Mitten im Grünen, ganz unscheinbar in der Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen, stapelt sich ein historischer Schatz auf dem nächsten und erzählt eine Geschichte nach der anderen. Nein, es ist kein Museum, das sich hier hinter einem Metallzaun verbirgt. Es ist das Lager von Gert Bose, der seit 25 Jahren mit seiner Firma "Bose - Antike Baustoffe" altes Baumaterial vertreibt. Hier finden sich Steine, die durchaus mal 800 Jahre alt sind, Pflasterklinker oder Mauerziegel, die einst im Lilienthaler Kloster oder in einer Kirche in Kirchweyhe verbaut waren. Oder diese dicken Eichenholzbalken aus dem Jahr 1679, ganze 12,5 Meter lang und pro Stück drei Tonnen schwer. Sie gehörten zum Gutshof eines Grafen. "Solche Monsterbalken hatten wir noch nie hier liegen", sagt Gert Bose, und man kann sich denken, dass das etwas heißen muss.
Denn Bose, gelernter Tischler, hat seine Firma vor knapp 25 Jahren gegründet, da war er gerade 30. Seitdem hat das Unternehmen unzählige Gebäude abgerissen, Millionen von Steinen abgeklopft, etliche Tonnen Holz weiterverkauft. Bose hat Lager an zwei Standorten, insgesamt 13.000 Quadratmeter. Eine Zeit lang führte die Firma viele Restaurierungen selbst durch, heute konzentriert sie sich vor allem auf Handel und Verkauf alter Baumaterialien. Der Betrieb geht langsam in die zweite Generation über, der 26-jährige Sohn Nico arbeitet – ebenfalls nach einer Tischlerausbildung – in der Firma. Bereits als Kind habe er in der Werkstatt gestanden, erzählt sein Vater. Drei feste Mitarbeiter hat Bose, vor ein paar Jahren musste er den Betrieb stark dezimieren, weil er an Multipler Sklerose erkrankte. Heute sucht er wieder nach Personal, aber der Fachkräftemangel macht es ihm schwer.
In Zusammenarbeit mit Abrissunternehmen baut Boses Firma historische Gebäude ab und versucht, möglichst viel zu davon erhalten. "Von 500 Tonnen verwenden wir dann zum Beispiel noch 300", sagt der 54-Jährige. Und wenn Bose sagt "verwenden", dann meint er das auch so: In Regalen häufen sich verrostete Beschläge oder Türklinken, Schrauben und Nägel sind fein säuberlich beiseitegelegt. Manchmal finden sich dort auch richtige Antiquitäten, alte Kaffeekannen zum Beispiel.
Bei seiner Arbeit konzentriert Bose sich auf Bauwerke aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. "Alles danach kann man oft vergessen", sagt er. Denn wie es mit den meisten Dingen so ist, lasse auch die Qualität der Baustoffe nach. Inzwischen würden sie auch absichtlich so hergestellt, dass sie nicht so lange halten, ist er überzeugt. Bose hält einen rötlichen Stein hoch: "Der hier ist 200 Jahre alt und wird wahrscheinlich noch weitere 200 Jahre halten."
Und vor allem hört und sieht Bose Geschichten und Geschichte. Von den Besitzern alter Scheunen, Gutshäuser oder Ställe lässt er sich erzählen, wer dort gewohnt hat. In einigen Steinen sind noch Fingerabdrücke oder Tierspuren zu sehen, in Dachpfannen sind Rechnungen eingeritzt. Auf vielen Holzbalken sind deutlich die Schriftzüge zu erkennen. Das fasziniert Bose auch heute noch. Die wahren Schätze, das sind zum Beispiel Sandsteinkapitelle aus dem Bremer Dom oder Umrandungen vom alten Lloydgebäude. Auch Teile von alten Familiengrabsteinen finden sich zwischen den sorgfältig sortierten Baustoffen. "Wir sehen die Handwerksarbeit dahinter", sagt der Unternehmer.
Viele vermögende Leute unter den Kunden
Angefangen hat das, als Bose eine alte Hofstelle in Martfeld von 1770 bezog. Da habe er begonnen, sich für die alten Baustoffe zu interessieren und als junger Mann mit einem Kompagnon das Unternehmen gegründet. "Damals wurde ich oft nicht ernst genommen", sagt er. Das erlebe sein Sohn Nico heute noch, Kunden wollten lieber mit seinem Vater sprechen als mit ihm. "Obwohl mein Sohn von manchen Dingen viel mehr Ahnung hat als ich", sagt der Vater.
Viele vermögende Leute gehören laut dem Unternehmer zu seinen Kunden, häufig auch Promis. Anfragen kämen sogar von russischen Oligarchen. Aber auch Menschen, die die Geschichte so sehr fasziniert, dass sie die Bauteile unbedingt bei sich zu Hause haben wollen, Historiker zum Beispiel, gehörten zur Kundschaft. Inzwischen gebe es viele Privatleute, die sich Gedanken über Nachhaltigkeit machten und deshalb bei Bose einkauften, sagt er. Bei den historischen Schätzen achte er darauf, dass sie auch in der Region bleiben. Das Geschäft laufe vor allem über Mundpropaganda – Architekten und Handwerker, die Boses Firma kennen, geben den Kontakt weiter.
Er führe viele Diskussionen, sagt Bose. Es habe schon Situationen gegeben, in denen er von der Polizei angehalten worden sei, weil sie die Baustoffe für Müll gehalten habe. Anfangs sei er auch von Denkmalschützern kritisch beäugt worden. Dabei betreibe er eher Denkmalpflege, weil viele historische Dinge ansonsten verloren gingen. Inzwischen seien ihm die Denkmalschützer dankbar, sagt Bose.
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