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"Hart aber fair" zu Trump und Midterms: "Pufferregelungen im Gehirn"

Unter dem Motto "Land spalten, Macht retten?" ließ Frank Plasberg über den Aggro-Wahlkampf Donald Trumps diskutieren - und landete am Ende doch bei der deutschen Kriminalstatistik. Von Peter Luley


Waren alle denkbaren Vertreter von SPD, FDP, Grünen und Linken verhindert? Jedenfalls kam die " Hart aber fair"-Runde am Montagabend ohne diesen Teil des politischen Spektrums aus. Um über die US-Zwischenwahlen zu diskutieren, hatte Moderator Frank Plasberg den CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Beyer, den AfD-Spitzenmann Georg Pazderski, den Schauspieler Walter Sittler, die Sprachforscherin Elisabeth Wehling und Ralph Freund, den Vizepräsidenten des Vereins Republicans Overseas Germany, eingeladen. Das führte zu einer milden Beurteilung des polarisierenden US-Präsidenten, kuriosen Wendungen - und denkwürdigen kognitionswissenschaftlichen Interpretationen.


Die Provokation zum Einstieg: Man könne Donald Trump ja nicht vorwerfen, dass er nur ein Maulheld sei, sagte Plasberg zu Beginn, er setze früher oder später um, was er angekündigt habe. Den Beleg dafür, dass Trump ein Mann sei, "der geliefert hat", sollte dann ein Einspielfilm liefern: Der führte die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, Strafzölle gegen China, die Kündigung des Atomabkommens mit Iran, den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und die niedrige Arbeitslosenquote als Erfolge und gehaltene Versprechen des US-Präsidenten an.

Gegenpositionen ohne Chance: Den dezenten Einwand Walter Sittlers, es gehe jobmäßig doch schon länger aufwärts und Trump schmücke sich mit "fremden Federn", wies AfD-Mann Pazderski ab: Es gebe ein einseitiges Trump-Bild in der deutschen Presse, man müsse da differenzieren. Republikaner-Fan Ralph Freund ergänzte: Teile der USA sähen aus wie die DDR, dort herrsche Agonie. Nicht Trump habe die Spaltung der Gesellschaft betrieben, vielmehr gebe er den Liegengebliebenen und Vergessenen eine Stimme. Immerhin merkte Sprachforscherin Wehling noch an, dass Millionen Amerikaner wegen Trump ihre Gesundheitsversorgung verloren hätten und dass es ein Mythos sei, dass er sich programmatisch um den "kleinen Mann" kümmere. Und Beyer platzierte zahm den Hinweis, dass der Trump'sche Protektionismus in der Wirtschaftspolitik langfristig auch Schäden verursachen könne. Aber solche Positionen waren unterrepräsentiert.

Video zu den Midterm-Wahlen: So tickt Amerika vor der Wahl

Die verunglückten Fremdwörter des Abends: Auf Plasbergs Frage, was der Preis des erbittert geführten Midterm-Wahlkampfs sei, antwortete Linguistin Wehling, dieser sei ja praktisch eine Fortsetzung des Präsidentschaftswahlkampf gewesen: "Die Narrativen (sic), die gefahren werden, sind relativ konsistent geblieben." Nicht nur hier musste der Moderator in Sachen Allgemeinverständlichkeit einhaken - auch der "Diskurs", von Wehling konsequent wie "Disskurs" ausgesprochen, schlich sich so oft in die Diskussion, dass Plasberg irgendwann verzweifelt ausrief: "Noch einmal Diskurs, und es kommen fünf Euro ins Phrasenschwein." CDU-Mann Beyer wiederum bereicherte die Runde mit dem Fachterminus "fachtermisch".

Leichte Kontroverse zwischen AfD und CDU: Bei dem Punkt, inwieweit Trump mitverantwortlich sei für ein vergiftetes gesellschaftliches Klima, in dem Menschen Paketbomben an seine Kritiker schicken, ergab sich nicht nur eine bemerkenswerte Positionierung des AfD-Sprechers Pazderski ("Das wäre, wie Merkel für die Messertoten verantwortlich zu machen"). In seinem Bemühen, Trump zu verteidigen ("Er spricht die Sprache des kleinen Mannes und er hat geliefert"), führte der Oberst a. D. es als dessen Erfolg an, dass die Europäer nun endlich über höhere Verteidigungsausgaben nachdächten. Da wollte Transatlantik-Koordinator Beyer nicht mitgehen: Schon auf dem Nato-Gipfel 2014 in Wales seien hierfür die Weichen gestellt worden. Schließlich beendete Plasberg die Kontroverse: "Ich bin Obergefreiter der Reserve und Sie kriegen jetzt einen auf den Deckel, Sie beide."

Die kognitionswissenschaftliche Interpretation: Forscherin Wehling hatte zu der Frage, inwieweit gewalttätige Sprache auch zu physischer Gewalt führen kann, noch etwas anderes beizutragen. In ihrem längsten Referat des Abends leitete sie her, dass aggressive Sprache vom Gehirn genauso verarbeitet werde wie physische Aggression: "Dann leuchtet in einem emotionalen Bereich, der Amygdala, der Bereich auf, der dafür zuständig ist, sich physisch zu wehren." Es sei dann von Mensch zu Mensch unterschiedlich, "was für gute Pufferregelungen sie im Gehirn haben", ob sie also nur verbal zurückschlügen oder körperlich. So interessant einige ihrer Ausführungen waren, so eigenwillig muteten gelegentlich ihre Schlussfolgerungen an. So erklärte sie die einfache, "viertklässlerhafte" (Plasberg) Sprache Donald Trumps damit, dass dieser wohl "bewandert in der Neuro- und Sprachforschung" sei.

Die Rückschlüsse auf Deutschland: Über das von Trump auch in diesem Wahlkampf gern provozierend eingesetzte Thema Migration kam die Runde schließlich auf die deutsche Flüchtlingspolitik. Nach Einblendung eines Trump-Tweets, der behauptete, die Kriminalität in Deutschland steige, wurde zwar dankenswerterweise die Kriminalstatistik hinzugezogen: Derzufolge ist die Zahl der Straftaten in Deutschland 2017 um fast zehn Prozent zurückgegangen, wenn auch bei Gewaltkriminalität nur in geringerem Maße. Das hinderte AfD-Sprecher Pazderski nicht daran, im Anschluss zu behaupten, alles sei "schlimmer geworden", der Wähler werde "hinter die Fichte geführt", es gebe ein "Dunkelfeld". Hier hätte man sicher noch weiter über Fake News debattieren können - dann aber bitte nicht nur mit Walter Sittler als Gegenpart zu CDU und AfD.


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