Facebook ist vorbei, das Netzwerk der Eltern, out, out, out!
Nicht mal diese Feststellung ist noch neu. Wer seinen Kommentar zur Weltlage in 280 Zeichen unterbringen kann, tut das auf Twitter. Das Mittagessen, den Hund oder die neuen Converse One Star/ Puma Thunder Spectra/ Nike M2K Tekno - bezahlte Partnerschaft - zeigt man lieber auf Instagram.
Facebook erinnert ein bisschen an die Tanzfläche nach einer Party, die Leute sind weg, das ein oder andere schmutzige Überbleibsel noch da. Die peinlichen Fotos und Statusmeldungen aus der 6. Klasse wird auch die DSGVO nicht so bald verschwinden lassen und noch etwas ist geblieben und darum soll es hier gehen:
die Gruppen. Ein bisschen wie bei Schüler VZ, auch da wollte man die mühsam ausgewählten „Ich bin keine Gruppe, ich putze hier nur"s und „Niveau ist keine Creme"s nicht verlassen. Zum Glück sind die Zeiten von „Warum trägst du einen BH? Wenn man keine Füße hat, trägt man doch auch keine Schuhe" vorüber. Die große Ära der Sneaker aber hält noch an und als Begleiterscheinung ihrer und Reaktion auf tägliche Releases, geheime Launches, immer limitiertere Editionen, kürzere Kollektionszyklen und den allgemeinen Streetwear Hype hat sich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Facebook Gruppen gebildet, in denen vorrangig Fashion diskutiert, gezeigt und gehandelt wird.
Ausgehend von großen Foren wie The Basement, Sneakerholics Germany oder Verband Botanischer Gärten, hat sich ein mittlerweile unüberschaubares Netzwerk von landes- und markenspezifischen Gruppen, wie zum Beispiel Supreme DE, Balenciaga Talk Worldwide, Gosha Rubchinskiy Talk UK/EU gebildet. Dieses wuchert organisch weiter mit immer neuen Subgruppen für spezielle Modelle, Serien und neue Releases, siehe: Yeezy Talk Worldwide oder NIKE x OFF-WHITE TALK GERMANY and EU. Viele dieser Gruppen teilen sich außerdem in separate Buy & Sell und News & Diskussionsthreads.
Obwohl die meisten Gruppen geschlossen sind, zur Aufnahme oftmals sektenartige Fragen beantwortet werden müssen (Wie hast du von uns erfahren? Wirst du die Gruppenregeln lesen? Wirst du dich an die Regeln halten?) und man gerne mal einen Monat auf die Zutrittsbestätigung wartet, haben einige der Communities die Größe von Kleinstädten. Die strengen Regularien seien nötig, um die Gemeinschaft zu schützen, wer dagegen verstößt erhält einen Strike und wird bei besonderer Schwere oder Wiederholung gesperrt.
Das alles nervt zwar wahnsinnig und bringt auf der Street-Credibility-Scala doch eher Minuspunkte, führt letztendlich aber tatsächlich zu einem geordneten Thread und einer bei der Größe überraschend liebevollen und eingeschworenen Community.
OOTDs, LPUs und Sammlungen werden gelobt, bei Legit Checks, Price Checks und der 100. Frage zur Reinigung von verschmutztem Mesh wird geholfen und WTBs, WTTs und WTSs werden freundlich geBUMPt. Man gibt gemeinsame Sammelbestellungen auf, informiert sich über Neuerscheinungen und bedankt sich bei anderen Usern für legit Deals unter Retail und easy Pickups, bei denen, so verriet uns ein Insider, gelegentlich auch Sneaker gegen Drogen getauscht werden.
Der Sprachcode gilt gruppenübergreifend und erleichtert nicht nur - sobald einmal verstanden - den Überblick, sondern erzeugt auch ein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl. Denn Community ist das, worum es hier in erster Linie geht, weil der Mensch ein Rudeltier ist und nun eben auf der gemeinsamen Jagd nach der neuen Off White Collabo.
Den schnellsten Weg kennen die digitalen Alpha Tiere und weisen ihren Followern diesen mit affiliated Links. Auch ansonsten helfen beispielsweise die Admins von Yeezy Talk Worldwide gern mit ihrem eigenen Sneakerpflegeprodukt Crep Protect.
Viele Gruppengründer betreiben „im echten Leben" Streetwear Magazine oder Stores, so zum Beispiel die Leute vom Overkill in Berlin ( Straßen Mode Kultur) und verkaufen Merch Artikel der Gruppen, denn diese sind eben ganz klar und letztendlich selbsterklärt auch Zielgruppen.
Undercoveragentin: Michalamercedes