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Mehr Humor wagen

Matthias Brandt ist ein brillanter Schauspieler und ein entspannter Sohn, der kein Problem damit hat, an der Legende seines Vaters Willy zu kratzen - sagt er. Nun wirkt er im Dokumentarfilm „Schattenväter“ mit - gemeinsam mit Pierre Boom, dem Sohn des DDR-Spions Guillaume, über den Willy Brandt 1974 gestürzt war.



Es schien ein schlechter PR-Gag zu sein. Matthias Brandt, der jüngste Sohn von Willy Brandt, spielte in Oliver Storz' Film „Im Schatten der Macht“ vor zwei Jahren ausgerechnet die Rolle des DDR-Spions Günter Guillaume, über den sein Vater gestürzt war. Alte Willy-Weggefährten sahen durch den Abgesang auf die Ära des Friedensnobelpreisträgers dessen Andenken bedroht, und auch sonst wurde der irrwitzige Besetzungscoup zurückhaltend aufgenommen.

Erst allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, daß der Schauspieler seine Sache nicht schlecht gemacht hatte. Und daß seine autobiographische Verflechtung dem Stück nicht geschadet, sondern ihm eine zusätzliche Dimension verliehen hatte.



Viel Geld für „Komische-Sätze-Sagen“

So wurde die spektakuläre Rolle doch noch zum Coming-out des (Fernseh-)Filmdarstellers Matthias Brandt, der zuvor fünfzehn Jahre lang feste Engagements an Theaterbühnen hatte. Zuvor hatte der 44 Jahre alte Vater einer kleinen Tochter, der die Guillaume-Idee selbst entwickelte, nur sporadisch für kleine Rollen vor der Kamera gestanden.


Zwei Shne zwei Schicksale
Zwei Söhne, zwei Schicksale Bild: dpa

„Bis dahin habe ich das Filmen nie wirklich als Alternative wahrgenommen. Man ist da hingegangen und war fasziniert davon, daß man für zwei Tage Komische-Sätze-Sagen soviel Geld kriegt wie für einen Monat Theaterspielen, aber ich habe für mich lange nicht gesehen, daß ich da in der Art arbeiten könnte, wie ich es heute tue.“


Gut getarnte Ambition

Die Liste der Filme, die Brandt seither gedreht hat, ist imposant. Sie umfaßt so unterschiedliche Werke wie das Stasi-Drama „Der Stich des Skorpion“, die Liebeskomödie „Mr. und Mrs. Right“, in der er als trotteliger Kumpeltyp Maria Furtwängler erobert, und die preisgekrönte Sozialstudie „In Sachen Kaminski“ mit Juliane Köhler. Die „taz“ feierte ihn schon als „zur Zeit besten deutschen TV-Darsteller“ - ein Urteil, mit dem sein Bekanntheitsgrad noch nicht Schritt hält. Dabei macht er keineswegs nur engagierte Nischenfilme, sondern durchaus Unterhaltungsstücke; sein geringer Starfaktor dürfte eher mit seinem Faible für unscheinbare, zerrissene Charaktere zu tun haben, denen er ein Geheimnis erhält.

Das Potential zum emotionalen Ausbruch legt Brandt in seinen Figuren genauso an wie die Möglichkeit zum Kompromiß, Ernsthaftigkeit genauso wie unvermutete Komik. Das verleiht seinen Rollen Echtheit und läßt den Schauspieler hinter sie zurücktreten. Er selbst verweist nur mit bescheidenem Stolz auf die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Stephan Wagner, Torsten C. Fischer und eben Storz: „Wenn Leute gerne wiederholt mit einem arbeiten, heißt das ja, daß das nicht so verkehrt ist, was man macht, zumindest für die.“

Verständlich, daß er angesichts solch gut getarnter Ambition den Wunsch hat, nicht mehr über seine Herkunft, sondern über seine Arbeit zu sprechen. Um so ungeschickter wirkt es, daß er sich entschloß, an dem Dokumentarfilm-Experiment „Schattenväter“ mitzuwirken. Dessen Autorin Doris Metz stellt die Biographien Matthias Brandts und des Guillaume-Sohnes Pierre Boom nebeneinander und behauptet so eine Verbundenheit, die nicht existiert hat.


„Das ist ja kein Reklamefilm für mich“

Während Brandt nach eigenem Bekunden die Hoffnung hatte, in den zugrundeliegenden neuntägigen Interviewsitzungen abschließend noch einmal „alles gesagt zu haben, was ich zu dem Thema heute zu sagen habe“, provoziert der mit erdenschwerer Musik unterlegte Film neue Fragen: Setzt der Sohn seine Herkunft nicht doch zur Eigenwerbung ein? Da widerspricht Brandt energisch: „Das ist ja kein Reklamefilm für mich.“ Er sei eben gefragt worden, und das Konzept der Regisseurin sei ihm in der Theorie „relativ schlüssig“ erschienen.

Daß die Prämisse konstruiert sei, habe er auch eingewendet: „Wird da nicht anhand der Söhne etwas verhandelt, das man eigentlich mit den Vätern hätte verhandeln müssen? So 'ne Stellvertretergeschichte.“ Er habe sich letztlich aber zurückgenommen, weil er ja nicht Macher des Films, sondern sein Gegenstand sei. Und die Begegnung mit Guillaume jr.? „Das war insofern unspektakulär, als wir kein Problem miteinander haben. Worin sollte das liegen? Es war so, wie das eben ist, wenn sich zwei einander fremde Menschen ohne Arg begegnen“, sagt er lachend. Brandt besitzt die Fähigkeit, sich deutlich auszudrücken, ohne anderen auf die Füße zu treten oder viel von sich selbst preiszugeben. Im übrigen sagt er: „Mein Leben ist eigentlich gar nicht so traurig wie das von dem komischen Mann in dem Film.“



© Bild: Arte