mädchen namens Hilde, das bei Sofie wohnen soll. Sofie macht sich auf, Hilde zu suchen und begegnet dabei Alberto Knox, der ihr einen Philosophiekurs anbietet. Dabei lernt Sofie in kürzester Zeit mehr, als in einem Jahr an der Schule. ,,Sofies Welt'' ist leicht geschrieben, so intelligent wie ein Jugendbuch nur sein kann, und einfach ein Riesenspaß. Ich hatte die Wahl ,,Fifa'' auf der Playstation zu spielen, oder ,,Sofies Welt'' zu lesen. Ich hab mich für Sofie entschieden.
Und bin der Philosophie bis heute treu geblieben.
Veranstaltungen am Tag der Philosophie findet ihr hier.
Foto: lichtkunst.73 / pixelio.de