Zwei Jahre nach dem Start verzeichnet die werbefinanzierte Onlinesatire mehr als eine Million Zugriffe monatlich
Team Stronach als Satireprojekt geoutet", „Höchste Geheimhaltungsstufe: Hypo-Ausschuss wird Endbericht in Zaubertinte verfassen", „Eintrag ins Buch der Rekorde: U6 gilt als längste Geisterbahn der Welt": Mit solchen bitterbösen Schlagzeilen sorgt das Onlinesatireportal "Die Tagespresse" seit mittlerweile zwei Jahren für Aufsehen, hat sich in der Medienbranche einen Namen gemacht und Auszeichnungen eingeheimst. Was der damalige Wirtschaftspolitik-Student Fritz Jergitsch im Mai 2013 als Spaß begann, wurde dank der raschen Verbreitung über soziale Netzwerke schnell zum Selbstläufer und finanziert mittlerweile seinen Lebensunterhalt. „Schon in der ersten Woche hatte ich 30.000 Klicks", erinnert sich der 24-Jährige. Dass die Seite so beliebt geworden ist, war für den Wiener dennoch eine „Riesenüberraschung". Die Tatsache, dass humorvolle Inhalte besonders gern geteilt werden, hat viel zum Erfolg beigetragen: Am Anfang generierte die Seite 95 Prozent ihres Traffics über Facebook, jetzt sind es immer noch 75 Prozent. Die Zugriffszahlen sind kontinuierlich gestiegen: Mittlerweile kommen durchschnittlich 1,2 Millionen Besucher pro Monat auf die Seite. Auf genauso viele Leser hat es auch der bisher meistgeklickte Tagespresse-Artikel rund um einen erst jetzt zugestellten Brief an Adolf Hitler geschafft.
Unterhalten und kritisieren. Die Aufmachung der Seite wirkt bewusst seriös, sodass die Meldungen auf den ersten Blick wahr sein könnten. So löste die Schlagzeile, dass NSA-Aufdecker Edward Snowden in Wien gelandet sei, Verwirrung im Web aus und führte sogar dazu, dass das österreichische Außenministerium Medienanfragen dazu bekam. „Da war ich am Anfang selbst kurz schockiert", lacht Jergitsch. Er sieht die Tagespresse als Unterhaltungsmedium, das nach Vorbild des deutschen Postillon durch Übertreibung Missstände sichtbarer macht. Sein Ziel: „Ich würde mich gerne als eine der kritischen Stimmen im Land etablieren." Neben Google Analytics nützt Jergitsch die Anzahl der Facebook-Likes als Qualitätsgradmesser für die Artikel. Außerdem behält er die Kommentare der User im Auge. Bis zu fünf Artikel pro Woche veröffentlicht Die Tagespresse. Mittlerweile erhält Jergitsch Unterstützung von zwei freiberuflichen Comedy-Autoren. Ziel sei es, täglich einen Artikel zu publizieren. Dazu will Jergitsch das Redaktionsteam um ein bis zwei Autoren erweitern. Zeitplan hat er keinen. „Es ist ziemlich schwierig, Leute zu finden, die das können." Er selbst schreibt neben der Tagespresse Gags für das ORF-Comedy-Programm sowie als anonymer Mitautor bei einem weiteren Satireprojekt. Gearbeitet wird auch am Sonntag. Für das Master-Studium bleibt da momentan keine Zeit. Auch Schreibangebote diverser Medien hat Jergitsch bisher abgelehnt. „Ich sehe mich weniger als Autor, sondern mehr als Herausgeber." Zumindest die nächsten zwei Jahre will er das noch bleiben. „Für immer werde ich es aber nicht machen." Die Seite zu verkaufen, sei eine Option. Eines Tages wird es Die Tagespresse wohl auch auf die Bühne schaffen: Gespräche für ein Kabarettprogramm laufen. „Das wird aber noch dauern, wir sind noch in der Pilotphase."
Neu: Satire-Advertorials. Vermarktet wird das Satireportal seit Herbst von der zur Russmedia Digital gehörenden austria.com/plus. Erfasst wird die Seite mittlerweile auch in der Österreichischen Webanalyse (ÖWA) und der ÖWA Plus. Mit mehr als 700.000 Unique Clients im März reiht sich Die Tagespresse dort im Mittelfeld gängiger News-Portale. Neben Displaywerbung setzt die Seite jetzt auf Advertorials. „Im April schaltete Zipfer das erste Satire-Advertorial Österreichs", freut sich Jergitsch. Punkto Glaubwürdigkeit sieht er darin kein Problem, „solange es deutlich gekennzeichnet ist". Ein- bis zweimal im Monat seien solche Advertorials künftig geplant. Nachsatz: „Öfter nicht, weil wir sind eine Satireseite und keine Werbeschleuder." Eine klassische Paywall für Die Tagespresse schließt Jergitsch aus. „Es wird immer kostenlose Inhalte geben, weil die Seite über Facebook-Verbreitung lebt." Dass Leser für bestimmte Zusatzinhalte bezahlen, sei denkbar, „aber erst, wenn wir in der Lage sind, einen höheren Mehrwert zu bieten". Videos würden sich für Die Tagespresse nicht rechnen. Auch eine Tagespresse in Printform kann er sich nicht vorstellen. In Buchform gibt es die besten Satire-Artikel der Tagespresse bereits im Jahresrückblick. Das letzte Buch wurde bereits mehr als 5.000-mal verkauft. Im Herbst folgt Band drei.
Autor: Nicole FriesenbichlerOriginal