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Moldau: „Hier ist nicht die Krim"

Die Republik Moldau blickt nervös auf die Ukraine. Die Region Transnistrien will dagegen den Anschluss an Moskau.

Banner voran, Flaggen hoch in die Luft gestreckt - westlich der Ukraine protestieren Hunderte Menschen gegen Russlands Annexionspolitik. Erst am vergangenen Sonntag zogen sie durch die moldawische Hauptstadt Kischinau, um „gegen die russische Aggression" zu demonstrieren , wie Iulian Gramatki von der Bewegung „Junge Moldauer" erklärt. Er ist einer der Organisatoren des Protestmarsches.

Junge und alte Bürger liefen durch das Stadtzentrum bis vor die russische Botschaft. Sie trugen die Fahnen der Republik Moldau und Europas, auf ihren Spruchbändern stand „Putin - Besetzer" und „Hier ist nicht die Krim".

Gramatki und andere Demonstranten fürchten, dass sich in ihrer Heimat eine Situation wie auf der Krim wiederholen könnte: von der Einmischung Russlands in die Innenpolitik bis hin zu einer Annexion. Doch solle, so Gamatki, „Moldau selbst über seinen Weg entscheiden."

Das kleine Land zwischen Rumänien und der Ukraine ist hin- und hergerissen zwischen West und Ost. In der ehemaligen Sowjetrepublik gibt es starken Zuspruch für eine Annäherung an Europa, ebenso wie für eine größere Nähe zu Moskau. Für nicht wenige ist der Kurs des Landes aber zweitrangig, solange sich ihr Lebensstandard verbessert.

Die demokratische Regierung setzt auf die Annäherung an die Europäische Union. In Ende April soll die Visa-Pflicht wegfallen, etwas später will Moldau ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen, wie es auch zwischen Brüssel und Kiew ausgearbeitet worden war, und das die Proteste in der Ukraine auslöste. Das ist nur eine der Parallelen in Moldau.

Russland versucht mit Druck, den EU-Kurs zu bremsen und die Unterzeichnung zu verzögern, etwa mit einem Importverbot für moldauischen Wein, der einst für die gesamte Sowjetunion hergestellt worden war. Das Verbot besteht so lange, bis im Herbst ein neues Parlament gewählt wird, das den aktuellen Kurs korrigieren könnte. Die Chancen stehen derzeit gut, dass die Kommunisten bei der Abstimmung gewinnen. Viele Bürger sind unzufrieden mit der Arbeit der amtierenden Regierung. Eine Protestwahl steht bevor.

Zusätzlichen Grund zur Sorge liefert in diesen Tagen der abtrünnige Landesteil Transnistrien, 80 Kilometer von Kischinau entfernt. Es ist ein schmaler Landstrich an der Grenze zur Ukraine. Während in Kischinau Europa-Flaggen vor Staatsgebäuden wehen, tragen Staatswappen und Flagge hier noch immer Hammer und Sichel.

Im September 1990 hatte sich das Gebiet zur unabhängigen Sowjetrepublik erklärt. 1992 kam es zu einem kurzen Krieg mit mehreren Hundert Toten zwischen Moldau und Transnistrien. Seitdem ist die Region östlich des Flusses Dnjestr ein De-facto-Staat, mit einer streng bewachten Grenze und eigener Währung, den aber kein Land anerkennt.

Dass seit dem Krieg russische Soldaten in Transnistrien stationiert sind, erhöht nun die Nervosität. Nato-Oberbefehlshaber Philip Breedlove hält einen Einmarsch Russlands in die Süd-Ukraine für möglich, um einen Landkorridor auf die Krim zu öffnen oder sogar bis Transnistrien vorzustoßen.

„Blockade" als Vorwand für russische Intervention?

Die Einwohner Transnistriens, zu gut einem Drittel Russen, Ukrainer und Moldauer, sind klar prorussisch. 2006 sprachen sich bei einem Referendum mehr als 97 Prozent von ihnen für die Unabhängigkeit und anschließendem Beitritt zu Russland aus. Auch heute strebt die Führung in der Hauptstadt Tiraspol die Aufnahme in die Russischen Föderation an.

„Alle hoffen darauf, dass es hier ein Szenario wie auf der Krim gibt", sagen die Menschen in der Hauptstadt Tiraspol. „Wir warten seit 23 Jahren darauf." Allerdings machen sie sich nur wenig Hoffnung auf eine Anbindung. „Die hätte Russland schon vor Jahren haben können", sagt ein junger Mann, dessen Name nicht in der Zeitung stehen soll. In den vergangenen Tagen hat sich die Lage verschärft. Die Ukraine hindert offenbar junge Männer aus Transnistrien mit russischem Pass daran, die Grenze zu überqueren. Die Regierung in Kiew fürchtet, sie könnten Proteste im nur knapp 100 Kilometer entfernten Odessa unterstützen.

Gerade hat Transnistrien die Teilnahme an einer neuen Runde der regelmäßigen Gespräche zur Beilegung des Konflikts abgesagt. Angeblich weil die Regierung in Kischinau sich nicht an ihr Versprechen gehalten habe, Importzölle für transnistrische Unternehmen aufzuheben.

Moskau kritisiert diese Entwicklungen als „Blockade" Transnistriens. Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte, die Lebensbedingungen der Menschen in der Region seien „erheblich erschwert, die Freizügigkeit, Handel und wirtschaftliche Tätigkeit behindert". Auch wenn EU-Beobachter keine nennenswerte Vorkommnisse an der Grenze feststellen konnten, warnte der russische Vizepremier und Transnistrien-Sonderbeauftragter Dmitrij Rogosin bereits, man werde notfalls auch Gewalt gegen jeden Aggressor anwenden, „um ihn zu Frieden, Ordnung und zur Einhaltung der demokratischen Normen zu zwingen".

Die angebliche „Blockade" als Vorwand für eine russische Intervention? Präsident Putin hatte zuletzt von einer „gerechten und umfassenden" Beilegung des Konflikts" gesprochen. Außenmister Sergej Lawrow befürwortete eine Föderalisierung Moldaus und die territoriale Integrität des Landes - inklusive Transnistrien.

In Kischinau will man diese Aussage als Zeichen werten, dass sich die Ereignisse wie auf der Krim nicht wiederholen. Auch internationale Beobachter im Land glauben nicht an ein solches Szenario, denn: Russland könnte zwar einen kleines Stück der alten Größe zurückgewinnen. Gleichzeitig würde Moskau aber den Einfluss auf die gesamte Republik Moldau verlieren.

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