Den meisten Menschen würde bei dem, was der Profisportler Max Hopp jeden Tag macht, langweilig werden. Hopp steht in einem dunklen Raum und wirft mit Pfeilen auf eine Scheibe. Stundenlang, bis zu sechs Stunden pro Tag. Der 20-Jährige ist Dartprofi und strebt nach dem perfekten Wurf. "Es gibt verschiedene Übungen, sodass mein Training abwechselnd ist", sagt er. Meistens spielt er gegen einen virtuellen Gegner auf dem Laptop, echte Trainingspartner hat er nicht. Auch Konditionstraining gehört dazu, denn Darts ist Konzentrationssport: "Wenn die Kondition nachlässt, leidet darunter die Konzentration."
Max Hopp ist Deutschlands erfolgreichster Dartprofi. Sein Spitzname ist "The Maximiser", der Optimierer. In der Weltrangliste ist er auf Rang 38. 2015 wurde er Juniorenweltmeister. Im Dezember 2014 erreichte er die zweite Runde der legendären PDC-Weltmeisterschaft und scheiterte am Niederländer Vincent van der Voort. Auf den trifft er heute bei der Weltmeisterschaft im Alexandra Palace in London wieder. Dem Ort, wo Superstars wie Phil Taylor oder Michael van Gerwen ihre großen Triumphe feierten. Der Sieger, der am 2. Januar gekürt wird, erhält 350.000 Pfund Preisgeld (etwa 417.000 Euro). Für Hopp wäre es bereits ein riesiger Erfolg, sein Zweitrundenmatch am kommenden Mittwoch zu gewinnen. Noch nie ist das einem Deutschen gelungen.
Nach dem Fußball die beliebteste SportartDarts zählt im Winter zu den populärsten Sportereignissen im deutschen Fernsehen. Während der Weihnachtsfeiertage gibt es kaum anderen Sport und viele schalten ein, der Spartensender Sport1 überträgt für ein Millionenpublikum live aus London. In England und den Niederlanden gilt der Präzisionssport hinter dem Fußball als die zweitwichtigste Sportart. Auch Prinz Harry sitzt bei der WM schon mal im Publikum. Dartsveranstaltungen sind riesige Partys, Fans kommen verkleidet als Bierflasche, als Schlumpf oder als Keks in die Halle. Sie trinken, grölen und bejubeln die Stars der Branche, die keine perfekten Modellathleten sind. Als wären sie einfach von einem der Trinkertische aufgestanden. Manchmal scheint es den Zuschauern fast egal zu sein, welcher Schütze gewinnt. Jeder gute Wurf wird als Gelegenheit genutzt, um Bier zu trinken und auf Bänken zu tanzen.
In Deutschland gilt Darts deshalb noch immer als Kneipensport. Die meisten Spieler sind so korpulent wie Superstar Phil Taylor, haben Oberarme wie Bäume, aber filigrane Finger. Hopp ist gegen die Schwergewichte vergleichsweise normal gebaut. Er lebt im sächsischen Kottengrün und ist zusammen mit dem bereits ausgeschiedenen 40-jährigen Dragutin Horvat der einzige deutsche WM-Teilnehmer.
Dass Hopp Dartprofi geworden ist, ergab sich eher aus einem Zufall. Er hätte auch ein guter Handballspieler werden können, spielte in der Hessenliga und besuchte die Sportförderschule in Wiesbaden. Doch als sein Vater ein Dartboard von einer Geschäftsreise mitbrachte, drehte sich bei ihm alles nur noch um Pfeil und Scheibe. Sein erstes Ziel war es, den Vater zu bezwingen. Es gelang ihm nach einem Monat. Er wollte immer besser und besser werden. Möglichst so gut wie die Stars, die er im Fernsehen bewunderte. Als der Betrieb pleiteging, in dem er zum Groß- und Außenhandelskaufmann ausgebildet wurde, setzte er nur noch auf die Karriere als Dartprofi.
Darten als EinmannunternehmenDarts ist in Deutschland ein Amateursport. Die Spieler der 2005 gegründeten Bundesliga verdienen kein oder nur sehr wenig Geld. Einnahmemöglichkeiten bietet nur der Welt-Dartverband Professional Darts Corporation (PDC), der auch die WM ausrichtet.
Mittlerweile lebt Hopp vom Darts. Zwar verdient er keine Millionen wie die Stars der Branche, die wie Phil Taylor Multimillionäre geworden sind. In den vergangenen beiden Jahren hat er aber 93.300 Euro Preisgelder kassiert. Hinzu kommen Einnahmen durch Sponsoren, oder wenn er zu Firmenfesten eingeladen wird, um Darts mit den Mitarbeitern zu spielen. Topstars verdienen an solchen Abenden fünfstellig. "Ich würde mich keinesfalls als reich bezeichnen. Man darf nicht vergessen, dass ein großer Teil des Preisgeldes direkt wieder für Flüge und Hotels draufgeht", sagt er. Alles ist knapp kalkuliert. Einen Manager will oder kann er sich nicht leisten. Reisen bucht er selbst, auch die Sponsorensuche macht er alleine. "Das kostet natürlich viel Zeit. Aber auf der anderen Seite habe ich so immer den Überblick", sagt er. Dartprofi in Deutschland gelingt nur als Einmannunternehmen.