Als ich 2019 meine Zeit in der Oberstufe angetreten habe, dachte ich noch, dass der ganze Spaß bald vorbei sein würde, dass ich bald anfange, zu studieren.
Anfang 2020 erreichten uns dann die ersten Nachrichten über ein neuartiges Virus, das sich in China rasant verbreitet. Ich dachte mir nichts Böses, zumindest bis die ersten Meldungen kamen, dass Corona nun auch Deutschland erreicht hat.
Als dann aber die ersten Regionen in Europa zu Corona-Risikogebieten erklärt wurden und eine Gruppe aus meiner Schule gerade aus einem solchen Risikogebiet zurückkehrte und einige mit Grippe- oder Erkältungssymptomen zu Hause bleiben mussten, war längst klar, wie riskant diese Krankheit ist. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe ich mich gewundert, warum unsere Schule überhaupt noch offen ist.
Wegen Erkältungssymptomen zu Hause bleibenWie man es von öffentlichen Einrichtungen - gerade in Berlin - leider kennt, wurde dann auch mal reagiert, aber eben ein paar Wochen zu spät. Unsere Schule und viele weitere Schulen in Berlin, mussten schließen. Diese Schulschließung aber zog sich über ein paar Monate hin, bis wir irgendwann wieder in halben Gruppen und mit einem halbherzigen, teilweise unsinnigen „Hygienekonzept" vor Ort unterrichtet werden konnten.
So ging es dann bis in den Herbst weiter. Da die ganze Zeit gelüftet werden musste, um die Coronaviren nach draußen zu befördern, haben sich die meisten früher oder später erkältet. Eigentlich war die Ansage, man solle mit Erkältungssymptomen zu Hause bleiben. Aber wir stehen vor dem Abitur und wir bekamen Druck, wir müssten jetzt möglichst viel schaffen, weil die Schule ja schon bald wieder schließen könnten. Kaum einer konnte und wollte es sich deshalb leisten, wegen Erkältungssymptomen zu Hause zu bleiben.
Als die Corona-Fallzahlen dann wieder stark anstiegen und der bis heute anhaltende „November-Lockdown" initiiert wurde, hat auch unsere Schule erst die Hygienemaßnahmen weiter verschärft und auch wieder dicht gemacht. Seitdem befinden wir uns wieder im Homeschooling-Modus und sollen uns die Abitur-relevanten Inhalte weitgehend selbst erarbeiten, unterstützt aber auch abhängig von der Arbeitsbereitschaft und Digitalkompetenz einzelner Lehrer.
Es ist ein Glück für uns, dass unsere Schule bei der Digitalisierung schon vor dem Lockdown recht weit war, sodass unsere Lernplattform nicht jeden Tag, so wie anderswo, sondern nur manchmal abgestürzt ist.
Ein unnötiges Corona-Spreading-EventExtrem kurzfristig kam dann wiederum die Meldung, dass wir als Abi-Jahrgang ab dem 11. Januar wieder in voller Kursstärke unterrichtet werden sollten. Da es keine Präsenzpflicht gab, dachte sich unsere Schulleitung, uns mit der Drohung, dass unsere Zensuren nur passabel werden könnten, wenn wir auch zur Schule kommen würden, unter Druck setzen zu müssen.
Als ich, in Kombination mit einem Hinweis auf die „#besonderehelden"-Kampagne der Bundesregierung, die ausdrücklich dazu auffordert, zu Hause zu bleiben, ankündigte, nicht am Präsenzunterricht teilzunehmen, reagierte man gereizt. Die Schulleitung und der Senat sahen das offenbar anders. Aber Eltern und auch Lehrer hatten schlicht keine Lust, sich mit Corona zu infizieren oder sich selbst und die eigenen Kinder, zu Pandemie-Treibern zu machen. In der Folge musste meine Schule nach nur einem Präsenztag auch schon wieder schließen. Ein unnötiges Corona-Spreading-Event, während in den Krankenhäusern die Intensivbetten knapp wurden, nur damit der Berliner Senat nochmal beweisen kann, wie toll doch seine Corona-Bildungspolitik ist?
Aber das angerichtete Chaos reichte insbesondere der SPD wohl nicht. Die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) war ohnehin schon der Meinung, es wäre schlau, die Abiturienten in voller Kursstärke, aber ohne Präsenzpflicht, wieder antanzen zu lassen. Jetzt forderte die SPD auch noch, dass das Abitur um 60 Tage, also bis in die Sommerferien hinein verschoben wird. Das ist sowohl gegenüber den gestressten Schülern als auch gegenüber den überarbeiteten Lehrern eine absolute Frechheit.
Ständiges Hin und Her bei den MaßnahmenDiese Einsicht kam plötzlich wohl auch bei Frau Scheeres und Kollegen und so werden die Abiturprüfungen, zumindest nach jetzigem Stand, es kann sich ja fast stündlich etwas ändern, nur um knapp zwei Wochen nach hinten verschoben. Das soll uns Schülern ermöglichen, dass wir mehr Zeit zum Lernen bekommen. Ich kenne allerdings niemanden, der das gut findet oder diese Zeit wirklich braucht. Es führt wohl nur zu noch mehr Verunsicherung, weil derart kurzfristige Änderungen uns den letzten Funken des Gefühls der Planungssicherheit nehmen.
Ich kann nachvollziehen, dass diese neue, ungewohnte Situation für alle eine Herausforderung darstellt. Ja sogar, dass sich scheinbar niemand im Berliner Senat im Vorfeld mit dem 2017 erschienen Pandemieplan des RKI für genau eine solche Situation auseinandergesetzt hat. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist das ständige Hin und Her bei den Maßnahmen und die Ungewissheit in der wir Abiturienten von den Verantwortungsträgern gelassen werden.
Niemand fühlt sich verantwortlichKeiner weiß, wie es in den nächsten Wochen weitergeht. Keiner weiß, wie und ob das Abitur tatsächlich zu den seit langem feststehenden Terminen geschrieben wird (was, wenn es nach mir gehen würde, wünschenswert wäre) oder ob sich tatsächlich alles verschiebt. Ungewissheit und Sorgen herrschen bei vielen von uns auch darüber, ob die Inhalte, die wir uns nun selbst erarbeiten, tatsächlich in gleicher Weise in das Abi einfließen, wie die Inhalte aus dem Präsenzunterricht. Sagen kann man uns dazu aber nichts und niemand fühlt sich offenbar verantwortlich.
Frau Scheeres und ihre Kollegen müssen endlich begreifen, dass die Situation nun mal so ist, wie sie ist und dass sie sich andere Strategien überlegen müssen, als einfach nur zu verschieben. Denn wer kann dafür garantieren, dass die Corona-Zahlen 60 Tage später wirklich besser aussehen? Zumal das Impf-Chaos derzeit nichts Gutes hoffen lässt. Werden es die gleichen Leute sein, die der Meinung waren, dass die Zahlen sich nach dem November-Lockdown verbessern?
Immerhin: Wenn wir dann endlich fertig sein sollten und unseren Abschluss haben, werden die Schulen wohl endlich digitalisiert sein. Und wir werden besser wissen als die Generationen vor uns, wie man selbstständig arbeitet. Denn wirklich verlassen kann man sich offenbar am Ende nur auf sich selbst.